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Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.

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Erzengel Michaels Feder.

Frau Marie Niethhammer, geb. Kerner, gewidmet.

I.
Weil schon vor so viel hundert Jahren,
Da unsre Väter noch Heiden waren,
Unser geliebtes Schwabenland
So lustig wie ein Garten stand,
So sah der Teufel auch einmal
Vom Michelsberg in's Maienthal
Und auf das weit bebaute Feld.
Er sprach: das ist ja wohlbestellt;
Hier blüht, wie einst im Paradies,
Der Apfelbaum und schmeckt so süß!
Wir wollen dieses Gartens pflegen,
Und soll sich erst kein Pfaff drein legen!
-- Solch Frevelwort des Satans hört
Der Herr im Himmel ungestört,
War aber gar nicht sehr ergezt,
Daß sich der Bock zum Gärtner sezt.
Er sandte Bonifazium
Damals im deutschen Reich herum,
Daß er, des heiligen Geistes voll,
Den himmlischen Weinstock pflanzen soll;
So rückt er nun auch zum Michelsberg.
Das kam dem Satan überzwerch,
Thät ihm sogleich den Weg verrennen,
Ließ den Boden wie Schwefel brennen,
Erzengel Michaels Feder.

Frau Marie Niethhammer, geb. Kerner, gewidmet.

I.
Weil ſchon vor ſo viel hundert Jahren,
Da unſre Vaͤter noch Heiden waren,
Unſer geliebtes Schwabenland
So luſtig wie ein Garten ſtand,
So ſah der Teufel auch einmal
Vom Michelsberg in's Maienthal
Und auf das weit bebaute Feld.
Er ſprach: das iſt ja wohlbeſtellt;
Hier bluͤht, wie einſt im Paradies,
Der Apfelbaum und ſchmeckt ſo ſuͤß!
Wir wollen dieſes Gartens pflegen,
Und ſoll ſich erſt kein Pfaff drein legen!
— Solch Frevelwort des Satans hoͤrt
Der Herr im Himmel ungeſtoͤrt,
War aber gar nicht ſehr ergezt,
Daß ſich der Bock zum Gaͤrtner ſezt.
Er ſandte Bonifazium
Damals im deutſchen Reich herum,
Daß er, des heiligen Geiſtes voll,
Den himmliſchen Weinſtock pflanzen ſoll;
So ruͤckt er nun auch zum Michelsberg.
Das kam dem Satan uͤberzwerch,
Thaͤt ihm ſogleich den Weg verrennen,
Ließ den Boden wie Schwefel brennen,
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[87/0103] Erzengel Michaels Feder. Frau Marie Niethhammer, geb. Kerner, gewidmet. I. Weil ſchon vor ſo viel hundert Jahren, Da unſre Vaͤter noch Heiden waren, Unſer geliebtes Schwabenland So luſtig wie ein Garten ſtand, So ſah der Teufel auch einmal Vom Michelsberg in's Maienthal Und auf das weit bebaute Feld. Er ſprach: das iſt ja wohlbeſtellt; Hier bluͤht, wie einſt im Paradies, Der Apfelbaum und ſchmeckt ſo ſuͤß! Wir wollen dieſes Gartens pflegen, Und ſoll ſich erſt kein Pfaff drein legen! — Solch Frevelwort des Satans hoͤrt Der Herr im Himmel ungeſtoͤrt, War aber gar nicht ſehr ergezt, Daß ſich der Bock zum Gaͤrtner ſezt. Er ſandte Bonifazium Damals im deutſchen Reich herum, Daß er, des heiligen Geiſtes voll, Den himmliſchen Weinſtock pflanzen ſoll; So ruͤckt er nun auch zum Michelsberg. Das kam dem Satan uͤberzwerch, Thaͤt ihm ſogleich den Weg verrennen, Ließ den Boden wie Schwefel brennen,

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/103>, abgerufen am 21.11.2024.