Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Ein gutherziger Narr bessert sich nie.
Augen der grausamen Menschen verbergen. -- Arist fühlt
alles was ein Freund fühlen kan, und halb zweifelhaft, ob
sein Freund jene Klage nicht für einen Kunstgriff halten würde,
liehe er noch tausend Thaler und lies nicht ehender nach, als
bis sein Freund solche von ihm annahm. Und so verlohr er
immer mehr und mehr von seinem Vermögen, ohne den Ruf
eines reichen und guten Mannes zu verlieren. -- Er hies
immer Menschenfreund, wenn er gleich diesen Tittel, der
ihm schon viele tausende kostet, für den Zunamen eines
Narren hielt.

Wie war aber Aristen zu helfen? Den Kopf auf seinen
eignen Tisch gestützt schrieb er lange Zeit Satyren, und be-
gieng immer neue Thorheiten. Endlich aber entschloß er
sich, diese Erzählung abdrucken zu lassen, und so oft jemand
Geld von ihm begehren würde, solches darinn zu wickeln,
und es mit diesem Blatte hinzuschicken.



XI.
Die Vortheile einer allgemeinen
Landesuniforme, declamirt von
einem Bürger.

In dieser schrecklichen Vermischung, meine Freunde, wo-
rinn das Kleid überall den Mann macht, und das Geld
mehr gilt als eigner Heerd; wo die Ehre seine Obrigkeit zu
wählen und zu Gesetzen und Steuren seine Bewilligung zu
ertheilen, kaum noch erkannt wird; wo keine Ehrenstellen
in der Kirche, keine Ehrentänze auf Hochzeiten, keine Kro-

nen

Ein gutherziger Narr beſſert ſich nie.
Augen der grauſamen Menſchen verbergen. — Ariſt fuͤhlt
alles was ein Freund fuͤhlen kan, und halb zweifelhaft, ob
ſein Freund jene Klage nicht fuͤr einen Kunſtgriff halten wuͤrde,
liehe er noch tauſend Thaler und lies nicht ehender nach, als
bis ſein Freund ſolche von ihm annahm. Und ſo verlohr er
immer mehr und mehr von ſeinem Vermoͤgen, ohne den Ruf
eines reichen und guten Mannes zu verlieren. — Er hies
immer Menſchenfreund, wenn er gleich dieſen Tittel, der
ihm ſchon viele tauſende koſtet, fuͤr den Zunamen eines
Narren hielt.

Wie war aber Ariſten zu helfen? Den Kopf auf ſeinen
eignen Tiſch geſtuͤtzt ſchrieb er lange Zeit Satyren, und be-
gieng immer neue Thorheiten. Endlich aber entſchloß er
ſich, dieſe Erzaͤhlung abdrucken zu laſſen, und ſo oft jemand
Geld von ihm begehren wuͤrde, ſolches darinn zu wickeln,
und es mit dieſem Blatte hinzuſchicken.



XI.
Die Vortheile einer allgemeinen
Landesuniforme, declamirt von
einem Buͤrger.

In dieſer ſchrecklichen Vermiſchung, meine Freunde, wo-
rinn das Kleid uͤberall den Mann macht, und das Geld
mehr gilt als eigner Heerd; wo die Ehre ſeine Obrigkeit zu
waͤhlen und zu Geſetzen und Steuren ſeine Bewilligung zu
ertheilen, kaum noch erkannt wird; wo keine Ehrenſtellen
in der Kirche, keine Ehrentaͤnze auf Hochzeiten, keine Kro-

