§. 33. Von dem Gefolge oder dem ältesten Dienst-Adel.
Da sich der Adel von der Allode nicht trennen läßt, wofern man nicht annehmen will, daß ein Staat Herrnlose unangesessene Reuter geduldet; oder jedem Reuter erlaubt habe, ein gemeines Wehrgut von der Reihe-Last zu befreyen: so konnte es nicht fehlen; oder die jüngern Söhne der Edlen musten bey ihren Vätern bleiben; oder sich bey ihren Verwandten in Dienste geben. Es blieb ausser dem geistlichen Stand (a) gar keine andre mögliche Versorgung für sie übrig; und so entstand etwas, was man Gefol- ge(b) oder Begleitung nannte; woraus der Dienst- Adel seinen Ursprung genommen zu haben scheinet. Auf einer Seite war es eine unendliche Beschwerde für den Besitzer der Allode, der einen solchen Schwarm von Verwandten und nothwendigen Müßiggängern um sich haben, kleiden und ernähren muste. (c) Auf der andern Seite aber gab ihm ein grosses Gefolge der edelsten Jünglinge Gewicht und Ansehen; (d) Und der gemeine Heerbann, welcher allezeit mit Mühe in Bewegung (e) gesetzt wird, und dessen Heerzüge mit den grösten Schwierigkeiten ver- knüpft sind, bediente sich oft der Gelegenheit, denje- nigen der das gröste Gefolge hatte, (f) für Korn und Früchte (g) zu dingen, daß er einen Krieg, welcher eine allgemeine Aufsitzung erfordert hätte, allein über- nahm. Auf solche Weise mogte es geschehen, daß oft in einem ganzen Jahr-hundert, der gemeine Heer- bann nicht aufgeboten, folglich ungeübt und von dem
be-
Oſnabruͤckſche Geſchichte
§. 33. Von dem Gefolge oder dem aͤlteſten Dienſt-Adel.
Da ſich der Adel von der Allode nicht trennen laͤßt, wofern man nicht annehmen will, daß ein Staat Herrnloſe unangeſeſſene Reuter geduldet; oder jedem Reuter erlaubt habe, ein gemeines Wehrgut von der Reihe-Laſt zu befreyen: ſo konnte es nicht fehlen; oder die juͤngern Soͤhne der Edlen muſten bey ihren Vaͤtern bleiben; oder ſich bey ihren Verwandten in Dienſte geben. Es blieb auſſer dem geiſtlichen Stand (a) gar keine andre moͤgliche Verſorgung fuͤr ſie uͤbrig; und ſo entſtand etwas, was man Gefol- ge(b) oder Begleitung nannte; woraus der Dienſt- Adel ſeinen Urſprung genommen zu haben ſcheinet. Auf einer Seite war es eine unendliche Beſchwerde fuͤr den Beſitzer der Allode, der einen ſolchen Schwarm von Verwandten und nothwendigen Muͤßiggaͤngern um ſich haben, kleiden und ernaͤhren muſte. (c) Auf der andern Seite aber gab ihm ein groſſes Gefolge der edelſten Juͤnglinge Gewicht und Anſehen; (d) Und der gemeine Heerbann, welcher allezeit mit Muͤhe in Bewegung (e) geſetzt wird, und deſſen Heerzuͤge mit den groͤſten Schwierigkeiten ver- knuͤpft ſind, bediente ſich oft der Gelegenheit, denje- nigen der das groͤſte Gefolge hatte, (f) fuͤr Korn und Fruͤchte (g) zu dingen, daß er einen Krieg, welcher eine allgemeine Aufſitzung erfordert haͤtte, allein uͤber- nahm. Auf ſolche Weiſe mogte es geſchehen, daß oft in einem ganzen Jahr-hundert, der gemeine Heer- bann nicht aufgeboten, folglich ungeuͤbt und von dem
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Oſnabruͤckſche Geſchichte
§. 33.
Von dem Gefolge oder dem aͤlteſten
Dienſt-Adel.
Da ſich der Adel von der Allode nicht trennen laͤßt,
wofern man nicht annehmen will, daß ein Staat
Herrnloſe unangeſeſſene Reuter geduldet; oder jedem
Reuter erlaubt habe, ein gemeines Wehrgut von der
Reihe-Laſt zu befreyen: ſo konnte es nicht fehlen;
oder die juͤngern Soͤhne der Edlen muſten bey ihren
Vaͤtern bleiben; oder ſich bey ihren Verwandten in
Dienſte geben. Es blieb auſſer dem geiſtlichen
Stand
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gar keine andre moͤgliche Verſorgung fuͤr
ſie uͤbrig; und ſo entſtand etwas, was man Gefol-
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oder Begleitung nannte; woraus der Dienſt-
Adel ſeinen Urſprung genommen zu haben ſcheinet.
Auf einer Seite war es eine unendliche Beſchwerde
fuͤr den Beſitzer der Allode, der einen ſolchen
Schwarm von Verwandten und nothwendigen
Muͤßiggaͤngern um ſich haben, kleiden und ernaͤhren
muſte.
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Auf der andern Seite aber gab ihm ein
groſſes Gefolge der edelſten Juͤnglinge Gewicht und
Anſehen;
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Und der gemeine Heerbann, welcher
allezeit mit Muͤhe in Bewegung
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deſſen Heerzuͤge mit den groͤſten Schwierigkeiten ver-
knuͤpft ſind, bediente ſich oft der Gelegenheit, denje-
nigen der das groͤſte Gefolge hatte,
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Fruͤchte
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zu dingen, daß er einen Krieg, welcher
eine allgemeine Aufſitzung erfordert haͤtte, allein uͤber-
nahm. Auf ſolche Weiſe mogte es geſchehen, daß
oft in einem ganzen Jahr-hundert, der gemeine Heer-
bann nicht aufgeboten, folglich ungeuͤbt und von dem
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Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/92>, abgerufen am 16.07.2024.
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