Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.Ein Lied Chastelard's. Sehnsucht ist Qual! Der Herrin wag ich's nicht zu sagen, Ich will's den dunkeln Eichen klagen Im grünen Thal: Sehnsucht ist Qual. Mein Leib vergeht Wie schmelzend Eis in bleichen Farben, Sie sieht mich dursten, lechzen, darben, Bleibt unerfleht -- Mein Leib vergeht. Doch mag es sein, Daß sie an ihrer Macht sich weide! Ergetzt sie grausam sich an meinem Leide; So denkt sie mein -- Drum mag es sein. Sehnsucht ist Qual! Dem Kühnsten macht die Folter bange, Ein Grab, darin ich nichts verlange, Gieb mir, o Thal! Sehnsucht ist Qual. Ein Lied Chaſtelard's. Sehnſucht iſt Qual! Der Herrin wag ich's nicht zu ſagen, Ich will's den dunkeln Eichen klagen Im grünen Thal: Sehnſucht iſt Qual. Mein Leib vergeht Wie ſchmelzend Eis in bleichen Farben, Sie ſieht mich durſten, lechzen, darben, Bleibt unerfleht — Mein Leib vergeht. Doch mag es ſein, Daß ſie an ihrer Macht ſich weide! Ergetzt ſie grauſam ſich an meinem Leide; So denkt ſie mein — Drum mag es ſein. Sehnſucht iſt Qual! Dem Kühnſten macht die Folter bange, Ein Grab, darin ich nichts verlange, Gieb mir, o Thal! Sehnſucht iſt Qual. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb n="22" facs="#f0036"/> </div> <div n="2"> <head>Ein Lied Chaſtelard's.<lb/></head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Sehnſucht iſt Qual!</l><lb/> <l>Der Herrin wag ich's nicht zu ſagen,</l><lb/> <l>Ich will's den dunkeln Eichen klagen</l><lb/> <l>Im grünen Thal:</l><lb/> <l>Sehnſucht iſt Qual.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Mein Leib vergeht</l><lb/> <l>Wie ſchmelzend Eis in bleichen Farben,</l><lb/> <l>Sie ſieht mich durſten, lechzen, darben,</l><lb/> <l>Bleibt unerfleht —</l><lb/> <l>Mein Leib vergeht.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Doch mag es ſein,</l><lb/> <l>Daß ſie an ihrer Macht ſich weide!</l><lb/> <l>Ergetzt ſie grauſam ſich an meinem Leide;</l><lb/> <l>So denkt ſie mein —</l><lb/> <l>Drum mag es ſein.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Sehnſucht iſt Qual!</l><lb/> <l>Dem Kühnſten macht die Folter bange,</l><lb/> <l>Ein Grab, darin ich nichts verlange,</l><lb/> <l>Gieb mir, o Thal!</l><lb/> <l>Sehnſucht iſt Qual.</l><lb/> </lg> </lg> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [22/0036]
Ein Lied Chaſtelard's.
Sehnſucht iſt Qual!
Der Herrin wag ich's nicht zu ſagen,
Ich will's den dunkeln Eichen klagen
Im grünen Thal:
Sehnſucht iſt Qual.
Mein Leib vergeht
Wie ſchmelzend Eis in bleichen Farben,
Sie ſieht mich durſten, lechzen, darben,
Bleibt unerfleht —
Mein Leib vergeht.
Doch mag es ſein,
Daß ſie an ihrer Macht ſich weide!
Ergetzt ſie grauſam ſich an meinem Leide;
So denkt ſie mein —
Drum mag es ſein.
Sehnſucht iſt Qual!
Dem Kühnſten macht die Folter bange,
Ein Grab, darin ich nichts verlange,
Gieb mir, o Thal!
Sehnſucht iſt Qual.
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Zitationshilfe: | Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/36>, abgerufen am 03.03.2025. |