nen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0078" n="60"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Ein gutherziger Narr be&#x017F;&#x017F;ert &#x017F;ich nie.</hi></fw><lb/>
Augen der grau&#x017F;amen Men&#x017F;chen verbergen. &#x2014; Ari&#x017F;t fu&#x0364;hlt<lb/>
alles was ein Freund fu&#x0364;hlen kan, und halb zweifelhaft, ob<lb/>
&#x017F;ein Freund jene Klage nicht fu&#x0364;r einen Kun&#x017F;tgriff halten wu&#x0364;rde,<lb/>
liehe er noch tau&#x017F;end Thaler und lies nicht ehender nach, als<lb/>
bis &#x017F;ein Freund &#x017F;olche von ihm annahm. Und &#x017F;o verlohr er<lb/>
immer mehr und mehr von &#x017F;einem Vermo&#x0364;gen, ohne den Ruf<lb/>
eines reichen und guten Mannes zu verlieren. &#x2014; Er hies<lb/>
immer Men&#x017F;chenfreund, wenn er gleich die&#x017F;en Tittel, der<lb/>
ihm &#x017F;chon viele tau&#x017F;ende ko&#x017F;tet, fu&#x0364;r den Zunamen eines<lb/>
Narren hielt.</p><lb/>
        <p>Wie war aber Ari&#x017F;ten zu helfen? Den Kopf auf &#x017F;einen<lb/>
eignen Ti&#x017F;ch ge&#x017F;tu&#x0364;tzt &#x017F;chrieb er lange Zeit Satyren, und be-<lb/>
gieng immer neue Thorheiten. Endlich aber ent&#x017F;chloß er<lb/>
&#x017F;ich, die&#x017F;e Erza&#x0364;hlung abdrucken zu la&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;o oft jemand<lb/>
Geld von ihm begehren wu&#x0364;rde, &#x017F;olches darinn zu wickeln,<lb/>
und es mit die&#x017F;em Blatte hinzu&#x017F;chicken.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">XI.</hi><lb/>
Die Vortheile einer allgemeinen<lb/>
Landesuniforme, declamirt von<lb/>
einem Bu&#x0364;rger.</hi> </head><lb/>
        <p>In die&#x017F;er &#x017F;chrecklichen Vermi&#x017F;chung, meine Freunde, wo-<lb/>
rinn das Kleid u&#x0364;berall den Mann macht, und das Geld<lb/>
mehr gilt als eigner Heerd; wo die Ehre &#x017F;eine Obrigkeit zu<lb/>
wa&#x0364;hlen und zu Ge&#x017F;etzen und Steuren &#x017F;eine Bewilligung zu<lb/>
ertheilen, kaum noch erkannt wird; wo keine Ehren&#x017F;tellen<lb/>
in der Kirche, keine Ehrenta&#x0364;nze auf Hochzeiten, keine Kro-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[60/0078] Ein gutherziger Narr beſſert ſich nie. Augen der grauſamen Menſchen verbergen. — Ariſt fuͤhlt alles was ein Freund fuͤhlen kan, und halb zweifelhaft, ob ſein Freund jene Klage nicht fuͤr einen Kunſtgriff halten wuͤrde, liehe er noch tauſend Thaler und lies nicht ehender nach, als bis ſein Freund ſolche von ihm annahm. Und ſo verlohr er immer mehr und mehr von ſeinem Vermoͤgen, ohne den Ruf eines reichen und guten Mannes zu verlieren. — Er hies immer Menſchenfreund, wenn er gleich dieſen Tittel, der ihm ſchon viele tauſende koſtet, fuͤr den Zunamen eines Narren hielt. Wie war aber Ariſten zu helfen? Den Kopf auf ſeinen eignen Tiſch geſtuͤtzt ſchrieb er lange Zeit Satyren, und be- gieng immer neue Thorheiten. Endlich aber entſchloß er ſich, dieſe Erzaͤhlung abdrucken zu laſſen, und ſo oft jemand Geld von ihm begehren wuͤrde, ſolches darinn zu wickeln, und es mit dieſem Blatte hinzuſchicken. XI. Die Vortheile einer allgemeinen Landesuniforme, declamirt von einem Buͤrger. In dieſer ſchrecklichen Vermiſchung, meine Freunde, wo- rinn das Kleid uͤberall den Mann macht, und das Geld mehr gilt als eigner Heerd; wo die Ehre ſeine Obrigkeit zu waͤhlen und zu Geſetzen und Steuren ſeine Bewilligung zu ertheilen, kaum noch erkannt wird; wo keine Ehrenſtellen in der Kirche, keine Ehrentaͤnze auf Hochzeiten, keine Kro- nen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/78
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/78>, abgerufen am 21.11.2024.