Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite
Von einem Weinhändler.

Dieser fiel endlich dahin aus, daß das Kunstgefühl
des Weins, und dessen Wissenschaft zwey ganz unter-
schiedne Studien wären, wovon jede in ihrem besondern
Keller erlernet werden müßte. Jch aber behauptete,
daß Mengs, der von der Kunst zu ihrer Wissenschaft
übergegangen wäre, es in der letztern unendlich weiter
gebracht hätte, als diejenigen, welche sich blos mit der Wis-
senschaft der Mahlerey beschäftiget hätten, und daß es der
Hauptfehler unster heutigen Erziehung sey, daß wir unsre
Jugend früher zur Wissenschaft als zur Kunst anführten.


III.
Von der Nationalerziehung der alten
Deutschen.

Was Sie von der Nationalerziehung unsrer Vorfah-
ren sagen, hat meinen vollkommensten Beyfall;
die Uebung der Jugend in den Waffen machte billig die
Hauptsache aus, da sie sich beständig ihrer Haut zu weh-
ren hatten: und sie handelten hierin weit zweckmäßiger,
als ihre spätern Nachkommen, die künftige Hofleute roh
und wild aufwachsen lassen.

Was ich jederzeit am mehrsten dabey bewundert
habe, ist dieses, daß die römischen Legionen den schnellen
Anlauf und das Einsprengen (velocitatem et insultum:) *)

der
*) Tacitus erwähnet dessen bey zweyen Gelegenheiten, einmal
da Germanicus ein Treffen mit ihnen in der Ebne vermied;
und das andremal, da die Deutschen so in die Enge getrieben
waren, daß sie assultu & velocitate corporum nichts ausrich-
ten konnten. Annal. L. II. c. 21.
Von einem Weinhaͤndler.

Dieſer fiel endlich dahin aus, daß das Kunſtgefuͤhl
des Weins, und deſſen Wiſſenſchaft zwey ganz unter-
ſchiedne Studien waͤren, wovon jede in ihrem beſondern
Keller erlernet werden muͤßte. Jch aber behauptete,
daß Mengs, der von der Kunſt zu ihrer Wiſſenſchaft
uͤbergegangen waͤre, es in der letztern unendlich weiter
gebracht haͤtte, als diejenigen, welche ſich blos mit der Wiſ-
ſenſchaft der Mahlerey beſchaͤftiget haͤtten, und daß es der
Hauptfehler unſter heutigen Erziehung ſey, daß wir unſre
Jugend fruͤher zur Wiſſenſchaft als zur Kunſt anfuͤhrten.


III.
Von der Nationalerziehung der alten
Deutſchen.

Was Sie von der Nationalerziehung unſrer Vorfah-
ren ſagen, hat meinen vollkommenſten Beyfall;
die Uebung der Jugend in den Waffen machte billig die
Hauptſache aus, da ſie ſich beſtaͤndig ihrer Haut zu weh-
ren hatten: und ſie handelten hierin weit zweckmaͤßiger,
als ihre ſpaͤtern Nachkommen, die kuͤnftige Hofleute roh
und wild aufwachſen laſſen.

Was ich jederzeit am mehrſten dabey bewundert
habe, iſt dieſes, daß die roͤmiſchen Legionen den ſchnellen
Anlauf und das Einſprengen (velocitatem et inſultum:) *)

