Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.Schnelle Beute. Hat der Dichter im Geist ein köstliches Liedchen empfangen, Ruht und rastet er nicht, bis es vollendet ihn grüßt: Schönste! so sah ich dich neulich zum ersten Mal flüchtig am Fenster, Und ich brannte; nun liegst heute du mir schon im Arm! Nachts am Schreibepult. Primeln, Sterne, Syringen, von stiller Kerze beleuchtet, Hier im Glase: wie fremd blickt ihr, wie feenhaft, her! Sonne schien, als die Liebste euch trug; da wart ihr so freudig: Mitternacht summt nun um euch, ach! und kein Lieb¬ chen ist hier. Schnelle Beute. Hat der Dichter im Geiſt ein koͤſtliches Liedchen empfangen, Ruht und raſtet er nicht, bis es vollendet ihn gruͤßt: Schoͤnſte! ſo ſah ich dich neulich zum erſten Mal fluͤchtig am Fenſter, Und ich brannte; nun liegſt heute du mir ſchon im Arm! Nachts am Schreibepult. Primeln, Sterne, Syringen, von ſtiller Kerze beleuchtet, Hier im Glaſe: wie fremd blickt ihr, wie feenhaft, her! Sonne ſchien, als die Liebſte euch trug; da wart ihr ſo freudig: Mitternacht ſummt nun um euch, ach! und kein Lieb¬ chen iſt hier. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb n="124" facs="#f0140"/> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Schnelle Beute.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <l>Hat der Dichter im Geiſt ein koͤſtliches Liedchen empfangen,</l><lb/> <l>Ruht und raſtet er nicht, bis es vollendet ihn gruͤßt:</l><lb/> <l>Schoͤnſte! ſo ſah ich dich neulich zum erſten Mal fluͤchtig<lb/><hi rendition="#et">am Fenſter,</hi></l><lb/> <l>Und ich brannte; nun liegſt heute du mir ſchon im<lb/><hi rendition="#et">Arm!</hi></l><lb/> </lg> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Nachts am Schreibepult.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <l>Primeln, Sterne, Syringen, von ſtiller Kerze beleuchtet,</l><lb/> <l>Hier im Glaſe: wie fremd blickt ihr, wie feenhaft, her!</l><lb/> <l>Sonne ſchien, als die Liebſte euch trug; da wart ihr ſo<lb/><hi rendition="#et">freudig:</hi></l><lb/> <l>Mitternacht ſummt nun um euch, ach! und kein Lieb¬<lb/><hi rendition="#et">chen iſt hier.</hi></l><lb/> </lg> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> </div> </body> </text> </TEI> [124/0140]
Schnelle Beute.
Hat der Dichter im Geiſt ein koͤſtliches Liedchen empfangen,
Ruht und raſtet er nicht, bis es vollendet ihn gruͤßt:
Schoͤnſte! ſo ſah ich dich neulich zum erſten Mal fluͤchtig
am Fenſter,
Und ich brannte; nun liegſt heute du mir ſchon im
Arm!
Nachts am Schreibepult.
Primeln, Sterne, Syringen, von ſtiller Kerze beleuchtet,
Hier im Glaſe: wie fremd blickt ihr, wie feenhaft, her!
Sonne ſchien, als die Liebſte euch trug; da wart ihr ſo
freudig:
Mitternacht ſummt nun um euch, ach! und kein Lieb¬
chen iſt hier.
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Zitationshilfe: | Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/140>, abgerufen am 04.03.2025. |