darin liegt; und weiß wohl, daß auch die sanft getrof- fene Eigenliebe sich unterweilen durch einen Blick ver- räth, den man der Liebe zuschreiben könnte. Nie belä- stigt er diese süßen Ausbrüche der menschlichen Natur, diese für die Freundschaft so wichtigen Schwächen, mit widrigen Vermuthungen; nie schreckt er unser Herz durch eine witzige Antwort zurück, und wenn auch ein Zug von Liebe sich mit einmischt: so ist man doch bey ihm wegen einer augenblicklichen Empfindung über alle Auslegung ruhig.
Jedoch ich merke zu spät, daß ich über einen Text predige anstatt Jhnen einen Brief zu schreiben. Verzei- hung! Mein Unwille über einen Mann, der ein Com- pliment höher aufnimmt als es gemeint ist, und wohl gar einen sogenannten galanten Wettstreit sucht, war zu groß; er muste Lust haben. Jch schließe Sie und ihren lieben Freund zugleich in meine Arme, und bin alles was Sie wollen, nur nicht Jhre
Ganz gehorsamste Dienerinn, Amalia.
XVIII. Verdienten sie die Krone oder nicht?
Ein moralisches Problem.
Jch befand mich vor einiger Zeit in einer Gesellschaft von Bösewichtern, wovon der eine ein Geitzhals, als ein kluger und ordentlicher Mann, der andre ein Ver-
schwen-
Der Werth der Complimente.
darin liegt; und weiß wohl, daß auch die ſanft getrof- fene Eigenliebe ſich unterweilen durch einen Blick ver- raͤth, den man der Liebe zuſchreiben koͤnnte. Nie belaͤ- ſtigt er dieſe ſuͤßen Ausbruͤche der menſchlichen Natur, dieſe fuͤr die Freundſchaft ſo wichtigen Schwaͤchen, mit widrigen Vermuthungen; nie ſchreckt er unſer Herz durch eine witzige Antwort zuruͤck, und wenn auch ein Zug von Liebe ſich mit einmiſcht: ſo iſt man doch bey ihm wegen einer augenblicklichen Empfindung uͤber alle Auslegung ruhig.
Jedoch ich merke zu ſpaͤt, daß ich uͤber einen Text predige anſtatt Jhnen einen Brief zu ſchreiben. Verzei- hung! Mein Unwille uͤber einen Mann, der ein Com- pliment hoͤher aufnimmt als es gemeint iſt, und wohl gar einen ſogenannten galanten Wettſtreit ſucht, war zu groß; er muſte Luſt haben. Jch ſchließe Sie und ihren lieben Freund zugleich in meine Arme, und bin alles was Sie wollen, nur nicht Jhre
Ganz gehorſamſte Dienerinn, Amalia.
XVIII. Verdienten ſie die Krone oder nicht?
Ein moraliſches Problem.
Jch befand mich vor einiger Zeit in einer Geſellſchaft von Boͤſewichtern, wovon der eine ein Geitzhals, als ein kluger und ordentlicher Mann, der andre ein Ver-
ſchwen-
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Der Werth der Complimente.
darin liegt; und weiß wohl, daß auch die ſanft getrof-
fene Eigenliebe ſich unterweilen durch einen Blick ver-
raͤth, den man der Liebe zuſchreiben koͤnnte. Nie belaͤ-
ſtigt er dieſe ſuͤßen Ausbruͤche der menſchlichen Natur,
dieſe fuͤr die Freundſchaft ſo wichtigen Schwaͤchen, mit
widrigen Vermuthungen; nie ſchreckt er unſer Herz durch
eine witzige Antwort zuruͤck, und wenn auch ein Zug von
Liebe ſich mit einmiſcht: ſo iſt man doch bey ihm wegen
einer augenblicklichen Empfindung uͤber alle Auslegung
ruhig.
Jedoch ich merke zu ſpaͤt, daß ich uͤber einen Text
predige anſtatt Jhnen einen Brief zu ſchreiben. Verzei-
hung! Mein Unwille uͤber einen Mann, der ein Com-
pliment hoͤher aufnimmt als es gemeint iſt, und wohl
gar einen ſogenannten galanten Wettſtreit ſucht, war zu
groß; er muſte Luſt haben. Jch ſchließe Sie und ihren
lieben Freund zugleich in meine Arme, und bin alles was
Sie wollen, nur nicht Jhre
Ganz gehorſamſte Dienerinn,
Amalia.
XVIII.
Verdienten ſie die Krone oder nicht?
Ein moraliſches Problem.
Jch befand mich vor einiger Zeit in einer Geſellſchaft
von Boͤſewichtern, wovon der eine ein Geitzhals, als
ein kluger und ordentlicher Mann, der andre ein Ver-
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/88>, abgerufen am 07.01.2025.
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