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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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Sechstes Kapitel.

Kurze Zeit, nachdem Schwester Perpetua den ihrer
Klugheit als sehr wichtig empfohlenen Brief des ab¬
wesenden Beichtigers glücklich bestellt hatte, trippelte sie,
ein Arzneikörbchen am Arme und eine kleine Hornlaterne
in der Hand, über die Rheinbrücke bei dem Dorfe Sils.
Jenseits derselben besaß das Kloster einen Hof, dessen
Pächter krank darniederlag. Die Heilkundige war heute
für den vom Fieber geschwächten Mann durch eines
seiner Kinder, das die Klosterschule besuchte, um Rath
und Hilfe angerufen worden. Sie scheute den nächt¬
lichen Gang nicht, -- so wenig, daß sie, nachdem der
Sieche sich ihrer Tröstungen erfreut, statt das Angesicht
wieder der Brücke und ihrem Kloster zuzuwenden, auf
dunkeln, aber ihr wohlbekannten Straßen in der Rich¬
tung weiter eilte, aus welcher ihr die Lichter des
Schlosses Riedberg entgegenschimmerten.

Sechstes Kapitel.

Kurze Zeit, nachdem Schweſter Perpetua den ihrer
Klugheit als ſehr wichtig empfohlenen Brief des ab¬
weſenden Beichtigers glücklich beſtellt hatte, trippelte ſie,
ein Arzneikörbchen am Arme und eine kleine Hornlaterne
in der Hand, über die Rheinbrücke bei dem Dorfe Sils.
Jenſeits derſelben beſaß das Kloſter einen Hof, deſſen
Pächter krank darniederlag. Die Heilkundige war heute
für den vom Fieber geſchwächten Mann durch eines
ſeiner Kinder, das die Kloſterſchule beſuchte, um Rath
und Hilfe angerufen worden. Sie ſcheute den nächt¬
lichen Gang nicht, — ſo wenig, daß ſie, nachdem der
Sieche ſich ihrer Tröſtungen erfreut, ſtatt das Angeſicht
wieder der Brücke und ihrem Kloſter zuzuwenden, auf
dunkeln, aber ihr wohlbekannten Straßen in der Rich¬
tung weiter eilte, aus welcher ihr die Lichter des
Schloſſes Riedberg entgegenſchimmerten.

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[0290] Sechstes Kapitel. Kurze Zeit, nachdem Schweſter Perpetua den ihrer Klugheit als ſehr wichtig empfohlenen Brief des ab¬ weſenden Beichtigers glücklich beſtellt hatte, trippelte ſie, ein Arzneikörbchen am Arme und eine kleine Hornlaterne in der Hand, über die Rheinbrücke bei dem Dorfe Sils. Jenſeits derſelben beſaß das Kloſter einen Hof, deſſen Pächter krank darniederlag. Die Heilkundige war heute für den vom Fieber geſchwächten Mann durch eines ſeiner Kinder, das die Kloſterſchule beſuchte, um Rath und Hilfe angerufen worden. Sie ſcheute den nächt¬ lichen Gang nicht, — ſo wenig, daß ſie, nachdem der Sieche ſich ihrer Tröſtungen erfreut, ſtatt das Angeſicht wieder der Brücke und ihrem Kloſter zuzuwenden, auf dunkeln, aber ihr wohlbekannten Straßen in der Rich¬ tung weiter eilte, aus welcher ihr die Lichter des Schloſſes Riedberg entgegenſchimmerten.

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/290>, abgerufen am 21.11.2024.