Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.Gespenster. Am Horizonte glomm des Abends Feuer; Ich stieg, indeß die Purpurglut verblich, Zum Römerthurm empor und lehnte mich Randüber auf das dunkelnde Gemäuer -- Und sah, wie sich am Hange scheu und scheuer Die Beerenleserin vorüberschlich. Das arme Weibchen drückt' und duckte sich, Und schlug ein Kreuz: ihr war es nicht geheuer . . . . Mich flog ein Lächeln an. Im Eppich neben Der Brüstung flüstert's: "Freund, in deinem Leben Ist auch ein Ort, wo die Gespenster schweben! Führt dich Erinn'rung dem zerstörten Ort Vorbei, du huschest noch geschwinder fort, Als das von Graun gepackte Weibchen dort." 7*
Geſpenſter. Am Horizonte glomm des Abends Feuer; Ich ſtieg, indeß die Purpurglut verblich, Zum Römerthurm empor und lehnte mich Randüber auf das dunkelnde Gemäuer — Und ſah, wie ſich am Hange ſcheu und ſcheuer Die Beerenleſerin vorüberſchlich. Das arme Weibchen drückt' und duckte ſich, Und ſchlug ein Kreuz: ihr war es nicht geheuer . . . . Mich flog ein Lächeln an. Im Eppich neben Der Brüſtung flüſtert's: „Freund, in deinem Leben Iſt auch ein Ort, wo die Geſpenſter ſchweben! Führt dich Erinn'rung dem zerſtörten Ort Vorbei, du huſcheſt noch geſchwinder fort, Als das von Graun gepackte Weibchen dort.“ 7*
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Geſpenſter.
Am Horizonte glomm des Abends Feuer;
Ich ſtieg, indeß die Purpurglut verblich,
Zum Römerthurm empor und lehnte mich
Randüber auf das dunkelnde Gemäuer —
Und ſah, wie ſich am Hange ſcheu und ſcheuer
Die Beerenleſerin vorüberſchlich.
Das arme Weibchen drückt' und duckte ſich,
Und ſchlug ein Kreuz: ihr war es nicht geheuer . . . .
Mich flog ein Lächeln an. Im Eppich neben
Der Brüſtung flüſtert's: „Freund, in deinem Leben
Iſt auch ein Ort, wo die Geſpenſter ſchweben!
Führt dich Erinn'rung dem zerſtörten Ort
Vorbei, du huſcheſt noch geſchwinder fort,
Als das von Graun gepackte Weibchen dort.“
7*
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