sellen wohlfeiler arbeiten könne, als zehn Meister mit einem. Es wäre also einem geschickten und vermögenden Handwerker gar leicht gewesen, allen übrigen Mitmeistern das Brod zu nehmen; und dieses wollten sie dadurch verhüten, daß sie für jedes Amt die Zahl der Gesellen bestimmten.
Unstreitig ist auch noch jezt dem Staate mehr an zwo Familien als zween Gesellen gelegen. Der Geselle zieht dem Staate keine Kinder, trägt keine Einquartierung, bezahlt we- nig Schatzung, und fleugt bey dem geringsten Ungewitter über die Mauer. Daher muß der Reichs-Abschied billig nach jedes Orts Umständen ermäßiget, und der Landes-Obrigkeit die Freyheit gelassen werden, es wegen der Anzahl der Gesel- len so zu halten, wie es das gemeine Beste erfordert. In Hauptstädten, Seehäven und überhaupt an allen Orten, wo für auswärtige Märkte gearbeitet wird, ist es Thorheit die Anzahl der Gesellen einzuschränken. Wo aber der Meister ein Taglöhner ist, und ein Taglöhner nur den andern in Pacht hat, ist die geringste Anzahl von Gesellen gewiß die beste.
XXXXIX. Haben die Verfasser des Reichsabschiedes von 1731. wohl gethan, daß sie viele Leute ehrlich gemacht haben, die es nicht waren?
Es ist ferner gewiß, daß die Zünfte und Gilden ungemein dadurch gelitten haben, daß sie nach dem jüngern Reichs- abschiede alle von irgend einem Pfalzgrafen ehrlich gemachte
Hur-
ſo viele Geſellen halten als er will.
ſellen wohlfeiler arbeiten koͤnne, als zehn Meiſter mit einem. Es waͤre alſo einem geſchickten und vermoͤgenden Handwerker gar leicht geweſen, allen uͤbrigen Mitmeiſtern das Brod zu nehmen; und dieſes wollten ſie dadurch verhuͤten, daß ſie fuͤr jedes Amt die Zahl der Geſellen beſtimmten.
Unſtreitig iſt auch noch jezt dem Staate mehr an zwo Familien als zween Geſellen gelegen. Der Geſelle zieht dem Staate keine Kinder, traͤgt keine Einquartierung, bezahlt we- nig Schatzung, und fleugt bey dem geringſten Ungewitter uͤber die Mauer. Daher muß der Reichs-Abſchied billig nach jedes Orts Umſtaͤnden ermaͤßiget, und der Landes-Obrigkeit die Freyheit gelaſſen werden, es wegen der Anzahl der Geſel- len ſo zu halten, wie es das gemeine Beſte erfordert. In Hauptſtaͤdten, Seehaͤven und uͤberhaupt an allen Orten, wo fuͤr auswaͤrtige Maͤrkte gearbeitet wird, iſt es Thorheit die Anzahl der Geſellen einzuſchraͤnken. Wo aber der Meiſter ein Tagloͤhner iſt, und ein Tagloͤhner nur den andern in Pacht hat, iſt die geringſte Anzahl von Geſellen gewiß die beſte.
XXXXIX. Haben die Verfaſſer des Reichsabſchiedes von 1731. wohl gethan, daß ſie viele Leute ehrlich gemacht haben, die es nicht waren?
Es iſt ferner gewiß, daß die Zuͤnfte und Gilden ungemein dadurch gelitten haben, daß ſie nach dem juͤngern Reichs- abſchiede alle von irgend einem Pfalzgrafen ehrlich gemachte
Hur-
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ſo viele Geſellen halten als er will.
ſellen wohlfeiler arbeiten koͤnne, als zehn Meiſter mit einem.
Es waͤre alſo einem geſchickten und vermoͤgenden Handwerker
gar leicht geweſen, allen uͤbrigen Mitmeiſtern das Brod zu
nehmen; und dieſes wollten ſie dadurch verhuͤten, daß ſie fuͤr
jedes Amt die Zahl der Geſellen beſtimmten.
Unſtreitig iſt auch noch jezt dem Staate mehr an zwo
Familien als zween Geſellen gelegen. Der Geſelle zieht dem
Staate keine Kinder, traͤgt keine Einquartierung, bezahlt we-
nig Schatzung, und fleugt bey dem geringſten Ungewitter
uͤber die Mauer. Daher muß der Reichs-Abſchied billig nach
jedes Orts Umſtaͤnden ermaͤßiget, und der Landes-Obrigkeit
die Freyheit gelaſſen werden, es wegen der Anzahl der Geſel-
len ſo zu halten, wie es das gemeine Beſte erfordert. In
Hauptſtaͤdten, Seehaͤven und uͤberhaupt an allen Orten, wo
fuͤr auswaͤrtige Maͤrkte gearbeitet wird, iſt es Thorheit die
Anzahl der Geſellen einzuſchraͤnken. Wo aber der Meiſter
ein Tagloͤhner iſt, und ein Tagloͤhner nur den andern in
Pacht hat, iſt die geringſte Anzahl von Geſellen gewiß die
beſte.
XXXXIX.
Haben die Verfaſſer des Reichsabſchiedes von
1731. wohl gethan, daß ſie viele Leute
ehrlich gemacht haben, die es nicht
waren?
Es iſt ferner gewiß, daß die Zuͤnfte und Gilden ungemein
dadurch gelitten haben, daß ſie nach dem juͤngern Reichs-
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/305>, abgerufen am 22.02.2025.
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