Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.Himmelsnähe. In meiner Firne feierlichem Kreis Lagr' ich an schmalem Felsengrate hier, Aus einem grün erstarrten Meer von Eis Erhebt die Silberzacke sich vor mir. Der Schnee, der am Geklüfte hing zerstreut, In hundert Rinnen rieselt er davon Und aus der schwarzen Feuchte schimmert heut Der Soldanelle zarte Glocke schon. Bald nahe tost, bald fern, der Wasserfall, Er stäubt und stürzt, nun rechts, nun links verweht, Ein tiefes Schweigen und ein steter Schall, Ein Wind, ein Strom, ein Athem, ein Gebet! Nur neben mir des Murmelthieres Pfiff, Nur über mir des Geiers heis'rer Schrei, Ich bin allein auf meinem Felsenriff Und ich empfinde daß Gott bei mir sei. Himmelsnähe. In meiner Firne feierlichem Kreis Lagr' ich an ſchmalem Felſengrate hier, Aus einem grün erſtarrten Meer von Eis Erhebt die Silberzacke ſich vor mir. Der Schnee, der am Geklüfte hing zerſtreut, In hundert Rinnen rieſelt er davon Und aus der ſchwarzen Feuchte ſchimmert heut Der Soldanelle zarte Glocke ſchon. Bald nahe toſt, bald fern, der Waſſerfall, Er ſtäubt und ſtürzt, nun rechts, nun links verweht, Ein tiefes Schweigen und ein ſteter Schall, Ein Wind, ein Strom, ein Athem, ein Gebet! Nur neben mir des Murmelthieres Pfiff, Nur über mir des Geiers heiſ'rer Schrei, Ich bin allein auf meinem Felſenriff Und ich empfinde daß Gott bei mir ſei. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0088" n="74"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Himmelsnähe.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>In meiner Firne feierlichem Kreis</l><lb/> <l>Lagr' ich an ſchmalem Felſengrate hier,</l><lb/> <l>Aus einem grün erſtarrten Meer von Eis</l><lb/> <l>Erhebt die Silberzacke ſich vor mir.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Der Schnee, der am Geklüfte hing zerſtreut,</l><lb/> <l>In hundert Rinnen rieſelt er davon</l><lb/> <l>Und aus der ſchwarzen Feuchte ſchimmert heut</l><lb/> <l>Der Soldanelle zarte Glocke ſchon.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Bald nahe toſt, bald fern, der Waſſerfall,</l><lb/> <l>Er ſtäubt und ſtürzt, nun rechts, nun links verweht,</l><lb/> <l>Ein tiefes Schweigen und ein ſteter Schall,</l><lb/> <l>Ein Wind, ein Strom, ein Athem, ein Gebet!</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Nur neben mir des Murmelthieres Pfiff,</l><lb/> <l>Nur über mir des Geiers heiſ'rer Schrei,</l><lb/> <l>Ich bin allein auf meinem Felſenriff</l><lb/> <l>Und ich empfinde daß Gott bei mir ſei.</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [74/0088]
Himmelsnähe.
In meiner Firne feierlichem Kreis
Lagr' ich an ſchmalem Felſengrate hier,
Aus einem grün erſtarrten Meer von Eis
Erhebt die Silberzacke ſich vor mir.
Der Schnee, der am Geklüfte hing zerſtreut,
In hundert Rinnen rieſelt er davon
Und aus der ſchwarzen Feuchte ſchimmert heut
Der Soldanelle zarte Glocke ſchon.
Bald nahe toſt, bald fern, der Waſſerfall,
Er ſtäubt und ſtürzt, nun rechts, nun links verweht,
Ein tiefes Schweigen und ein ſteter Schall,
Ein Wind, ein Strom, ein Athem, ein Gebet!
Nur neben mir des Murmelthieres Pfiff,
Nur über mir des Geiers heiſ'rer Schrei,
Ich bin allein auf meinem Felſenriff
Und ich empfinde daß Gott bei mir ſei.
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