Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite
Seltsamer Traum.

Als Nachbild eines glücklichen Theaterabends bei und nach Aufführung
von Mozarts Figaro,
dem liebenswürdigen Schwesterpaar
Marie und Pauline,
Rudolph und Friedrich,
gewidmet von dem Lustigsten aus der Gesellschaft.

Stuttgart 1828.

Ich sahe nächtlich hinter Traumgardinen
Viel Frühlingsgärten blühn und immer ändern;
Es tanzten, klein, auf zierlichen Geländern
An hundert Figaros mit Cherubinen.
Wie alle Dinge hundertfach erschienen,
So sah ich zwischen "Masken, Blumen, Bändern,"
Und zwischen all den "seidenen Gewändern"
Einfach die Einzigen, Marien, Paulinen.
Und aus dem sammtnen Frühlingsboden stiegen,
Gehoben von melodischen Gewalten,
Die Leidenschaften auf als ernste Schatten;
Da sah ich, still, mit tief gefurchten Zügen,
Einfach zwei edle bärtige Gestalten,
Und ich sang, als Hanswurst, auf Blumenmatten.

Seltſamer Traum.

Als Nachbild eines gluͤcklichen Theaterabends bei und nach Auffuͤhrung
von Mozarts Figaro,
dem liebenswuͤrdigen Schweſterpaar
Marie und Pauline,
Rudolph und Friedrich,
gewidmet von dem Luſtigſten aus der Geſellſchaft.

Stuttgart 1828.

Ich ſahe naͤchtlich hinter Traumgardinen
Viel Fruͤhlingsgaͤrten bluͤhn und immer aͤndern;
Es tanzten, klein, auf zierlichen Gelaͤndern
An hundert Figaros mit Cherubinen.
Wie alle Dinge hundertfach erſchienen,
So ſah ich zwiſchen „Masken, Blumen, Baͤndern,“
Und zwiſchen all den „ſeidenen Gewaͤndern“
Einfach die Einzigen, Marien, Paulinen.
Und aus dem ſammtnen Fruͤhlingsboden ſtiegen,
Gehoben von melodiſchen Gewalten,
Die Leidenſchaften auf als ernſte Schatten;
Da ſah ich, ſtill, mit tief gefurchten Zuͤgen,
Einfach zwei edle baͤrtige Geſtalten,
Und ich ſang, als Hanswurſt, auf Blumenmatten.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0152" n="136"/>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Selt&#x017F;amer Traum.</hi><lb/>
        </head>
        <p rendition="#c">Als Nachbild eines glu&#x0364;cklichen Theaterabends bei und nach Auffu&#x0364;hrung<lb/>
von Mozarts Figaro,<lb/>
dem liebenswu&#x0364;rdigen Schwe&#x017F;terpaar<lb/><hi rendition="#b">Marie</hi> und <hi rendition="#b">Pauline</hi>,<lb/><hi rendition="#b">Rudolph</hi> und <hi rendition="#b">Friedrich</hi>,<lb/>
gewidmet von dem Lu&#x017F;tig&#x017F;ten aus der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft.</p><lb/>
        <p rendition="#c"><hi rendition="#g">Stuttgart</hi> 1828.</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <lg n="1">
            <l>Ich &#x017F;ahe na&#x0364;chtlich hinter Traumgardinen</l><lb/>
            <l>Viel Fru&#x0364;hlingsga&#x0364;rten blu&#x0364;hn und immer a&#x0364;ndern;</l><lb/>
            <l>Es tanzten, klein, auf zierlichen Gela&#x0364;ndern</l><lb/>
            <l>An hundert Figaros mit Cherubinen.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="2">
            <l>Wie alle Dinge hundertfach er&#x017F;chienen,</l><lb/>
            <l>So &#x017F;ah ich zwi&#x017F;chen &#x201E;Masken, Blumen, Ba&#x0364;ndern,&#x201C;</l><lb/>
            <l>Und zwi&#x017F;chen all den &#x201E;&#x017F;eidenen Gewa&#x0364;ndern&#x201C;</l><lb/>
            <l>Einfach die Einzigen, <hi rendition="#g">Marien</hi>, <hi rendition="#g">Paulinen</hi>.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="3">
            <l>Und aus dem &#x017F;ammtnen Fru&#x0364;hlingsboden &#x017F;tiegen,</l><lb/>
            <l>Gehoben von melodi&#x017F;chen Gewalten,</l><lb/>
            <l>Die Leiden&#x017F;chaften auf als ern&#x017F;te Schatten;</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="4">
            <l>Da &#x017F;ah ich, &#x017F;till, mit tief gefurchten Zu&#x0364;gen,</l><lb/>
            <l>Einfach <hi rendition="#g">zwei</hi> edle ba&#x0364;rtige Ge&#x017F;talten,</l><lb/>
            <l>Und <hi rendition="#g">ich</hi> &#x017F;ang, als Hanswur&#x017F;t, auf Blumenmatten.</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0152] Seltſamer Traum. Als Nachbild eines gluͤcklichen Theaterabends bei und nach Auffuͤhrung von Mozarts Figaro, dem liebenswuͤrdigen Schweſterpaar Marie und Pauline, Rudolph und Friedrich, gewidmet von dem Luſtigſten aus der Geſellſchaft. Stuttgart 1828. Ich ſahe naͤchtlich hinter Traumgardinen Viel Fruͤhlingsgaͤrten bluͤhn und immer aͤndern; Es tanzten, klein, auf zierlichen Gelaͤndern An hundert Figaros mit Cherubinen. Wie alle Dinge hundertfach erſchienen, So ſah ich zwiſchen „Masken, Blumen, Baͤndern,“ Und zwiſchen all den „ſeidenen Gewaͤndern“ Einfach die Einzigen, Marien, Paulinen. Und aus dem ſammtnen Fruͤhlingsboden ſtiegen, Gehoben von melodiſchen Gewalten, Die Leidenſchaften auf als ernſte Schatten; Da ſah ich, ſtill, mit tief gefurchten Zuͤgen, Einfach zwei edle baͤrtige Geſtalten, Und ich ſang, als Hanswurſt, auf Blumenmatten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/152
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/152>, abgerufen am 22.12.2024.