Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.Das Gemälde. Trüb brennt der Schenke Kerzenlicht, Der Wirthin junges Angesicht, Ermüdet, schlummertrunken, Nickt auf die Brust gesunken, Denn schon ist Mitternacht vorbei. Am Schiefertische spielen Zwei, Die weißen Würfel schallen, Schlecht ist der Wurf gefallen -- Ein junges wildes Augenpaar Droht aus verworrnem Lockenhaar: "Das war mein letztes Silberstück! Doch wenden muß sich jetzt das Glück! Du, Alter, mußt mir borgen! Wir spielen bis zum Morgen!" Mit grünen Katzenaugen blitzt Der Alte, der im Dunkel sitzt: "Laß dich zu Bette legen, Die Mutter spricht den Segen!" Des Jungen Faust zerdrückt das Glas Mit einem Fluch -- "Kind, weißt du was? "Ein Schlößlein steht auf grünem Plan" So fängt ein altes Märchen an. Ich meine das im Walde, Hier oben an der Halde. Verschlossen sind die Fenster, Das Gemälde. Trüb brennt der Schenke Kerzenlicht, Der Wirthin junges Angeſicht, Ermüdet, ſchlummertrunken, Nickt auf die Bruſt geſunken, Denn ſchon iſt Mitternacht vorbei. Am Schiefertiſche ſpielen Zwei, Die weißen Würfel ſchallen, Schlecht iſt der Wurf gefallen — Ein junges wildes Augenpaar Droht aus verworrnem Lockenhaar: „Das war mein letztes Silberſtück! Doch wenden muß ſich jetzt das Glück! Du, Alter, mußt mir borgen! Wir ſpielen bis zum Morgen!“ Mit grünen Katzenaugen blitzt Der Alte, der im Dunkel ſitzt: „Laß dich zu Bette legen, Die Mutter ſpricht den Segen!“ Des Jungen Fauſt zerdrückt das Glas Mit einem Fluch — „Kind, weißt du was? „Ein Schlößlein ſteht auf grünem Plan“ So fängt ein altes Märchen an. Ich meine das im Walde, Hier oben an der Halde. Verſchloſſen ſind die Fenſter, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb n="101" facs="#f0115"/> </div> <div n="2"> <head>Das Gemälde.<lb/></head> <lg type="poem"> <l>Trüb brennt der Schenke Kerzenlicht,</l><lb/> <l>Der Wirthin junges Angeſicht,</l><lb/> <l>Ermüdet, ſchlummertrunken,</l><lb/> <l>Nickt auf die Bruſt geſunken,</l><lb/> <l>Denn ſchon iſt Mitternacht vorbei.</l><lb/> <l>Am Schiefertiſche ſpielen Zwei,</l><lb/> <l>Die weißen Würfel ſchallen,</l><lb/> <l>Schlecht iſt der Wurf gefallen —</l><lb/> <l>Ein junges wildes Augenpaar</l><lb/> <l>Droht aus verworrnem Lockenhaar:</l><lb/> <l>„Das war mein letztes Silberſtück!</l><lb/> <l>Doch wenden muß ſich jetzt das Glück!</l><lb/> <l>Du, Alter, mußt mir borgen!</l><lb/> <l>Wir ſpielen bis zum Morgen!“</l><lb/> <l>Mit grünen Katzenaugen blitzt</l><lb/> <l>Der Alte, der im Dunkel ſitzt:</l><lb/> <l>„Laß dich zu Bette legen,</l><lb/> <l>Die Mutter ſpricht den Segen!“</l><lb/> <l>Des Jungen Fauſt zerdrückt das Glas</l><lb/> <l>Mit einem Fluch — „Kind, weißt du was?</l><lb/> <l>„Ein Schlößlein ſteht auf grünem Plan“</l><lb/> <l>So fängt ein altes Märchen an.</l><lb/> <l>Ich meine das im Walde,</l><lb/> <l>Hier oben an der Halde.</l><lb/> <l>Verſchloſſen ſind die Fenſter,</l><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [101/0115]
Das Gemälde.
Trüb brennt der Schenke Kerzenlicht,
Der Wirthin junges Angeſicht,
Ermüdet, ſchlummertrunken,
Nickt auf die Bruſt geſunken,
Denn ſchon iſt Mitternacht vorbei.
Am Schiefertiſche ſpielen Zwei,
Die weißen Würfel ſchallen,
Schlecht iſt der Wurf gefallen —
Ein junges wildes Augenpaar
Droht aus verworrnem Lockenhaar:
„Das war mein letztes Silberſtück!
Doch wenden muß ſich jetzt das Glück!
Du, Alter, mußt mir borgen!
Wir ſpielen bis zum Morgen!“
Mit grünen Katzenaugen blitzt
Der Alte, der im Dunkel ſitzt:
„Laß dich zu Bette legen,
Die Mutter ſpricht den Segen!“
Des Jungen Fauſt zerdrückt das Glas
Mit einem Fluch — „Kind, weißt du was?
„Ein Schlößlein ſteht auf grünem Plan“
So fängt ein altes Märchen an.
Ich meine das im Walde,
Hier oben an der Halde.
Verſchloſſen ſind die Fenſter,
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Zitationshilfe: | Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/115>, abgerufen am 03.03.2025. |