Hand bieten; und es schwächt das Ansehen andrer Gesetze, wenn man einem öffentlich zuwider lebet, und ohnerachtet der Verkauf aller Früchte auf dem Lande verboten zu seyn scheinet, dennoch solchen alle Tage vor Augen sieht, und es oft selbst von Gerichtswegen einem verschuldeten Eigenbehöri- gen erlaubt, zu Befriedigung seiner unbewilligten Gläubiger einen Bestimmten Theil seiner Früchte auf dem Lande zu ver- kaufen, und das Geld dafür dem Gerichte oder dem Ver- walter einzuliefern.
XXXII. Also sollte man die Gemeinschaft der Güter unter den Landleuten nicht aufheben.
In den wenigen Jahren daß ich mein Richteramt bekleidet, sagte neulich ein Richter, sind mir jetzt 73 Fälle vor- gekommen, worinn die Weiber der geringen Heuerleute auf dem Lande, sich ihres sogenannten Frauenrechts bedient, und wenn ihre Männer gepfändet worden, sich den Gläubigern unter dem Vorwande widersetzt haben, daß die gepfändeten Sachen ihnen zugehörten, oder von ihnen bey der Heyrath eingebracht worden.
Allein so groß ihr Recht seyn mogte: so schwer war alle- mal der Beweis, und wenn er auch durch Zeugen nur sum- marisch geführet wurde: so war es doch nimmer möglich das Verfahren hierüber so kurz und wohlfeil einzurichten, daß nicht am Ende die gepfändeten Sachen mit den Gerichtskosten auf-
gien-
Alſo ſollte man die Geimeinſchaft der Guͤter
Hand bieten; und es ſchwaͤcht das Anſehen andrer Geſetze, wenn man einem oͤffentlich zuwider lebet, und ohnerachtet der Verkauf aller Fruͤchte auf dem Lande verboten zu ſeyn ſcheinet, dennoch ſolchen alle Tage vor Augen ſieht, und es oft ſelbſt von Gerichtswegen einem verſchuldeten Eigenbehoͤri- gen erlaubt, zu Befriedigung ſeiner unbewilligten Glaͤubiger einen Beſtimmten Theil ſeiner Fruͤchte auf dem Lande zu ver- kaufen, und das Geld dafuͤr dem Gerichte oder dem Ver- walter einzuliefern.
XXXII. Alſo ſollte man die Gemeinſchaft der Guͤter unter den Landleuten nicht aufheben.
In den wenigen Jahren daß ich mein Richteramt bekleidet, ſagte neulich ein Richter, ſind mir jetzt 73 Faͤlle vor- gekommen, worinn die Weiber der geringen Heuerleute auf dem Lande, ſich ihres ſogenannten Frauenrechts bedient, und wenn ihre Maͤnner gepfaͤndet worden, ſich den Glaͤubigern unter dem Vorwande widerſetzt haben, daß die gepfaͤndeten Sachen ihnen zugehoͤrten, oder von ihnen bey der Heyrath eingebracht worden.
Allein ſo groß ihr Recht ſeyn mogte: ſo ſchwer war alle- mal der Beweis, und wenn er auch durch Zeugen nur ſum- mariſch gefuͤhret wurde: ſo war es doch nimmer moͤglich das Verfahren hieruͤber ſo kurz und wohlfeil einzurichten, daß nicht am Ende die gepfaͤndeten Sachen mit den Gerichtskoſten auf-
gien-
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Alſo ſollte man die Geimeinſchaft der Guͤter
Hand bieten; und es ſchwaͤcht das Anſehen andrer Geſetze,
wenn man einem oͤffentlich zuwider lebet, und ohnerachtet
der Verkauf aller Fruͤchte auf dem Lande verboten zu ſeyn
ſcheinet, dennoch ſolchen alle Tage vor Augen ſieht, und es
oft ſelbſt von Gerichtswegen einem verſchuldeten Eigenbehoͤri-
gen erlaubt, zu Befriedigung ſeiner unbewilligten Glaͤubiger
einen Beſtimmten Theil ſeiner Fruͤchte auf dem Lande zu ver-
kaufen, und das Geld dafuͤr dem Gerichte oder dem Ver-
walter einzuliefern.
XXXII.
Alſo ſollte man die Gemeinſchaft der
Guͤter unter den Landleuten
nicht aufheben.
In den wenigen Jahren daß ich mein Richteramt bekleidet,
ſagte neulich ein Richter, ſind mir jetzt 73 Faͤlle vor-
gekommen, worinn die Weiber der geringen Heuerleute auf
dem Lande, ſich ihres ſogenannten Frauenrechts bedient, und
wenn ihre Maͤnner gepfaͤndet worden, ſich den Glaͤubigern
unter dem Vorwande widerſetzt haben, daß die gepfaͤndeten
Sachen ihnen zugehoͤrten, oder von ihnen bey der Heyrath
eingebracht worden.
Allein ſo groß ihr Recht ſeyn mogte: ſo ſchwer war alle-
mal der Beweis, und wenn er auch durch Zeugen nur ſum-
mariſch gefuͤhret wurde: ſo war es doch nimmer moͤglich das
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am Ende die gepfaͤndeten Sachen mit den Gerichtskoſten auf-
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/264>, abgerufen am 22.02.2025.
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