ich doch, daß es besser sey, sie ihm zu lassen als zu neh- men; nur muß man dafür sorgen, daß die Ochsentreiber ihre Hörner ablegen.
Seine Frau, welche dieses hörte, und nie schweigt, wenn von Hörnern die Rede ist, machte hiebey die An- merkung: Nun weiß ich doch, warum den Männern Hör- ner zugeschrieben werden, uns Weibern aber nicht. Die Regenten müssen sie ablegen und tolerant seyn, aber die Unterthanen können die ihrigen ohne Nachtheil nicht missen.
Wenn die Aufklärung unsrer Zeiten es auch nur so weit bringt, daß die Regenten tolerant werden: so mag der Pöbel und was dazu gehört, immer stößig bleiben.
XLIX. Die Bekehrung im Alter.
Petron hat sich ganz bekehret sagt Valer. Mit eurer Erlaubnis versetzt Arist, es ist nicht andem; Pe- tron hat einen feinen Geschmack und ist dabey sehr ver- änderlich; Er hat die Laster so lange versucht, bis sie ihm nunmehro unschmackhaft geworden sind. Sie ha- ben keine Reizungen mehr für ihn, und weil er sich doch verändern muß: so hat er wohl aus Noth fromm werden müssen. Jhr meint gewis die Thorheit könne ewig ge- fallen? o nein! diese ist auch eitel; große Herren, wenn sie die Wollust aller Leckerbissen erschöpfet haben, essen oft auf einem Meyerhofe, um ihre stumpf gewordenen Zun- gen ein wenig zu schärfen. Er versäumet doch gleichwohl keine Predigt, wieder redete Valer, er ist überaus an-
däch-
Die Bekehrung im Alter.
ich doch, daß es beſſer ſey, ſie ihm zu laſſen als zu neh- men; nur muß man dafuͤr ſorgen, daß die Ochſentreiber ihre Hoͤrner ablegen.
Seine Frau, welche dieſes hoͤrte, und nie ſchweigt, wenn von Hoͤrnern die Rede iſt, machte hiebey die An- merkung: Nun weiß ich doch, warum den Maͤnnern Hoͤr- ner zugeſchrieben werden, uns Weibern aber nicht. Die Regenten muͤſſen ſie ablegen und tolerant ſeyn, aber die Unterthanen koͤnnen die ihrigen ohne Nachtheil nicht miſſen.
Wenn die Aufklaͤrung unſrer Zeiten es auch nur ſo weit bringt, daß die Regenten tolerant werden: ſo mag der Poͤbel und was dazu gehoͤrt, immer ſtoͤßig bleiben.
XLIX. Die Bekehrung im Alter.
Petron hat ſich ganz bekehret ſagt Valer. Mit eurer Erlaubnis verſetzt Ariſt, es iſt nicht andem; Pe- tron hat einen feinen Geſchmack und iſt dabey ſehr ver- aͤnderlich; Er hat die Laſter ſo lange verſucht, bis ſie ihm nunmehro unſchmackhaft geworden ſind. Sie ha- ben keine Reizungen mehr fuͤr ihn, und weil er ſich doch veraͤndern muß: ſo hat er wohl aus Noth fromm werden muͤſſen. Jhr meint gewis die Thorheit koͤnne ewig ge- fallen? o nein! dieſe iſt auch eitel; große Herren, wenn ſie die Wolluſt aller Leckerbiſſen erſchoͤpfet haben, eſſen oft auf einem Meyerhofe, um ihre ſtumpf gewordenen Zun- gen ein wenig zu ſchaͤrfen. Er verſaͤumet doch gleichwohl keine Predigt, wieder redete Valer, er iſt uͤberaus an-
daͤch-
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Die Bekehrung im Alter.
ich doch, daß es beſſer ſey, ſie ihm zu laſſen als zu neh-
men; nur muß man dafuͤr ſorgen, daß die Ochſentreiber
ihre Hoͤrner ablegen.
Seine Frau, welche dieſes hoͤrte, und nie ſchweigt,
wenn von Hoͤrnern die Rede iſt, machte hiebey die An-
merkung: Nun weiß ich doch, warum den Maͤnnern Hoͤr-
ner zugeſchrieben werden, uns Weibern aber nicht. Die
Regenten muͤſſen ſie ablegen und tolerant ſeyn, aber die
Unterthanen koͤnnen die ihrigen ohne Nachtheil nicht
miſſen.
Wenn die Aufklaͤrung unſrer Zeiten es auch nur ſo
weit bringt, daß die Regenten tolerant werden: ſo mag
der Poͤbel und was dazu gehoͤrt, immer ſtoͤßig bleiben.
XLIX.
Die Bekehrung im Alter.
Petron hat ſich ganz bekehret ſagt Valer. Mit eurer
Erlaubnis verſetzt Ariſt, es iſt nicht andem; Pe-
tron hat einen feinen Geſchmack und iſt dabey ſehr ver-
aͤnderlich; Er hat die Laſter ſo lange verſucht, bis ſie
ihm nunmehro unſchmackhaft geworden ſind. Sie ha-
ben keine Reizungen mehr fuͤr ihn, und weil er ſich doch
veraͤndern muß: ſo hat er wohl aus Noth fromm werden
muͤſſen. Jhr meint gewis die Thorheit koͤnne ewig ge-
fallen? o nein! dieſe iſt auch eitel; große Herren, wenn
ſie die Wolluſt aller Leckerbiſſen erſchoͤpfet haben, eſſen
oft auf einem Meyerhofe, um ihre ſtumpf gewordenen Zun-
gen ein wenig zu ſchaͤrfen. Er verſaͤumet doch gleichwohl
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/200>, abgerufen am 22.02.2025.
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