daß jeder Richter nach den Rechten und Gewohnheiten sprechen sollte, welche ihm von den Eingesessenen seiner Gerichts- barkeit zugewiesen werden würden. Dies war das große Mittel, wodurch unsre Vorfahren ihre Freyheit ohne Ge- setzbücher erhielten; anstatt daß unsre Generalverordnungen und Gesetze, so bald es zur Anwendung kömmt, immer nicht recht auf den einzelnen streitigen Fall passen, und Na- tur und Gesetze gegen einander in Processe verwickeln.
Es ist eine allgemeine Klage des jetzigen Jahrhunderts, daß zu viel Generalverordnungen gemacht, und zu wenige befolget werden. Die Ursache liegt aber aller Wahrschein- lichkeit nach darinn, daß wir zu viel Dinge unter eine Regel bringen, und lieber der Natur ihren Reichthum benehmen, als unser System ändern wollen.
III. Vorschlag, wie der Theurung des Korns am besten auszuweichen.
Das beste Mittel einer Theurung des Korns vorzubeugen, oder sich bey einer anscheinenden theuren Zeit zu hel- fen, scheint mir dieses zu seyn, daß man die Preise steigen lasse, wie sie wollen, und dem Handel seinen völlig freyen Lauf gönne, ohne sich von obrigkeitlichen Amts wegen im ge- ringsten darum zu bekümmern, oder Ausfuhr und Brantweins- brennen zu verbieten. So seltsam auch diese Meynung, die übrigens in dem großen Handel zwischen Nationen und Na- tionen genugsam untersucht ist, manchem scheinen möchte, da
zu
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und Verordnungen, iſt der gemeinen ꝛc.
daß jeder Richter nach den Rechten und Gewohnheiten ſprechen ſollte, welche ihm von den Eingeſeſſenen ſeiner Gerichts- barkeit zugewieſen werden wuͤrden. Dies war das große Mittel, wodurch unſre Vorfahren ihre Freyheit ohne Ge- ſetzbuͤcher erhielten; anſtatt daß unſre Generalverordnungen und Geſetze, ſo bald es zur Anwendung koͤmmt, immer nicht recht auf den einzelnen ſtreitigen Fall paſſen, und Na- tur und Geſetze gegen einander in Proceſſe verwickeln.
Es iſt eine allgemeine Klage des jetzigen Jahrhunderts, daß zu viel Generalverordnungen gemacht, und zu wenige befolget werden. Die Urſache liegt aber aller Wahrſchein- lichkeit nach darinn, daß wir zu viel Dinge unter eine Regel bringen, und lieber der Natur ihren Reichthum benehmen, als unſer Syſtem aͤndern wollen.
III. Vorſchlag, wie der Theurung des Korns am beſten auszuweichen.
Das beſte Mittel einer Theurung des Korns vorzubeugen, oder ſich bey einer anſcheinenden theuren Zeit zu hel- fen, ſcheint mir dieſes zu ſeyn, daß man die Preiſe ſteigen laſſe, wie ſie wollen, und dem Handel ſeinen voͤllig freyen Lauf goͤnne, ohne ſich von obrigkeitlichen Amts wegen im ge- ringſten darum zu bekuͤmmern, oder Ausfuhr und Brantweins- brennen zu verbieten. So ſeltſam auch dieſe Meynung, die uͤbrigens in dem großen Handel zwiſchen Nationen und Na- tionen genugſam unterſucht iſt, manchem ſcheinen moͤchte, da
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und Verordnungen, iſt der gemeinen ꝛc.
daß jeder Richter nach den Rechten und Gewohnheiten ſprechen
ſollte, welche ihm von den Eingeſeſſenen ſeiner Gerichts-
barkeit zugewieſen werden wuͤrden. Dies war das große
Mittel, wodurch unſre Vorfahren ihre Freyheit ohne Ge-
ſetzbuͤcher erhielten; anſtatt daß unſre Generalverordnungen
und Geſetze, ſo bald es zur Anwendung koͤmmt, immer
nicht recht auf den einzelnen ſtreitigen Fall paſſen, und Na-
tur und Geſetze gegen einander in Proceſſe verwickeln.
Es iſt eine allgemeine Klage des jetzigen Jahrhunderts,
daß zu viel Generalverordnungen gemacht, und zu wenige
befolget werden. Die Urſache liegt aber aller Wahrſchein-
lichkeit nach darinn, daß wir zu viel Dinge unter eine Regel
bringen, und lieber der Natur ihren Reichthum benehmen,
als unſer Syſtem aͤndern wollen.
III.
Vorſchlag, wie der Theurung des Korns
am beſten auszuweichen.
Das beſte Mittel einer Theurung des Korns vorzubeugen,
oder ſich bey einer anſcheinenden theuren Zeit zu hel-
fen, ſcheint mir dieſes zu ſeyn, daß man die Preiſe ſteigen
laſſe, wie ſie wollen, und dem Handel ſeinen voͤllig freyen
Lauf goͤnne, ohne ſich von obrigkeitlichen Amts wegen im ge-
ringſten darum zu bekuͤmmern, oder Ausfuhr und Brantweins-
brennen zu verbieten. So ſeltſam auch dieſe Meynung, die
uͤbrigens in dem großen Handel zwiſchen Nationen und Na-
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/39>, abgerufen am 22.02.2025.
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