Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.An einem Wintermorgen. Vor Sonnenaufgang. O flaumenleichte Zeit der dunkeln Frühe! Welch neue Welt bewegest du in mir? Was ist's, daß ich auf einmal nun in dir Von sanfter Wollust meines Daseyns glühe? Einem Krystall gleicht meine Seele nun, Den noch kein falscher Strahl des Lichts getroffen; Zu fluthen scheint mein Geist, er scheint zu ruh'n, Dem Eindruck naher Wunderkräfte offen, Die aus dem klaren Gürtel blauer Luft Zuletzt ein Zauberwort vor meine Sinne ruft. Bei hellen Augen glaub' ich doch zu schwanken,
Ich schließe sie, daß nicht der Traum entweiche; Seh' ich hinab in holde Feenreiche? Wer hat den bunten Schwarm von Bildern und Gedanken Zur Pforte meines Herzens hergeladen, Die glänzend sich in diesem Busen baden, Goldfarb'gen Fischlein gleich im Gartenteiche? Mörike, Gedichte. 1
An einem Wintermorgen. Vor Sonnenaufgang. O flaumenleichte Zeit der dunkeln Fruͤhe! Welch neue Welt bewegeſt du in mir? Was iſt's, daß ich auf einmal nun in dir Von ſanfter Wolluſt meines Daſeyns gluͤhe? Einem Kryſtall gleicht meine Seele nun, Den noch kein falſcher Strahl des Lichts getroffen; Zu fluthen ſcheint mein Geiſt, er ſcheint zu ruh'n, Dem Eindruck naher Wunderkraͤfte offen, Die aus dem klaren Guͤrtel blauer Luft Zuletzt ein Zauberwort vor meine Sinne ruft. Bei hellen Augen glaub' ich doch zu ſchwanken,
Ich ſchließe ſie, daß nicht der Traum entweiche; Seh' ich hinab in holde Feenreiche? Wer hat den bunten Schwarm von Bildern und Gedanken Zur Pforte meines Herzens hergeladen, Die glaͤnzend ſich in dieſem Buſen baden, Goldfarb'gen Fiſchlein gleich im Gartenteiche? Mörike, Gedichte. 1
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An einem Wintermorgen.
Vor Sonnenaufgang.
O flaumenleichte Zeit der dunkeln Fruͤhe!
Welch neue Welt bewegeſt du in mir?
Was iſt's, daß ich auf einmal nun in dir
Von ſanfter Wolluſt meines Daſeyns gluͤhe?
Einem Kryſtall gleicht meine Seele nun,
Den noch kein falſcher Strahl des Lichts getroffen;
Zu fluthen ſcheint mein Geiſt, er ſcheint zu ruh'n,
Dem Eindruck naher Wunderkraͤfte offen,
Die aus dem klaren Guͤrtel blauer Luft
Zuletzt ein Zauberwort vor meine Sinne ruft.
Bei hellen Augen glaub' ich doch zu ſchwanken,
Ich ſchließe ſie, daß nicht der Traum entweiche;
Seh' ich hinab in holde Feenreiche?
Wer hat den bunten Schwarm von Bildern und Gedanken
Zur Pforte meines Herzens hergeladen,
Die glaͤnzend ſich in dieſem Buſen baden,
Goldfarb'gen Fiſchlein gleich im Gartenteiche?
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Zitationshilfe: | Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/17>, abgerufen am 22.07.2024. |