Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Also soll man das Studiren
wird die Erinnerung würken, daß er diesem dasjenige nicht
bieten dürfe, was er jenem zu bieten wagt. Also, mein
Werthester, muß er zu seinem und des Landes Besten auch
Diener haben, die ihm nicht blos aus Noth ergeben sind;
und ich würde mein Gewissen verletzen, wenn ich mich der
Verpflichtung, die hieraus hervorgeht, entzöge. Dieses
sagt mir:

Hic sit alterius qui suus esse potest.


XXX.
Also soll man das Studiern nicht
verbieten.

Ey, zum Henker, mit den verzweifelten Studiren; Alle
meine Unterthanen wollen ihre Kinder studiren lassen,
und wann das so fort geht, so wird der Acker noch zuletzt
mit Federn gepflügt werden. Höre er, mein lieber Canz-
ler, setze er mir gleich eine Verordnung auf, daß künftig
niemand ohne meine Erlaubniß studiren soll; die Rectoren
und Magistern sollen mir keinen Burschen annehmen, ohne
daß er nicht einen schriftlichen von mir selbst unterschriebe-
nen Paß vorzeigen kann, und diesen will ich nie ertheilen,
als auf die genaueste Untersuchung, ob der Knabe zum stu-
diren Genie und Vermögen habe. Wer kein Genie hat,
thut besser, daß er den Bauern die Schweine hütet, und
ohne Vermögen ist jetzt nichts rechts zu lernen, und nichts
auszuführen. Ich lasse es noch gelten, daß es mit Kin-
dern von guten Leuten, die Mittel haben, oder doch nicht
so schlechterdings in die Klasse der Taglöhner herabgesetzet
werden können, so genau nicht genommen werde, wiewol
sie auch eine Muskete auf die Schulter nehmen könnten;

allein

Alſo ſoll man das Studiren
wird die Erinnerung wuͤrken, daß er dieſem dasjenige nicht
bieten duͤrfe, was er jenem zu bieten wagt. Alſo, mein
Wertheſter, muß er zu ſeinem und des Landes Beſten auch
Diener haben, die ihm nicht blos aus Noth ergeben ſind;
und ich wuͤrde mein Gewiſſen verletzen, wenn ich mich der
Verpflichtung, die hieraus hervorgeht, entzoͤge. Dieſes
ſagt mir:

Hic ſit alterius qui ſuus eſſe poteſt.


XXX.
Alſo ſoll man das Studiern nicht
verbieten.

Ey, zum Henker, mit den verzweifelten Studiren; Alle
meine Unterthanen wollen ihre Kinder ſtudiren laſſen,
und wann das ſo fort geht, ſo wird der Acker noch zuletzt
mit Federn gepfluͤgt werden. Hoͤre er, mein lieber Canz-
ler, ſetze er mir gleich eine Verordnung auf, daß kuͤnftig
niemand ohne meine Erlaubniß ſtudiren ſoll; die Rectoren
und Magiſtern ſollen mir keinen Burſchen annehmen, ohne
daß er nicht einen ſchriftlichen von mir ſelbſt unterſchriebe-
nen Paß vorzeigen kann, und dieſen will ich nie ertheilen,
als auf die genaueſte Unterſuchung, ob der Knabe zum ſtu-
diren Genie und Vermoͤgen habe. Wer kein Genie hat,
thut beſſer, daß er den Bauern die Schweine huͤtet, und
ohne Vermoͤgen iſt jetzt nichts rechts zu lernen, und nichts
auszufuͤhren. Ich laſſe es noch gelten, daß es mit Kin-
dern von guten Leuten, die Mittel haben, oder doch nicht
ſo ſchlechterdings in die Klaſſe der Tagloͤhner herabgeſetzet
werden koͤnnen, ſo genau nicht genommen werde, wiewol
ſie auch eine Muſkete auf die Schulter nehmen koͤnnten;

