LX. Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum.
Nicht wenige Gutsherrn und zwar solche, denen es ge- wiß nicht an Einsicht mangelt, gerathen allmählig auf die Gedanken, daß es weit besser für sie seyn würde, die Höfe ihrer Leibeigenen mit Vorbehalt ihres Gutsherrli- chen Rechts verkaufen, als solche, wie jetzt geschieht, zum besten der Gläubiger ausheuren zu lassen, wenn sich ihre Leibeigne mit Schulden a) beladen, und dadurch außer Stand gesetzt haben, die ihnen anvertraueten Höfe in Reihe und Ordnung erhalten zu können.
"Bey den jetzigen Ausheurungen, sagen sie, bekommen "wir doch so nichts mehr als unsre Pächte und Dienste. "Denn wenn der von seinen Gläubigern ausgezogene Leib- "eigne stirbt: so findet sich nichts zu erben, und was soll "man von Leuten, denen die Gläubiger außer der Haut, "wenig gelassen haben und die insgemein aus Mismuth und "Gram oder wegen ihrer liederlichen Gemüthsart auf kei- "nen grünen Zweig kommen, für Freybriefe fordern? Da- "bey gehen die Gerechtigkeiten unsrer Höfe bey den Verheu- "rungen vielfältig verlohren; jederman sucht seinen Weg "darüber; und währender Zeit andre sich in der Mark aus- "dehnen und ihre Höfe verbessern, stehen die unsrigen in "Gefahr, sogar ihre alten Grenzen zu verlieren. Das Ge- "hölz auf dem Hofe wird vollends ein Raub. Die Gebäude,
"da
a) Um dieses in seinem völligen Maasse zu verstehen, muß man bemerken, daß es in dem Stifte Oßnabrück Leibeigne giebet, die ihre Höfe mit zehn und zwanzig tausend Thaler Schulden beladen haben.
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LX. Gedanken uͤber den weſtphaͤliſchen Leibeigenthum.
Nicht wenige Gutsherrn und zwar ſolche, denen es ge- wiß nicht an Einſicht mangelt, gerathen allmaͤhlig auf die Gedanken, daß es weit beſſer fuͤr ſie ſeyn wuͤrde, die Hoͤfe ihrer Leibeigenen mit Vorbehalt ihres Gutsherrli- chen Rechts verkaufen, als ſolche, wie jetzt geſchieht, zum beſten der Glaͤubiger ausheuren zu laſſen, wenn ſich ihre Leibeigne mit Schulden a) beladen, und dadurch außer Stand geſetzt haben, die ihnen anvertraueten Hoͤfe in Reihe und Ordnung erhalten zu koͤnnen.
„Bey den jetzigen Ausheurungen, ſagen ſie, bekommen „wir doch ſo nichts mehr als unſre Paͤchte und Dienſte. „Denn wenn der von ſeinen Glaͤubigern ausgezogene Leib- „eigne ſtirbt: ſo findet ſich nichts zu erben, und was ſoll „man von Leuten, denen die Glaͤubiger außer der Haut, „wenig gelaſſen haben und die insgemein aus Mismuth und „Gram oder wegen ihrer liederlichen Gemuͤthsart auf kei- „nen gruͤnen Zweig kommen, fuͤr Freybriefe fordern? Da- „bey gehen die Gerechtigkeiten unſrer Hoͤfe bey den Verheu- „rungen vielfaͤltig verlohren; jederman ſucht ſeinen Weg „daruͤber; und waͤhrender Zeit andre ſich in der Mark aus- „dehnen und ihre Hoͤfe verbeſſern, ſtehen die unſrigen in „Gefahr, ſogar ihre alten Grenzen zu verlieren. Das Ge- „hoͤlz auf dem Hofe wird vollends ein Raub. Die Gebaͤude,
„da
a) Um dieſes in ſeinem voͤlligen Maaſſe zu verſtehen, muß man bemerken, daß es in dem Stifte Oßnabruͤck Leibeigne giebet, die ihre Hoͤfe mit zehn und zwanzig tauſend Thaler Schulden beladen haben.
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Gedanken uͤber den weſtphaͤliſchen
Leibeigenthum.
Nicht wenige Gutsherrn und zwar ſolche, denen es ge-
wiß nicht an Einſicht mangelt, gerathen allmaͤhlig
auf die Gedanken, daß es weit beſſer fuͤr ſie ſeyn wuͤrde,
die Hoͤfe ihrer Leibeigenen mit Vorbehalt ihres Gutsherrli-
chen Rechts verkaufen, als ſolche, wie jetzt geſchieht, zum
beſten der Glaͤubiger ausheuren zu laſſen, wenn ſich ihre
Leibeigne mit Schulden a) beladen, und dadurch außer
Stand geſetzt haben, die ihnen anvertraueten Hoͤfe in Reihe
und Ordnung erhalten zu koͤnnen.
„Bey den jetzigen Ausheurungen, ſagen ſie, bekommen
„wir doch ſo nichts mehr als unſre Paͤchte und Dienſte.
„Denn wenn der von ſeinen Glaͤubigern ausgezogene Leib-
„eigne ſtirbt: ſo findet ſich nichts zu erben, und was ſoll
„man von Leuten, denen die Glaͤubiger außer der Haut,
„wenig gelaſſen haben und die insgemein aus Mismuth und
„Gram oder wegen ihrer liederlichen Gemuͤthsart auf kei-
„nen gruͤnen Zweig kommen, fuͤr Freybriefe fordern? Da-
„bey gehen die Gerechtigkeiten unſrer Hoͤfe bey den Verheu-
„rungen vielfaͤltig verlohren; jederman ſucht ſeinen Weg
„daruͤber; und waͤhrender Zeit andre ſich in der Mark aus-
„dehnen und ihre Hoͤfe verbeſſern, ſtehen die unſrigen in
„Gefahr, ſogar ihre alten Grenzen zu verlieren. Das Ge-
„hoͤlz auf dem Hofe wird vollends ein Raub. Die Gebaͤude,
„da
a) Um dieſes in ſeinem voͤlligen Maaſſe zu verſtehen, muß man
bemerken, daß es in dem Stifte Oßnabruͤck Leibeigne giebet,
die ihre Hoͤfe mit zehn und zwanzig tauſend Thaler Schulden
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/275>, abgerufen am 03.03.2025.
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