Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite
Auf der Reise.
Zwischen süßem Schmerz,
Zwischen dumpfem Wohlbehagen
Sitz' ich nächtlich in dem Reisewagen,
Lasse mich so weit von dir, mein Herz,
Weit und immer weiter tragen.
Schweigend sitz' ich und allein,
Ich wiege mich in bunten Träumen,
Das muntre Posthorn klingt darein,
Es tanzt der liebe Mondenschein
Nach diesem Ton auf Quellen und auf Bäumen,
Sogar zu mir durch's enge Fensterlein.
Ich wünsche mir nun Dies und Das.
O könnt' ich jetzo durch ein Zauberglas
In's Goldgewebe deines Traumes blicken!
Vielleicht dann sah' ich wieder mit Entzücken
Dich in der Laube wohlbekannt,
Ich sähe Genofevens Hand
Auf deiner Schulter traulich liegen,
Am Ende säh' ich selber mich,
Halb keck und halb bescheidentlich,
An deine holde Wange schmiegen.
Doch nein! wie dürft' ich auch nur hoffen,
Daß jezt mein Schatten bei dir sey!
Ach, stünden deine Träume für mich offen,
Du winktest wohl auch wachend mich herbei!

Auf der Reiſe.
Zwiſchen ſuͤßem Schmerz,
Zwiſchen dumpfem Wohlbehagen
Sitz' ich naͤchtlich in dem Reiſewagen,
Laſſe mich ſo weit von dir, mein Herz,
Weit und immer weiter tragen.
Schweigend ſitz' ich und allein,
Ich wiege mich in bunten Traͤumen,
Das muntre Poſthorn klingt darein,
Es tanzt der liebe Mondenſchein
Nach dieſem Ton auf Quellen und auf Baͤumen,
Sogar zu mir durch's enge Fenſterlein.
Ich wuͤnſche mir nun Dies und Das.
O koͤnnt' ich jetzo durch ein Zauberglas
In's Goldgewebe deines Traumes blicken!
Vielleicht dann ſah' ich wieder mit Entzuͤcken
Dich in der Laube wohlbekannt,
Ich ſaͤhe Genofevens Hand
Auf deiner Schulter traulich liegen,
Am Ende ſaͤh' ich ſelber mich,
Halb keck und halb beſcheidentlich,
An deine holde Wange ſchmiegen.
Doch nein! wie duͤrft' ich auch nur hoffen,
Daß jezt mein Schatten bei dir ſey!
Ach, ſtuͤnden deine Traͤume fuͤr mich offen,
Du winkteſt wohl auch wachend mich herbei!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0082" n="66"/>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b #g">Auf der Rei&#x017F;e.</hi><lb/>
        </head>
        <lg type="poem">
          <lg n="1">
            <l>Zwi&#x017F;chen &#x017F;u&#x0364;ßem Schmerz,</l><lb/>
            <l>Zwi&#x017F;chen dumpfem Wohlbehagen</l><lb/>
            <l>Sitz' ich na&#x0364;chtlich in dem Rei&#x017F;ewagen,</l><lb/>
            <l>La&#x017F;&#x017F;e mich &#x017F;o weit von dir, mein Herz,</l><lb/>
            <l>Weit und immer weiter tragen.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="2">
            <l>Schweigend &#x017F;itz' ich und allein,</l><lb/>
            <l>Ich wiege mich in bunten Tra&#x0364;umen,</l><lb/>
            <l>Das muntre Po&#x017F;thorn klingt darein,</l><lb/>
            <l>Es tanzt der liebe Monden&#x017F;chein</l><lb/>
            <l>Nach die&#x017F;em Ton auf Quellen und auf Ba&#x0364;umen,</l><lb/>
            <l>Sogar zu mir durch's enge Fen&#x017F;terlein.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="3">
            <l>Ich wu&#x0364;n&#x017F;che mir nun Dies und Das.</l><lb/>
            <l>O ko&#x0364;nnt' ich jetzo durch ein Zauberglas</l><lb/>
            <l>In's Goldgewebe deines Traumes blicken!</l><lb/>
            <l>Vielleicht dann &#x017F;ah' ich wieder mit Entzu&#x0364;cken</l><lb/>
            <l>Dich in der Laube wohlbekannt,</l><lb/>
            <l>Ich &#x017F;a&#x0364;he Genofevens Hand</l><lb/>
            <l>Auf deiner Schulter traulich liegen,</l><lb/>
            <l>Am Ende &#x017F;a&#x0364;h' ich &#x017F;elber mich,</l><lb/>
            <l>Halb keck und halb be&#x017F;cheidentlich,</l><lb/>
            <l>An deine holde Wange &#x017F;chmiegen.</l><lb/>
            <l>Doch nein! wie du&#x0364;rft' ich auch nur hoffen,</l><lb/>
            <l>Daß jezt mein Schatten bei dir &#x017F;ey!</l><lb/>
            <l>Ach, &#x017F;tu&#x0364;nden deine Tra&#x0364;ume fu&#x0364;r mich offen,</l><lb/>
            <l>Du winkte&#x017F;t wohl auch wachend mich herbei!</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0082] Auf der Reiſe. Zwiſchen ſuͤßem Schmerz, Zwiſchen dumpfem Wohlbehagen Sitz' ich naͤchtlich in dem Reiſewagen, Laſſe mich ſo weit von dir, mein Herz, Weit und immer weiter tragen. Schweigend ſitz' ich und allein, Ich wiege mich in bunten Traͤumen, Das muntre Poſthorn klingt darein, Es tanzt der liebe Mondenſchein Nach dieſem Ton auf Quellen und auf Baͤumen, Sogar zu mir durch's enge Fenſterlein. Ich wuͤnſche mir nun Dies und Das. O koͤnnt' ich jetzo durch ein Zauberglas In's Goldgewebe deines Traumes blicken! Vielleicht dann ſah' ich wieder mit Entzuͤcken Dich in der Laube wohlbekannt, Ich ſaͤhe Genofevens Hand Auf deiner Schulter traulich liegen, Am Ende ſaͤh' ich ſelber mich, Halb keck und halb beſcheidentlich, An deine holde Wange ſchmiegen. Doch nein! wie duͤrft' ich auch nur hoffen, Daß jezt mein Schatten bei dir ſey! Ach, ſtuͤnden deine Traͤume fuͤr mich offen, Du winkteſt wohl auch wachend mich herbei!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/82
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/82>, abgerufen am 22.12.2024.