Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.Theokrit. Sey, Theokritos, mir, du Anmuthsvollster, gepriesen! Lieblich bist du zuerst, aber auch herrlich fürwahr. Wenn du die Grazien schickst in die Paläste der Reichen, Unbeschenkt kehren sie dir, nackenden Fußes, zurück. Müßig sitzen sie dort im ärmlichen Hause des Dichters, Auf die frierenden Knie' traurig die Stirne gesenkt. Oder führe das Mädchen mir vor, das, rasend in Liebe, Da ihm der Jüngling entfloh, Hekate's Künste ver¬ sucht. Oder singe den jungen Herakles, welchem zur Wiege Dient der eherne Schild, wo er die Schlangen erwürgt: Klangvoll fährst du dahin! dich kränzte Kalliope selber: Aber bescheiden, ein Hirt, hast du die Syrinx er¬ wählt. Theokrit. Sey, Theokritos, mir, du Anmuthsvollſter, geprieſen! Lieblich biſt du zuerſt, aber auch herrlich fuͤrwahr. Wenn du die Grazien ſchickſt in die Palaͤſte der Reichen, Unbeſchenkt kehren ſie dir, nackenden Fußes, zuruͤck. Muͤßig ſitzen ſie dort im aͤrmlichen Hauſe des Dichters, Auf die frierenden Knie' traurig die Stirne geſenkt. Oder fuͤhre das Maͤdchen mir vor, das, raſend in Liebe, Da ihm der Juͤngling entfloh, Hekate's Kuͤnſte ver¬ ſucht. Oder ſinge den jungen Herakles, welchem zur Wiege Dient der eherne Schild, wo er die Schlangen erwuͤrgt: Klangvoll faͤhrſt du dahin! dich kraͤnzte Kalliope ſelber: Aber beſcheiden, ein Hirt, haſt du die Syrinx er¬ waͤhlt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb n="114" facs="#f0130"/> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b #g">Theokrit.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <l>Sey, Theokritos, mir, du Anmuthsvollſter, geprieſen!</l><lb/> <l>Lieblich biſt du zuerſt, aber auch herrlich fuͤrwahr.</l><lb/> <l>Wenn du die Grazien ſchickſt in die Palaͤſte der Reichen,</l><lb/> <l>Unbeſchenkt kehren ſie dir, nackenden Fußes, zuruͤck.</l><lb/> <l>Muͤßig ſitzen ſie dort im aͤrmlichen Hauſe des Dichters,</l><lb/> <l>Auf die frierenden Knie' traurig die Stirne geſenkt.</l><lb/> <l>Oder fuͤhre das Maͤdchen mir vor, das, raſend in Liebe,</l><lb/> <l>Da ihm der Juͤngling entfloh, Hekate's Kuͤnſte ver¬<lb/><hi rendition="#et">ſucht.</hi></l><lb/> <l>Oder ſinge den jungen Herakles, welchem zur Wiege</l><lb/> <l>Dient der eherne Schild, wo er die Schlangen erwuͤrgt:</l><lb/> <l>Klangvoll faͤhrſt du dahin! dich kraͤnzte Kalliope ſelber:</l><lb/> <l>Aber beſcheiden, ein Hirt, haſt du die Syrinx er¬<lb/><hi rendition="#et">waͤhlt.</hi></l><lb/> </lg> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> </div> </body> </text> </TEI> [114/0130]
Theokrit.
Sey, Theokritos, mir, du Anmuthsvollſter, geprieſen!
Lieblich biſt du zuerſt, aber auch herrlich fuͤrwahr.
Wenn du die Grazien ſchickſt in die Palaͤſte der Reichen,
Unbeſchenkt kehren ſie dir, nackenden Fußes, zuruͤck.
Muͤßig ſitzen ſie dort im aͤrmlichen Hauſe des Dichters,
Auf die frierenden Knie' traurig die Stirne geſenkt.
Oder fuͤhre das Maͤdchen mir vor, das, raſend in Liebe,
Da ihm der Juͤngling entfloh, Hekate's Kuͤnſte ver¬
ſucht.
Oder ſinge den jungen Herakles, welchem zur Wiege
Dient der eherne Schild, wo er die Schlangen erwuͤrgt:
Klangvoll faͤhrſt du dahin! dich kraͤnzte Kalliope ſelber:
Aber beſcheiden, ein Hirt, haſt du die Syrinx er¬
waͤhlt.
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Zitationshilfe: | Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/130>, abgerufen am 03.03.2025. |