Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768.

Bild:
<< vorherige Seite
Osnabrücksche Geschichte
§. 79.
Sondern Sassen.

Die Land-Eigenthümer, welche in Niederdeutsch-
land auf ihren Höfen sitzen blieben; vor wie nach
von ihrer Wort-stätte dienten, und sich unter kein
Reich, Amt oder Herrschaft begaben, waren unstrei-
tige Sassen; (a) ob sie gleich diesen Nahmen noch
nicht führten. Die Germanier mogten es nicht
rathsam achten, sich mit ihnen zu vereinigen, weil sie
sich sonst des Vortheils, welchen ihnen die Schei-
dungs-Gebürge gaben, verzeihen, ihre Gränzen aus-
dehnen, und nach einer nothwendigen Folge schwä-
chen musten. Jene Sassen blieben also vor sich;
eifersüchtig auf die Macht der Germanier, und na-
türliche Feinde derselben. Sie hatten ihr eignes
Staats-Jnteresse; und vornehmlich dieses, die Ger-
manier auf alle mögliche Weise zu schwächen. Da-
her erhob sich schon in den ersten Zeiten eine Feind-
schaft zwischen ihnen; welche sich endlich dahin endig-
te, daß sie zuletzt beyde von den Franken überwunden
wurden.

(a) Die Geschichte von der Ankunft der Sachsen ist ein selt-
sames Mährgen, und man müste einige Wunderwerke
annehmen um sie möglich zu machen. Sie sind in allen
den Brucktern, Cheruskern und Angrivariern so ähnlich;
es findet sich in ihrer Regierungs-Form so wenig von
dem esprit de conquette; die Linie wo sie sich von den
Schwaben scheiden bleibt so einförmig; der Absatz zwi-
schen deu Cheruskern und Kuaken bleibt wie der zwi-
schen den Sachsen und Friesen so sichtbar; und der Na-
tional-Ton der die Cherusker und Sachsen in ihrem
Hasse gegen eine beschlossene Reichs-Verfassung; in ih-
rer Liebe zur Freyheit, und in ihren Verbindungen mit
Oſnabruͤckſche Geſchichte
§. 79.
Sondern Saſſen.

Die Land-Eigenthuͤmer, welche in Niederdeutſch-
land auf ihren Hoͤfen ſitzen blieben; vor wie nach
von ihrer Wort-ſtaͤtte dienten, und ſich unter kein
Reich, Amt oder Herrſchaft begaben, waren unſtrei-
tige Saſſen; (a) ob ſie gleich dieſen Nahmen noch
nicht fuͤhrten. Die Germanier mogten es nicht
rathſam achten, ſich mit ihnen zu vereinigen, weil ſie
ſich ſonſt des Vortheils, welchen ihnen die Schei-
dungs-Gebuͤrge gaben, verzeihen, ihre Graͤnzen aus-
dehnen, und nach einer nothwendigen Folge ſchwaͤ-
chen muſten. Jene Saſſen blieben alſo vor ſich;
eiferſuͤchtig auf die Macht der Germanier, und na-
tuͤrliche Feinde derſelben. Sie hatten ihr eignes
Staats-Jntereſſe; und vornehmlich dieſes, die Ger-
manier auf alle moͤgliche Weiſe zu ſchwaͤchen. Da-
her erhob ſich ſchon in den erſten Zeiten eine Feind-
ſchaft zwiſchen ihnen; welche ſich endlich dahin endig-
te, daß ſie zuletzt beyde von den Franken uͤberwunden
wurden.