allein
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0140" n="126"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Al&#x017F;o &#x017F;oll man das Studiren</hi></fw><lb/>
wird die Erinnerung wu&#x0364;rken, daß er die&#x017F;em dasjenige nicht<lb/>
bieten du&#x0364;rfe, was er jenem zu bieten wagt. Al&#x017F;o, mein<lb/>
Werthe&#x017F;ter, muß er zu &#x017F;einem und des Landes Be&#x017F;ten auch<lb/>
Diener haben, die ihm nicht blos aus Noth ergeben &#x017F;ind;<lb/>
und ich wu&#x0364;rde mein Gewi&#x017F;&#x017F;en verletzen, wenn ich mich der<lb/>
Verpflichtung, die hieraus hervorgeht, entzo&#x0364;ge. Die&#x017F;es<lb/>
&#x017F;agt mir:</p><lb/>
        <cit>
          <quote> <hi rendition="#aq">Hic &#x017F;it alterius qui &#x017F;uus e&#x017F;&#x017F;e pote&#x017F;t.</hi> </quote>
          <bibl/>
        </cit>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">XXX.</hi><lb/>
Al&#x017F;o &#x017F;oll man das Studiern nicht<lb/>
verbieten.</hi> </head><lb/>
        <p>Ey, zum Henker, mit den verzweifelten Studiren; Alle<lb/>
meine Unterthanen wollen ihre Kinder &#x017F;tudiren la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
und wann das &#x017F;o fort geht, &#x017F;o wird der Acker noch zuletzt<lb/>
mit Federn gepflu&#x0364;gt werden. Ho&#x0364;re er, mein lieber Canz-<lb/>
ler, &#x017F;etze er mir gleich eine Verordnung auf, daß ku&#x0364;nftig<lb/>
niemand ohne meine Erlaubniß &#x017F;tudiren &#x017F;oll; die Rectoren<lb/>
und Magi&#x017F;tern &#x017F;ollen mir keinen Bur&#x017F;chen annehmen, ohne<lb/>
daß er nicht einen &#x017F;chriftlichen von mir &#x017F;elb&#x017F;t unter&#x017F;chriebe-<lb/>
nen Paß vorzeigen kann, und die&#x017F;en will ich nie ertheilen,<lb/>
als auf die genaue&#x017F;te Unter&#x017F;uchung, ob der Knabe zum &#x017F;tu-<lb/>
diren Genie und Vermo&#x0364;gen habe. Wer kein Genie hat,<lb/>
thut be&#x017F;&#x017F;er, daß er den Bauern die Schweine hu&#x0364;tet, und<lb/>
ohne Vermo&#x0364;gen i&#x017F;t jetzt nichts rechts zu lernen, und nichts<lb/>
auszufu&#x0364;hren. Ich la&#x017F;&#x017F;e es noch gelten, daß es mit Kin-<lb/>
dern von guten Leuten, die Mittel haben, oder doch nicht<lb/>
&#x017F;o &#x017F;chlechterdings in die Kla&#x017F;&#x017F;e der Taglo&#x0364;hner herabge&#x017F;etzet<lb/>
werden ko&#x0364;nnen, &#x017F;o genau nicht genommen werde, wiewol<lb/>
&#x017F;ie auch eine Mu&#x017F;kete auf die Schulter nehmen ko&#x0364;nnten;<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">allein</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[126/0140] Alſo ſoll man das Studiren wird die Erinnerung wuͤrken, daß er dieſem dasjenige nicht bieten duͤrfe, was er jenem zu bieten wagt. Alſo, mein Wertheſter, muß er zu ſeinem und des Landes Beſten auch Diener haben, die ihm nicht blos aus Noth ergeben ſind; und ich wuͤrde mein Gewiſſen verletzen, wenn ich mich der Verpflichtung, die hieraus hervorgeht, entzoͤge. Dieſes ſagt mir: Hic ſit alterius qui ſuus eſſe poteſt. XXX. Alſo ſoll man das Studiern nicht verbieten. Ey, zum Henker, mit den verzweifelten Studiren; Alle meine Unterthanen wollen ihre Kinder ſtudiren laſſen, und wann das ſo fort geht, ſo wird der Acker noch zuletzt mit Federn gepfluͤgt werden. Hoͤre er, mein lieber Canz- ler, ſetze er mir gleich eine Verordnung auf, daß kuͤnftig niemand ohne meine Erlaubniß ſtudiren ſoll; die Rectoren und Magiſtern ſollen mir keinen Burſchen annehmen, ohne daß er nicht einen ſchriftlichen von mir ſelbſt unterſchriebe- nen Paß vorzeigen kann, und dieſen will ich nie ertheilen, als auf die genaueſte Unterſuchung, ob der Knabe zum ſtu- diren Genie und Vermoͤgen habe. Wer kein Genie hat, thut beſſer, daß er den Bauern die Schweine huͤtet, und ohne Vermoͤgen iſt jetzt nichts rechts zu lernen, und nichts auszufuͤhren. Ich laſſe es noch gelten, daß es mit Kin- dern von guten Leuten, die Mittel haben, oder doch nicht ſo ſchlechterdings in die Klaſſe der Tagloͤhner herabgeſetzet werden koͤnnen, ſo genau nicht genommen werde, wiewol ſie auch eine Muſkete auf die Schulter nehmen koͤnnten; allein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/140
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/140>, abgerufen am 22.12.2024.