Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Landgraf.
Mir sitzt zu Hause jung gezähmt
Und leicht gelähmt
Ein Steinaar im Verließe,
Der martert sich den Hals zu drehn,
Ins Blau zu sehn,
Aus dem er gerne stieße.
So streck' ich Landgraf ebenfalls
Den Kopf und Hals
Wohl durch das Kerkergitter,
Ob etwas auf der Straße zieht
Für mein Gemüt,
Ein Schüler oder Ritter.
Der Kaiser, der vergichtet ist,
Drum gerne mißt
Die Kost der harschen Lüfte,
Vergaß wie schwer ein ganzer Mann
Entrathen kann
Das Jagdhorn an der Hüfte.
Ich wurde hinterrücks gefällt,
Ein Netz gestellt
Ward mir mit falschen Schriften!
Wer mir mit lächelndem Gesicht
Die Treue bricht,
Der kann mich auch vergiften!
C. F. Meyer, Gedichte. 20
Der Landgraf.
Mir ſitzt zu Hauſe jung gezähmt
Und leicht gelähmt
Ein Steinaar im Verließe,
Der martert ſich den Hals zu drehn,
Ins Blau zu ſehn,
Aus dem er gerne ſtieße.
So ſtreck' ich Landgraf ebenfalls
Den Kopf und Hals
Wohl durch das Kerkergitter,
Ob etwas auf der Straße zieht
Für mein Gemüt,
Ein Schüler oder Ritter.
Der Kaiſer, der vergichtet iſt,
Drum gerne mißt
Die Koſt der harſchen Lüfte,
Vergaß wie ſchwer ein ganzer Mann
Entrathen kann
Das Jagdhorn an der Hüfte.
Ich wurde hinterrücks gefällt,
Ein Netz geſtellt
Ward mir mit falſchen Schriften!
Wer mir mit lächelndem Geſicht
Die Treue bricht,
Der kann mich auch vergiften!
C. F. Meyer, Gedichte. 20
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0319" n="305"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head>Der Landgraf.<lb/></head>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Mir &#x017F;itzt zu Hau&#x017F;e jung gezähmt</l><lb/>
              <l>Und leicht gelähmt</l><lb/>
              <l>Ein Steinaar im Verließe,</l><lb/>
              <l>Der martert &#x017F;ich den Hals zu drehn,</l><lb/>
              <l>Ins Blau zu &#x017F;ehn,</l><lb/>
              <l>Aus dem er gerne &#x017F;tieße.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>So &#x017F;treck' ich Landgraf ebenfalls</l><lb/>
              <l>Den Kopf und Hals</l><lb/>
              <l>Wohl durch das Kerkergitter,</l><lb/>
              <l>Ob etwas auf der Straße zieht</l><lb/>
              <l>Für mein Gemüt,</l><lb/>
              <l>Ein Schüler oder Ritter.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>Der Kai&#x017F;er, der vergichtet i&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Drum gerne mißt</l><lb/>
              <l>Die Ko&#x017F;t der har&#x017F;chen Lüfte,</l><lb/>
              <l>Vergaß wie &#x017F;chwer ein ganzer Mann</l><lb/>
              <l>Entrathen kann</l><lb/>
              <l>Das Jagdhorn an der Hüfte.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="4">
              <l>Ich wurde hinterrücks gefällt,</l><lb/>
              <l>Ein Netz ge&#x017F;tellt</l><lb/>
              <l>Ward mir mit fal&#x017F;chen Schriften!</l><lb/>
              <l>Wer mir mit lächelndem Ge&#x017F;icht</l><lb/>
              <l>Die Treue bricht,</l><lb/>
              <l>Der kann mich auch vergiften!</l><lb/>
            </lg>
            <fw place="bottom" type="sig">C. F. <hi rendition="#g">Meyer</hi>, Gedichte. 20<lb/></fw>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[305/0319] Der Landgraf. Mir ſitzt zu Hauſe jung gezähmt Und leicht gelähmt Ein Steinaar im Verließe, Der martert ſich den Hals zu drehn, Ins Blau zu ſehn, Aus dem er gerne ſtieße. So ſtreck' ich Landgraf ebenfalls Den Kopf und Hals Wohl durch das Kerkergitter, Ob etwas auf der Straße zieht Für mein Gemüt, Ein Schüler oder Ritter. Der Kaiſer, der vergichtet iſt, Drum gerne mißt Die Koſt der harſchen Lüfte, Vergaß wie ſchwer ein ganzer Mann Entrathen kann Das Jagdhorn an der Hüfte. Ich wurde hinterrücks gefällt, Ein Netz geſtellt Ward mir mit falſchen Schriften! Wer mir mit lächelndem Geſicht Die Treue bricht, Der kann mich auch vergiften! C. F. Meyer, Gedichte. 20

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/319
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/319>, abgerufen am 18.11.2024.