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Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

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Das Joch am Leman.
"Die Einen liegen todt mit ihren Wunden,
Die Andern treiben wir daher gebunden --
Den Römeraar der Zwillingslegion,
Der eingegarnten Wölfin scharfen Bissen
Im Männerkampf, im Roßgestampf entrissen,
Schwingt Divico, der Berge Sohn!"
Weit blaut die Seeflut. Scheltend jagen Treiber
Am Ufer einen Haufen Menschenleiber,
Die nackte Schmach umjauchzt Triumphgesang,
Ein Jüngling kreist auf einem falben Pferde
Um die zu Zwei'n gepaarte Römerheerde
Die Krümmen des Gestads entlang.
Er knickt den Aar mit einem stolzen Schreie,
Er schickt den Ruf zur nahen Firnenreihe --
Die Grät' und Wände blicken groß und bleich --
"Hebt, Ahnen, euch vom Silbersitz, zu schauen
Die Pforte, die wir für den Räuber bauen,
Der sich verstieg in euer Reich!
Wir bauen nicht mit Mörtel noch mit Steinen,
Zwei Speere pflanzt! Querüber bindet einen!
Zwei Römerköpfe drauf! Es ist gethan!" --
Das Joch umstehn verwogne Kriegsgesellen
Mit Auerhörnern und mit Bärenfellen
Und schauen sich das Bauwerk an!
Das Joch am Leman.
„Die Einen liegen todt mit ihren Wunden,
Die Andern treiben wir daher gebunden —
Den Römeraar der Zwillingslegion,
Der eingegarnten Wölfin ſcharfen Biſſen
Im Männerkampf, im Roßgeſtampf entriſſen,
Schwingt Divico, der Berge Sohn!“
Weit blaut die Seeflut. Scheltend jagen Treiber
Am Ufer einen Haufen Menſchenleiber,
Die nackte Schmach umjauchzt Triumphgeſang,
Ein Jüngling kreiſt auf einem falben Pferde
Um die zu Zwei'n gepaarte Römerheerde
Die Krümmen des Geſtads entlang.
Er knickt den Aar mit einem ſtolzen Schreie,
Er ſchickt den Ruf zur nahen Firnenreihe —
Die Grät' und Wände blicken groß und bleich —
„Hebt, Ahnen, euch vom Silberſitz, zu ſchauen
Die Pforte, die wir für den Räuber bauen,
Der ſich verſtieg in euer Reich!
Wir bauen nicht mit Mörtel noch mit Steinen,
Zwei Speere pflanzt! Querüber bindet einen!
Zwei Römerköpfe drauf! Es iſt gethan!“ —
Das Joch umſtehn verwogne Kriegsgeſellen
Mit Auerhörnern und mit Bärenfellen
Und ſchauen ſich das Bauwerk an!
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[203/0217] Das Joch am Leman. „Die Einen liegen todt mit ihren Wunden, Die Andern treiben wir daher gebunden — Den Römeraar der Zwillingslegion, Der eingegarnten Wölfin ſcharfen Biſſen Im Männerkampf, im Roßgeſtampf entriſſen, Schwingt Divico, der Berge Sohn!“ Weit blaut die Seeflut. Scheltend jagen Treiber Am Ufer einen Haufen Menſchenleiber, Die nackte Schmach umjauchzt Triumphgeſang, Ein Jüngling kreiſt auf einem falben Pferde Um die zu Zwei'n gepaarte Römerheerde Die Krümmen des Geſtads entlang. Er knickt den Aar mit einem ſtolzen Schreie, Er ſchickt den Ruf zur nahen Firnenreihe — Die Grät' und Wände blicken groß und bleich — „Hebt, Ahnen, euch vom Silberſitz, zu ſchauen Die Pforte, die wir für den Räuber bauen, Der ſich verſtieg in euer Reich! Wir bauen nicht mit Mörtel noch mit Steinen, Zwei Speere pflanzt! Querüber bindet einen! Zwei Römerköpfe drauf! Es iſt gethan!“ — Das Joch umſtehn verwogne Kriegsgeſellen Mit Auerhörnern und mit Bärenfellen Und ſchauen ſich das Bauwerk an!

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/217>, abgerufen am 22.12.2024.