Ich leugne nicht, daß es überaus billig sey, diejenigen, welche für des Landes Beste streiten, arbeiten oder beten, von allen Auflagen und Beschwerden frey zu machen. Es kann ihnen diese Freyheit zur Aufmunterung und zur Beloh- nung dienen. So seltsam es aber einem Privatmann vor- kommen würde, wenn man ihm anmuthen wollte, seines Fürsten Bedienten allein zu bezahlen; eben so seltsam ist es auch von einem Reichsflecken oder von einer Landstadt zu for- dern, dem Kaiser oder dem Fürsten mit seinem ganzen Hof- staat eben die Freyheit in ihren Mauren zu geben, welche sie ihren eignen städtischen Bedienten statt der Besoldung giebt.
XXXX. Schreiben eines westphälischen Schulmeisters, über die Bevölkerung seines Vaterlandes.
Euer Intelligenzien erlauben mir großgünstig, daß ich mir durch den Canal ihrer Blätter von Sr. Wohlweißheiten dem Herrn Publico etwas Erläuterung über einen Punct ausbitte, den ich in meinem einfältigen Kopfe nicht recht begreifen kann. Ich höre und lese nemlich oft, daß unser dunkles Westphalen unter allen Ländern am schlechtesten bevöl- kert und angebauet sey; und man will daher schliessen, daß wir faule, ungeschickte und ungezähmte Leute wären, die sich aller guten Policey schlechterdings widersetzten und lieber auf Eben- theuer in die weite Welt giengen, als zu Hause den ihnen von Gott verliehenen Acker baueten. Nun will ich nicht läugnen, daß unsre Kinder sehr häufig in die Fremde ziehen, und man- ches ehrlichen Mannes Sohn in den benachbarten Handels-
orten
in Staͤdten, Flecken und Weichbilden.
Ich leugne nicht, daß es uͤberaus billig ſey, diejenigen, welche fuͤr des Landes Beſte ſtreiten, arbeiten oder beten, von allen Auflagen und Beſchwerden frey zu machen. Es kann ihnen dieſe Freyheit zur Aufmunterung und zur Beloh- nung dienen. So ſeltſam es aber einem Privatmann vor- kommen wuͤrde, wenn man ihm anmuthen wollte, ſeines Fuͤrſten Bedienten allein zu bezahlen; eben ſo ſeltſam iſt es auch von einem Reichsflecken oder von einer Landſtadt zu for- dern, dem Kaiſer oder dem Fuͤrſten mit ſeinem ganzen Hof- ſtaat eben die Freyheit in ihren Mauren zu geben, welche ſie ihren eignen ſtaͤdtiſchen Bedienten ſtatt der Beſoldung giebt.
XXXX. Schreiben eines weſtphaͤliſchen Schulmeiſters, uͤber die Bevoͤlkerung ſeines Vaterlandes.
Euer Intelligenzien erlauben mir großguͤnſtig, daß ich mir durch den Canal ihrer Blaͤtter von Sr. Wohlweißheiten dem Herrn Publico etwas Erlaͤuterung uͤber einen Punct ausbitte, den ich in meinem einfaͤltigen Kopfe nicht recht begreifen kann. Ich hoͤre und leſe nemlich oft, daß unſer dunkles Weſtphalen unter allen Laͤndern am ſchlechteſten bevoͤl- kert und angebauet ſey; und man will daher ſchlieſſen, daß wir faule, ungeſchickte und ungezaͤhmte Leute waͤren, die ſich aller guten Policey ſchlechterdings widerſetzten und lieber auf Eben- theuer in die weite Welt giengen, als zu Hauſe den ihnen von Gott verliehenen Acker baueten. Nun will ich nicht laͤugnen, daß unſre Kinder ſehr haͤufig in die Fremde ziehen, und man- ches ehrlichen Mannes Sohn in den benachbarten Handels-
orten
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in Staͤdten, Flecken und Weichbilden.
Ich leugne nicht, daß es uͤberaus billig ſey, diejenigen,
welche fuͤr des Landes Beſte ſtreiten, arbeiten oder beten,
von allen Auflagen und Beſchwerden frey zu machen. Es
kann ihnen dieſe Freyheit zur Aufmunterung und zur Beloh-
nung dienen. So ſeltſam es aber einem Privatmann vor-
kommen wuͤrde, wenn man ihm anmuthen wollte, ſeines
Fuͤrſten Bedienten allein zu bezahlen; eben ſo ſeltſam iſt es
auch von einem Reichsflecken oder von einer Landſtadt zu for-
dern, dem Kaiſer oder dem Fuͤrſten mit ſeinem ganzen Hof-
ſtaat eben die Freyheit in ihren Mauren zu geben, welche ſie
ihren eignen ſtaͤdtiſchen Bedienten ſtatt der Beſoldung
giebt.
XXXX.
Schreiben eines weſtphaͤliſchen Schulmeiſters,
uͤber die Bevoͤlkerung ſeines Vaterlandes.
Euer Intelligenzien erlauben mir großguͤnſtig, daß ich mir
durch den Canal ihrer Blaͤtter von Sr. Wohlweißheiten
dem Herrn Publico etwas Erlaͤuterung uͤber einen Punct
ausbitte, den ich in meinem einfaͤltigen Kopfe nicht recht
begreifen kann. Ich hoͤre und leſe nemlich oft, daß unſer
dunkles Weſtphalen unter allen Laͤndern am ſchlechteſten bevoͤl-
kert und angebauet ſey; und man will daher ſchlieſſen, daß wir
faule, ungeſchickte und ungezaͤhmte Leute waͤren, die ſich aller
guten Policey ſchlechterdings widerſetzten und lieber auf Eben-
theuer in die weite Welt giengen, als zu Hauſe den ihnen von
Gott verliehenen Acker baueten. Nun will ich nicht laͤugnen,
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/257>, abgerufen am 21.11.2024.
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