Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.Die Zwingburg. Gebrochen ist der alte Twing, Ringsum ergrünt sein Mauerring, Der Eppich schwankt im Fenster, Versunken in der Erde Schooß Tief unter das besonnte Moos Sind Ritter und Gespenster. Wo durch das tiefgewölbte Thor Die zorn'ge Fehde schritt hervor Und ließ die Hörner schmettern, Da hat sich, duftig eingeengt, Ein Zicklein ans Gesträuch gehängt Und nascht von jungen Blättern. Wo wild verträumt Frau Minne stund, Zerrann auf blauem Himmelsgrund Der kecke Bau des Erkers. Wo tief der stumme Haß gegrollt, Liegt weich, ins hohe Gras gerollt, Ein feuchter Stein des Kerkers. Und wo den Teich vom Hügelhang Herab die trotz'ge Feste zwang Ein finster Bild zu spiegeln, Da rudert, von der Flut benetzt, Der Burg zerstörtes Wappen jetzt: Ein Schwan mit Silberflügeln. Die Zwingburg. Gebrochen iſt der alte Twing, Ringsum ergrünt ſein Mauerring, Der Eppich ſchwankt im Fenſter, Verſunken in der Erde Schooß Tief unter das beſonnte Moos Sind Ritter und Geſpenſter. Wo durch das tiefgewölbte Thor Die zorn'ge Fehde ſchritt hervor Und ließ die Hörner ſchmettern, Da hat ſich, duftig eingeengt, Ein Zicklein ans Geſträuch gehängt Und naſcht von jungen Blättern. Wo wild verträumt Frau Minne ſtund, Zerrann auf blauem Himmelsgrund Der kecke Bau des Erkers. Wo tief der ſtumme Haß gegrollt, Liegt weich, ins hohe Gras gerollt, Ein feuchter Stein des Kerkers. Und wo den Teich vom Hügelhang Herab die trotz'ge Feſte zwang Ein finſter Bild zu ſpiegeln, Da rudert, von der Flut benetzt, Der Burg zerſtörtes Wappen jetzt: Ein Schwan mit Silberflügeln. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb n="108" facs="#f0122"/> </div> <div n="2"> <head>Die Zwingburg.<lb/></head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Gebrochen iſt der alte Twing,</l><lb/> <l>Ringsum ergrünt ſein Mauerring,</l><lb/> <l>Der Eppich ſchwankt im Fenſter,</l><lb/> <l>Verſunken in der Erde Schooß</l><lb/> <l>Tief unter das beſonnte Moos</l><lb/> <l>Sind Ritter und Geſpenſter.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Wo durch das tiefgewölbte Thor</l><lb/> <l>Die zorn'ge Fehde ſchritt hervor</l><lb/> <l>Und ließ die Hörner ſchmettern,</l><lb/> <l>Da hat ſich, duftig eingeengt,</l><lb/> <l>Ein Zicklein ans Geſträuch gehängt</l><lb/> <l>Und naſcht von jungen Blättern.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Wo wild verträumt Frau Minne ſtund,</l><lb/> <l>Zerrann auf blauem Himmelsgrund</l><lb/> <l>Der kecke Bau des Erkers.</l><lb/> <l>Wo tief der ſtumme Haß gegrollt,</l><lb/> <l>Liegt weich, ins hohe Gras gerollt,</l><lb/> <l>Ein feuchter Stein des Kerkers.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Und wo den Teich vom Hügelhang</l><lb/> <l>Herab die trotz'ge Feſte zwang</l><lb/> <l>Ein finſter Bild zu ſpiegeln,</l><lb/> <l>Da rudert, von der Flut benetzt,</l><lb/> <l>Der Burg zerſtörtes Wappen jetzt:</l><lb/> <l>Ein Schwan mit Silberflügeln.</l><lb/> </lg> </lg> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [108/0122]
Die Zwingburg.
Gebrochen iſt der alte Twing,
Ringsum ergrünt ſein Mauerring,
Der Eppich ſchwankt im Fenſter,
Verſunken in der Erde Schooß
Tief unter das beſonnte Moos
Sind Ritter und Geſpenſter.
Wo durch das tiefgewölbte Thor
Die zorn'ge Fehde ſchritt hervor
Und ließ die Hörner ſchmettern,
Da hat ſich, duftig eingeengt,
Ein Zicklein ans Geſträuch gehängt
Und naſcht von jungen Blättern.
Wo wild verträumt Frau Minne ſtund,
Zerrann auf blauem Himmelsgrund
Der kecke Bau des Erkers.
Wo tief der ſtumme Haß gegrollt,
Liegt weich, ins hohe Gras gerollt,
Ein feuchter Stein des Kerkers.
Und wo den Teich vom Hügelhang
Herab die trotz'ge Feſte zwang
Ein finſter Bild zu ſpiegeln,
Da rudert, von der Flut benetzt,
Der Burg zerſtörtes Wappen jetzt:
Ein Schwan mit Silberflügeln.
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Zitationshilfe: | Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/122>, abgerufen am 03.03.2025. |