Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.Nächtliche Fahrt. Ein Schiff befuhr das Meer. Aufrauschend quoll Die Fluth am Kiel. Er suchte Pylos' Strand. Das Steuer führt' ein Jüngling kummervoll, Dem früh des Vaters Rath und Hilfe schwand. Der Glückbedürft'ge hieß Telemachos Und schaute nach des Segels nächt'gem Flug, Dicht neben ihm der hohe Fahrtgenoß, Athene war's, die Mentors Züge trug. Unendlich brach hervor der Sterne Heer, Die lichten Waller wußten ihre Bahn ... Da sprach die Tochter Zeus' auf dunkelm Meer: "Jetzt, Jüngling, ruf' mit mir die Götter an!" Die Hände, wie der Staubgeborne fleht, Erhob sie ausgebreitet in die Nacht -- Und sie erhörte selber das Gebet, Von ihr für den Verlassnen dargebracht. Nächtliche Fahrt. Ein Schiff befuhr das Meer. Aufrauſchend quoll Die Fluth am Kiel. Er ſuchte Pylos' Strand. Das Steuer führt' ein Jüngling kummervoll, Dem früh des Vaters Rath und Hilfe ſchwand. Der Glückbedürft'ge hieß Telemachos Und ſchaute nach des Segels nächt'gem Flug, Dicht neben ihm der hohe Fahrtgenoß, Athene war's, die Mentors Züge trug. Unendlich brach hervor der Sterne Heer, Die lichten Waller wußten ihre Bahn ... Da ſprach die Tochter Zeus' auf dunkelm Meer: „Jetzt, Jüngling, ruf' mit mir die Götter an!“ Die Hände, wie der Staubgeborne fleht, Erhob ſie ausgebreitet in die Nacht — Und ſie erhörte ſelber das Gebet, Von ihr für den Verlaſſnen dargebracht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb n="190" facs="#f0204"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Nächtliche Fahrt.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Ein Schiff befuhr das Meer. Aufrauſchend quoll</l><lb/> <l>Die Fluth am Kiel. Er ſuchte Pylos' Strand.</l><lb/> <l>Das Steuer führt' ein Jüngling kummervoll,</l><lb/> <l>Dem früh des Vaters Rath und Hilfe ſchwand.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Der Glückbedürft'ge hieß Telemachos</l><lb/> <l>Und ſchaute nach des Segels nächt'gem Flug,</l><lb/> <l>Dicht neben ihm der hohe Fahrtgenoß,</l><lb/> <l>Athene war's, die Mentors Züge trug.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Unendlich brach hervor der Sterne Heer,</l><lb/> <l>Die lichten Waller wußten ihre Bahn ...</l><lb/> <l>Da ſprach die Tochter Zeus' auf dunkelm Meer:</l><lb/> <l>„Jetzt, Jüngling, ruf' mit mir die Götter an!“</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Die Hände, wie der Staubgeborne fleht,</l><lb/> <l>Erhob ſie ausgebreitet in die Nacht —</l><lb/> <l>Und ſie erhörte ſelber das Gebet,</l><lb/> <l>Von ihr für den Verlaſſnen dargebracht.</l><lb/> </lg> </lg> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [190/0204]
Nächtliche Fahrt.
Ein Schiff befuhr das Meer. Aufrauſchend quoll
Die Fluth am Kiel. Er ſuchte Pylos' Strand.
Das Steuer führt' ein Jüngling kummervoll,
Dem früh des Vaters Rath und Hilfe ſchwand.
Der Glückbedürft'ge hieß Telemachos
Und ſchaute nach des Segels nächt'gem Flug,
Dicht neben ihm der hohe Fahrtgenoß,
Athene war's, die Mentors Züge trug.
Unendlich brach hervor der Sterne Heer,
Die lichten Waller wußten ihre Bahn ...
Da ſprach die Tochter Zeus' auf dunkelm Meer:
„Jetzt, Jüngling, ruf' mit mir die Götter an!“
Die Hände, wie der Staubgeborne fleht,
Erhob ſie ausgebreitet in die Nacht —
Und ſie erhörte ſelber das Gebet,
Von ihr für den Verlaſſnen dargebracht.
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Zitationshilfe: | Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/204>, abgerufen am 03.03.2025. |