der
*) Tacitus erwaͤhnet deſſen bey zweyen Gelegenheiten, einmal
da Germanicus ein Treffen mit ihnen in der Ebne vermied;
und das andremal, da die Deutſchen ſo in die Enge getrieben
waren, daß ſie aſſultu & velocitate corporum nichts ausrich-
ten konnten. Annal. L. II. c. 21.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0025" n="13"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von einem Weinha&#x0364;ndler.</hi> </fw><lb/>
          <p>Die&#x017F;er fiel endlich dahin aus, daß das Kun&#x017F;tgefu&#x0364;hl<lb/>
des Weins, und de&#x017F;&#x017F;en Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft zwey ganz unter-<lb/>
&#x017F;chiedne Studien wa&#x0364;ren, wovon jede in ihrem be&#x017F;ondern<lb/>
Keller erlernet werden mu&#x0364;ßte. Jch aber behauptete,<lb/>
daß <hi rendition="#fr">Mengs,</hi> der von der Kun&#x017F;t zu ihrer Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft<lb/>
u&#x0364;bergegangen wa&#x0364;re, es in der letztern unendlich weiter<lb/>
gebracht ha&#x0364;tte, als diejenigen, welche &#x017F;ich blos mit der Wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en&#x017F;chaft der Mahlerey be&#x017F;cha&#x0364;ftiget ha&#x0364;tten, und daß es der<lb/>
Hauptfehler un&#x017F;ter heutigen Erziehung &#x017F;ey, daß wir un&#x017F;re<lb/>
Jugend fru&#x0364;her zur Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft als zur Kun&#x017F;t anfu&#x0364;hrten.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">III.</hi><lb/>
Von der Nationalerziehung der alten<lb/>
Deut&#x017F;chen.</hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">W</hi>as Sie von der Nationalerziehung un&#x017F;rer Vorfah-<lb/>
ren &#x017F;agen, hat meinen vollkommen&#x017F;ten Beyfall;<lb/>
die Uebung der Jugend in den Waffen machte billig die<lb/>
Haupt&#x017F;ache aus, da &#x017F;ie &#x017F;ich be&#x017F;ta&#x0364;ndig ihrer Haut zu weh-<lb/>
ren hatten: und &#x017F;ie handelten hierin weit zweckma&#x0364;ßiger,<lb/>
als ihre &#x017F;pa&#x0364;tern Nachkommen, die ku&#x0364;nftige Hofleute roh<lb/>
und wild aufwach&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Was ich jederzeit am mehr&#x017F;ten dabey bewundert<lb/>
habe, i&#x017F;t die&#x017F;es, daß die ro&#x0364;mi&#x017F;chen Legionen den &#x017F;chnellen<lb/>
Anlauf und das Ein&#x017F;prengen (<hi rendition="#aq">velocitatem et in&#x017F;ultum:</hi>) <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#fr">Tacitus</hi> erwa&#x0364;hnet de&#x017F;&#x017F;en bey zweyen Gelegenheiten, einmal<lb/>
da Germanicus ein Treffen mit ihnen in der Ebne vermied;<lb/>
und das andremal, da die Deut&#x017F;chen &#x017F;o in die Enge getrieben<lb/>
waren, daß &#x017F;ie <hi rendition="#aq">a&#x017F;&#x017F;ultu &amp; velocitate corporum</hi> nichts ausrich-<lb/>
ten konnten. <hi rendition="#aq">Annal. L. II. c.</hi> 21.</note><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0025] Von einem Weinhaͤndler. Dieſer fiel endlich dahin aus, daß das Kunſtgefuͤhl des Weins, und deſſen Wiſſenſchaft zwey ganz unter- ſchiedne Studien waͤren, wovon jede in ihrem beſondern Keller erlernet werden muͤßte. Jch aber behauptete, daß Mengs, der von der Kunſt zu ihrer Wiſſenſchaft uͤbergegangen waͤre, es in der letztern unendlich weiter gebracht haͤtte, als diejenigen, welche ſich blos mit der Wiſ- ſenſchaft der Mahlerey beſchaͤftiget haͤtten, und daß es der Hauptfehler unſter heutigen Erziehung ſey, daß wir unſre Jugend fruͤher zur Wiſſenſchaft als zur Kunſt anfuͤhrten. III. Von der Nationalerziehung der alten Deutſchen. Was Sie von der Nationalerziehung unſrer Vorfah- ren ſagen, hat meinen vollkommenſten Beyfall; die Uebung der Jugend in den Waffen machte billig die Hauptſache aus, da ſie ſich beſtaͤndig ihrer Haut zu weh- ren hatten: und ſie handelten hierin weit zweckmaͤßiger, als ihre ſpaͤtern Nachkommen, die kuͤnftige Hofleute roh und wild aufwachſen laſſen. Was ich jederzeit am mehrſten dabey bewundert habe, iſt dieſes, daß die roͤmiſchen Legionen den ſchnellen Anlauf und das Einſprengen (velocitatem et inſultum:) *) der *) Tacitus erwaͤhnet deſſen bey zweyen Gelegenheiten, einmal da Germanicus ein Treffen mit ihnen in der Ebne vermied; und das andremal, da die Deutſchen ſo in die Enge getrieben waren, daß ſie aſſultu & velocitate corporum nichts ausrich- ten konnten. Annal. L. II. c. 21.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/25
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/25>, abgerufen am 21.12.2024.