Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.Frag mir nicht nach. Wo weiß die Landquart durch die Tannen schäumt, Irrt' unbekümmert ich um Weg und Zeit, Da stand ein grauer Thurm -- wie hingeträumt In ungebrochne Waldeseinsamkeit. Ich sah mich um und frug: "Wie heißt das Schloß?" Ein bucklig Mütterlein, das Kräuter brach; Da grollte sie, die jedes Wort verdroß: "Fragmirnichtnach." Ich schritt hinan; im Hof ein Brünnlein scholl, Durch den verwachsnen Thorweg drang ich ein, Ein dünnes kühles Rieseln überquoll Auf einer Gruft den schwarz bemoosten Stein. Ich beugte mich nach des Verschollnen Spur, Entziffernd, was des Steines Inschrift sprach, Nicht Zahl, nicht Namen -- ein Begehren nur: Frag mir nicht nach! Frag mir nicht nach. Wo weiß die Landquart durch die Tannen ſchäumt, Irrt' unbekümmert ich um Weg und Zeit, Da ſtand ein grauer Thurm — wie hingeträumt In ungebrochne Waldeseinſamkeit. Ich ſah mich um und frug: „Wie heißt das Schloß?“ Ein bucklig Mütterlein, das Kräuter brach; Da grollte ſie, die jedes Wort verdroß: „Fragmirnichtnach.“ Ich ſchritt hinan; im Hof ein Brünnlein ſcholl, Durch den verwachsnen Thorweg drang ich ein, Ein dünnes kühles Rieſeln überquoll Auf einer Gruft den ſchwarz bemooſten Stein. Ich beugte mich nach des Verſchollnen Spur, Entziffernd, was des Steines Inſchrift ſprach, Nicht Zahl, nicht Namen — ein Begehren nur: Frag mir nicht nach! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb n="98" facs="#f0112"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Frag mir nicht nach.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wo weiß die Landquart durch die Tannen ſchäumt,</l><lb/> <l>Irrt' unbekümmert ich um Weg und Zeit,</l><lb/> <l>Da ſtand ein grauer Thurm — wie hingeträumt</l><lb/> <l>In ungebrochne Waldeseinſamkeit.</l><lb/> <l>Ich ſah mich um und frug: „Wie heißt das Schloß?“</l><lb/> <l>Ein bucklig Mütterlein, das Kräuter brach;</l><lb/> <l>Da grollte ſie, die jedes Wort verdroß:</l><lb/> <l>„Fragmirnichtnach.“</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Ich ſchritt hinan; im Hof ein Brünnlein ſcholl,</l><lb/> <l>Durch den verwachsnen Thorweg drang ich ein,</l><lb/> <l>Ein dünnes kühles Rieſeln überquoll</l><lb/> <l>Auf einer Gruft den ſchwarz bemooſten Stein.</l><lb/> <l>Ich beugte mich nach des Verſchollnen Spur,</l><lb/> <l>Entziffernd, was des Steines Inſchrift ſprach,</l><lb/> <l>Nicht Zahl, nicht Namen — ein Begehren nur:</l><lb/> <l>Frag mir nicht nach!</l><lb/> </lg> </lg> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [98/0112]
Frag mir nicht nach.
Wo weiß die Landquart durch die Tannen ſchäumt,
Irrt' unbekümmert ich um Weg und Zeit,
Da ſtand ein grauer Thurm — wie hingeträumt
In ungebrochne Waldeseinſamkeit.
Ich ſah mich um und frug: „Wie heißt das Schloß?“
Ein bucklig Mütterlein, das Kräuter brach;
Da grollte ſie, die jedes Wort verdroß:
„Fragmirnichtnach.“
Ich ſchritt hinan; im Hof ein Brünnlein ſcholl,
Durch den verwachsnen Thorweg drang ich ein,
Ein dünnes kühles Rieſeln überquoll
Auf einer Gruft den ſchwarz bemooſten Stein.
Ich beugte mich nach des Verſchollnen Spur,
Entziffernd, was des Steines Inſchrift ſprach,
Nicht Zahl, nicht Namen — ein Begehren nur:
Frag mir nicht nach!
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Zitationshilfe: | Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/112>, abgerufen am 03.03.2025. |