(a) Die Geſchichte von der Ankunft der Sachſen iſt ein ſelt-
ſames Maͤhrgen, und man muͤſte einige Wunderwerke
annehmen um ſie moͤglich zu machen. Sie ſind in allen
den Brucktern, Cheruskern und Angrivariern ſo aͤhnlich;
es findet ſich in ihrer Regierungs-Form ſo wenig von
dem eſprit de conquette; die Linie wo ſie ſich von den
Schwaben ſcheiden bleibt ſo einfoͤrmig; der Abſatz zwi-
ſchen deu Cheruskern und Kuaken bleibt wie der zwi-
ſchen den Sachſen und Frieſen ſo ſichtbar; und der Na-
tional-Ton der die Cherusker und Sachſen in ihrem
Haſſe gegen eine beſchloſſene Reichs-Verfaſſung; in ih-
rer Liebe zur Freyheit, und in ihren Verbindungen mit
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0196" n="166"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">O&#x017F;nabru&#x0364;ck&#x017F;che Ge&#x017F;chichte</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 79.<lb/><hi rendition="#b">Sondern Sa&#x017F;&#x017F;en.</hi></head><lb/>
          <p>Die Land-Eigenthu&#x0364;mer, welche in Niederdeut&#x017F;ch-<lb/>
land auf ihren Ho&#x0364;fen <hi rendition="#fr">&#x017F;itzen</hi> blieben; vor wie nach<lb/>
von ihrer Wort-&#x017F;ta&#x0364;tte dienten, und &#x017F;ich unter kein<lb/>
Reich, Amt oder Herr&#x017F;chaft begaben, waren un&#x017F;trei-<lb/>
tige <hi rendition="#fr">Sa&#x017F;&#x017F;en;</hi> <note place="end" n="(a)"/> ob &#x017F;ie gleich die&#x017F;en Nahmen noch<lb/>
nicht fu&#x0364;hrten. Die Germanier mogten es nicht<lb/>
rath&#x017F;am achten, &#x017F;ich mit ihnen zu vereinigen, weil &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;on&#x017F;t des Vortheils, welchen ihnen die Schei-<lb/>
dungs-Gebu&#x0364;rge gaben, verzeihen, ihre Gra&#x0364;nzen aus-<lb/>
dehnen, und nach einer nothwendigen Folge &#x017F;chwa&#x0364;-<lb/>
chen mu&#x017F;ten. Jene Sa&#x017F;&#x017F;en blieben al&#x017F;o vor &#x017F;ich;<lb/>
eifer&#x017F;u&#x0364;chtig auf die Macht der Germanier, und na-<lb/>
tu&#x0364;rliche Feinde der&#x017F;elben. Sie hatten ihr eignes<lb/>
Staats-Jntere&#x017F;&#x017F;e; und vornehmlich die&#x017F;es, die Ger-<lb/>
manier auf alle mo&#x0364;gliche Wei&#x017F;e zu &#x017F;chwa&#x0364;chen. Da-<lb/>
her erhob &#x017F;ich &#x017F;chon in den er&#x017F;ten Zeiten eine Feind-<lb/>
&#x017F;chaft zwi&#x017F;chen ihnen; welche &#x017F;ich endlich dahin endig-<lb/>
te, daß &#x017F;ie zuletzt beyde von den Franken u&#x0364;berwunden<lb/>
wurden.</p><lb/>
          <note place="end" n="(a)">Die Ge&#x017F;chichte von der Ankunft der Sach&#x017F;en i&#x017F;t ein &#x017F;elt-<lb/>
&#x017F;ames Ma&#x0364;hrgen, und man mu&#x0364;&#x017F;te einige Wunderwerke<lb/>
annehmen um &#x017F;ie mo&#x0364;glich zu machen. Sie &#x017F;ind in allen<lb/>
den Brucktern, Cheruskern und Angrivariern &#x017F;o a&#x0364;hnlich;<lb/>
es findet &#x017F;ich in ihrer Regierungs-Form &#x017F;o wenig von<lb/>
dem <hi rendition="#aq">e&#x017F;prit de conquette;</hi> die Linie wo &#x017F;ie &#x017F;ich von den<lb/>
Schwaben &#x017F;cheiden bleibt &#x017F;o einfo&#x0364;rmig; der Ab&#x017F;atz zwi-<lb/>
&#x017F;chen deu Cheruskern und Kuaken bleibt wie der zwi-<lb/>
&#x017F;chen den Sach&#x017F;en und Frie&#x017F;en &#x017F;o &#x017F;ichtbar; und der Na-<lb/>
tional-Ton der die Cherusker und Sach&#x017F;en in ihrem<lb/>
Ha&#x017F;&#x017F;e gegen eine be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene Reichs-Verfa&#x017F;&#x017F;ung; in ih-<lb/>
rer Liebe zur Freyheit, und in ihren Verbindungen mit<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ihren</fw><lb/></note>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[166/0196] Oſnabruͤckſche Geſchichte §. 79. Sondern Saſſen. Die Land-Eigenthuͤmer, welche in Niederdeutſch- land auf ihren Hoͤfen ſitzen blieben; vor wie nach von ihrer Wort-ſtaͤtte dienten, und ſich unter kein Reich, Amt oder Herrſchaft begaben, waren unſtrei- tige Saſſen; ⁽a⁾ ob ſie gleich dieſen Nahmen noch nicht fuͤhrten. Die Germanier mogten es nicht rathſam achten, ſich mit ihnen zu vereinigen, weil ſie ſich ſonſt des Vortheils, welchen ihnen die Schei- dungs-Gebuͤrge gaben, verzeihen, ihre Graͤnzen aus- dehnen, und nach einer nothwendigen Folge ſchwaͤ- chen muſten. Jene Saſſen blieben alſo vor ſich; eiferſuͤchtig auf die Macht der Germanier, und na- tuͤrliche Feinde derſelben. Sie hatten ihr eignes Staats-Jntereſſe; und vornehmlich dieſes, die Ger- manier auf alle moͤgliche Weiſe zu ſchwaͤchen. Da- her erhob ſich ſchon in den erſten Zeiten eine Feind- ſchaft zwiſchen ihnen; welche ſich endlich dahin endig- te, daß ſie zuletzt beyde von den Franken uͤberwunden wurden. ⁽a⁾ Die Geſchichte von der Ankunft der Sachſen iſt ein ſelt- ſames Maͤhrgen, und man muͤſte einige Wunderwerke annehmen um ſie moͤglich zu machen. Sie ſind in allen den Brucktern, Cheruskern und Angrivariern ſo aͤhnlich; es findet ſich in ihrer Regierungs-Form ſo wenig von dem eſprit de conquette; die Linie wo ſie ſich von den Schwaben ſcheiden bleibt ſo einfoͤrmig; der Abſatz zwi- ſchen deu Cheruskern und Kuaken bleibt wie der zwi- ſchen den Sachſen und Frieſen ſo ſichtbar; und der Na- tional-Ton der die Cherusker und Sachſen in ihrem Haſſe gegen eine beſchloſſene Reichs-Verfaſſung; in ih- rer Liebe zur Freyheit, und in ihren Verbindungen mit ihren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/196
Zitationshilfe: Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/196>, abgerufen am 21.12.2024.