XVII. Zweytes Schreiben des angehenden Hagestolzen.
Fast sollte es mich gereuen, daß ich die Ursachen, welche mich vom Heyrathen zurückhalten, öffentlich bekannt gemacht habe. Denn ich bin seitdem mit so vielen Vorwür- fen, Zuschriften und Anträgen überhäuft worden, das ich bey- nahe nichts anders zu thun habe, als Rechtfertigungen und höfliche Ablehnungen zu schreiben.
Einige haben mir den bittern Vorwurf gemacht, daß ich überhaupt eine Abneigung gegen das schöne Geschlecht hätte, weil ich mich nur allein bey dessen Fehlern aufhielte, und die Mannspersonen dabey frey ausgehen ließe. Diese mögen aber nicht bedenken, daß man sich nur bey demjenigen gern auf- hält, was man verehrt und liebt; und daß man nur an sol- chen Sachen bessert, die man einer Vollkommenheit fähig und für die würdigsten hält.
Andre haben sich beklagt, daß ich ihren Töchtern Namen von Moden gelehret, die sie bisher noch gar nicht einmal ge- kannt hätten; hiedurch hätte ich die jungen Kinder nur für- witzig gemacht, und die Mütter in neue Unkosten gestürzt. Meine Sittenlehre wäre dem Hirtenbriefe jenes Bischofen gleich, der seine Schaafe mit den Spöttereyen aller Freygei- ster bekannt gemacht habe, wovon sie vorher in ihrer Einfalt nichts gehöret hatten; und ich verdiente mit dieser Bemü- hung ohne Gnade des Landes verwiesen zu werden .... Al- lein eine von den Müttern, die sich solchergestalt gegen mich
beklagte,
XVII. Zweytes Schreiben des angehenden Hageſtolzen.
Faſt ſollte es mich gereuen, daß ich die Urſachen, welche mich vom Heyrathen zuruͤckhalten, oͤffentlich bekannt gemacht habe. Denn ich bin ſeitdem mit ſo vielen Vorwuͤr- fen, Zuſchriften und Antraͤgen uͤberhaͤuft worden, das ich bey- nahe nichts anders zu thun habe, als Rechtfertigungen und hoͤfliche Ablehnungen zu ſchreiben.
Einige haben mir den bittern Vorwurf gemacht, daß ich uͤberhaupt eine Abneigung gegen das ſchoͤne Geſchlecht haͤtte, weil ich mich nur allein bey deſſen Fehlern aufhielte, und die Mannsperſonen dabey frey ausgehen ließe. Dieſe moͤgen aber nicht bedenken, daß man ſich nur bey demjenigen gern auf- haͤlt, was man verehrt und liebt; und daß man nur an ſol- chen Sachen beſſert, die man einer Vollkommenheit faͤhig und fuͤr die wuͤrdigſten haͤlt.
Andre haben ſich beklagt, daß ich ihren Toͤchtern Namen von Moden gelehret, die ſie bisher noch gar nicht einmal ge- kannt haͤtten; hiedurch haͤtte ich die jungen Kinder nur fuͤr- witzig gemacht, und die Muͤtter in neue Unkoſten geſtuͤrzt. Meine Sittenlehre waͤre dem Hirtenbriefe jenes Biſchofen gleich, der ſeine Schaafe mit den Spoͤttereyen aller Freygei- ſter bekannt gemacht habe, wovon ſie vorher in ihrer Einfalt nichts gehoͤret hatten; und ich verdiente mit dieſer Bemuͤ- hung ohne Gnade des Landes verwieſen zu werden .... Al- lein eine von den Muͤttern, die ſich ſolchergeſtalt gegen mich
beklagte,
<TEI><text><body><pbfacs="#f0111"n="93"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="1"><head><hirendition="#b"><hirendition="#aq">XVII.</hi><lb/>
Zweytes Schreiben des angehenden<lb/>
Hageſtolzen.</hi></head><lb/><p>Faſt ſollte es mich gereuen, daß ich die Urſachen, welche<lb/>
