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Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

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Weinsegen.
Heut athm' ich mit den Sommerlüften
Die allerfeinsten Würzen ein,
Ich kenne dieses seltne Düften:
Heut blüht der echte Klosterwein.
Hier zog im Land die ersten Trauben
Zum ersten Liebesmahl der Abt,
Der mit dem theuern Christenglauben
Uns öde Heiden einst begabt.
Das Kloster, längst ist's schon verschwunden,
Zerstäubt mit Altar, Gruft und Chor,
Doch steigt in diesen Mittagsstunden --
So heißt's -- der erste Abt empor.
Nicht will er zu der Lese kommen,
Wo wild die Kelter überschäumt,
Nein, wie sich ziemt für einen Frommen,
Wann mystisch süß die Blüthe träumt.
Was dort? Wer öffnet still das Gatter?
Berauscht die starke Würze mich?
Ein wallend blankes Rockgeflatter
Bewegt sich sacht und feierlich!
Es ist der Abt. Ich sehe bücken
Das edelgreise Haupt ihn dort,
Die frechen Nachbarskinder drücken
Sich schleunig durch die Hecke fort.
Weinſegen.
Heut athm' ich mit den Sommerlüften
Die allerfeinſten Würzen ein,
Ich kenne dieſes ſeltne Düften:
Heut blüht der echte Kloſterwein.
Hier zog im Land die erſten Trauben
Zum erſten Liebesmahl der Abt,
Der mit dem theuern Chriſtenglauben
Uns öde Heiden einſt begabt.
Das Kloſter, längſt iſt's ſchon verſchwunden,
Zerſtäubt mit Altar, Gruft und Chor,
Doch ſteigt in dieſen Mittagsſtunden —
So heißt's — der erſte Abt empor.
Nicht will er zu der Leſe kommen,
Wo wild die Kelter überſchäumt,
Nein, wie ſich ziemt für einen Frommen,
Wann myſtiſch ſüß die Blüthe träumt.
Was dort? Wer öffnet ſtill das Gatter?
Berauſcht die ſtarke Würze mich?
Ein wallend blankes Rockgeflatter
Bewegt ſich ſacht und feierlich!
Es iſt der Abt. Ich ſehe bücken
Das edelgreiſe Haupt ihn dort,
Die frechen Nachbarskinder drücken
Sich ſchleunig durch die Hecke fort.
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[57/0071] Weinſegen. Heut athm' ich mit den Sommerlüften Die allerfeinſten Würzen ein, Ich kenne dieſes ſeltne Düften: Heut blüht der echte Kloſterwein. Hier zog im Land die erſten Trauben Zum erſten Liebesmahl der Abt, Der mit dem theuern Chriſtenglauben Uns öde Heiden einſt begabt. Das Kloſter, längſt iſt's ſchon verſchwunden, Zerſtäubt mit Altar, Gruft und Chor, Doch ſteigt in dieſen Mittagsſtunden — So heißt's — der erſte Abt empor. Nicht will er zu der Leſe kommen, Wo wild die Kelter überſchäumt, Nein, wie ſich ziemt für einen Frommen, Wann myſtiſch ſüß die Blüthe träumt. Was dort? Wer öffnet ſtill das Gatter? Berauſcht die ſtarke Würze mich? Ein wallend blankes Rockgeflatter Bewegt ſich ſacht und feierlich! Es iſt der Abt. Ich ſehe bücken Das edelgreiſe Haupt ihn dort, Die frechen Nachbarskinder drücken Sich ſchleunig durch die Hecke fort.

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/71>, abgerufen am 18.11.2024.