mich vom Heyrathen zuruͤckhalten, oͤffentlich bekannt<lb/>
gemacht habe. Denn ich bin ſeitdem mit ſo vielen Vorwuͤr-<lb/>
fen, Zuſchriften und Antraͤgen uͤberhaͤuft worden, das ich bey-<lb/>
nahe nichts anders zu thun habe, als Rechtfertigungen und<lb/>
hoͤfliche Ablehnungen zu ſchreiben.</p><lb/><p>Einige haben mir den bittern Vorwurf gemacht, daß ich<lb/>
uͤberhaupt eine Abneigung gegen das ſchoͤne Geſchlecht haͤtte,<lb/>
weil ich mich nur allein bey deſſen Fehlern aufhielte, und die<lb/>
Mannsperſonen dabey frey ausgehen ließe. Dieſe moͤgen aber<lb/>
nicht bedenken, daß man ſich nur bey demjenigen gern auf-<lb/>
haͤlt, was man verehrt und liebt; und daß man nur an ſol-<lb/>
chen Sachen beſſert, die man einer Vollkommenheit faͤhig<lb/>
und fuͤr die wuͤrdigſten haͤlt.</p><lb/><p>Andre haben ſich beklagt, daß ich ihren Toͤchtern Namen<lb/>
von Moden gelehret, die ſie bisher noch gar nicht einmal ge-<lb/>
kannt haͤtten; hiedurch haͤtte ich die jungen Kinder nur fuͤr-<lb/>
witzig gemacht, und die Muͤtter in neue Unkoſten geſtuͤrzt.<lb/>
Meine Sittenlehre waͤre dem Hirtenbriefe jenes Biſchofen<lb/>
gleich, der ſeine Schaafe mit den Spoͤttereyen aller Freygei-<lb/>ſter bekannt gemacht habe, wovon ſie vorher in ihrer Einfalt<lb/>
nichts gehoͤret hatten; und ich verdiente mit dieſer Bemuͤ-<lb/>
hung ohne Gnade des Landes verwieſen zu werden .... Al-<lb/>
lein eine von den Muͤttern, die ſich ſolchergeſtalt gegen mich<lb/><fwplace="bottom"type="catch">beklagte,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[93/0111]
XVII.
Zweytes Schreiben des angehenden
Hageſtolzen.
Faſt ſollte es mich gereuen, daß ich die Urſachen, welche
mich vom Heyrathen zuruͤckhalten, oͤffentlich bekannt
gemacht habe. Denn ich bin ſeitdem mit ſo vielen Vorwuͤr-
fen, Zuſchriften und Antraͤgen uͤberhaͤuft worden, das ich bey-
nahe nichts anders zu thun habe, als Rechtfertigungen und
hoͤfliche Ablehnungen zu ſchreiben.
Einige haben mir den bittern Vorwurf gemacht, daß ich
uͤberhaupt eine Abneigung gegen das ſchoͤne Geſchlecht haͤtte,
weil ich mich nur allein bey deſſen Fehlern aufhielte, und die
Mannsperſonen dabey frey ausgehen ließe. Dieſe moͤgen aber
nicht bedenken, daß man ſich nur bey demjenigen gern auf-
haͤlt, was man verehrt und liebt; und daß man nur an ſol-
chen Sachen beſſert, die man einer Vollkommenheit faͤhig
und fuͤr die wuͤrdigſten haͤlt.
Andre haben ſich beklagt, daß ich ihren Toͤchtern Namen
von Moden gelehret, die ſie bisher noch gar nicht einmal ge-
kannt haͤtten; hiedurch haͤtte ich die jungen Kinder nur fuͤr-
witzig gemacht, und die Muͤtter in neue Unkoſten geſtuͤrzt.
Meine Sittenlehre waͤre dem Hirtenbriefe jenes Biſchofen
gleich, der ſeine Schaafe mit den Spoͤttereyen aller Freygei-
ſter bekannt gemacht habe, wovon ſie vorher in ihrer Einfalt
nichts gehoͤret hatten; und ich verdiente mit dieſer Bemuͤ-
hung ohne Gnade des Landes verwieſen zu werden .... Al-
lein eine von den Muͤttern, die ſich ſolchergeſtalt gegen mich
beklagte,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/111>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.