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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

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Die Grenzen des ökonomischen Tausches.
"zu wenig" des Tausches nicht den vollen ökonomischen Nutzen
gewährt, der sich aus der Ausbeutung eines vorliegenden Ver-
hältnisses erzielen lässt, ein "zu viel" desselben aber die gleiche
Wirkung, ja nicht selten sogar eine Verschlechterung der
ökonomischen Lage der beiden Tauschenden zur Folge hat, so
muss es eine Grenze geben, wo der volle ökonomische Nutzen,
der sich aus der Ausbeutung eines gegebenen Verhältnisses er-
zielen lässt, bereits erreicht ist und jeder weitere Austausch
von Theilquantitäten unökonomisch zu werden beginnt. Die Be-
stimmung dieser Grenze ist nun der Gegenstand der nachfolgenden
Untersuchung.

Zu diesem Zwecke wollen wir einen einfachen Fall zur
Darstellung bringen, an welchen wir das hier obwaltende Ver-
hältniss, ungestört durch nebensächliche Einflüsse, auf das sorg-
fältigste beobachten können.

Setzen wir den Fall, in einem Urwalde wohnten fern von
den übrigen wirthschaftenden Individuen zwei Blockhausbesitzer,
die mit einander im friedlichen Verkehre stünden und deren
Bedürfnisse ihrem Umfange und ihrer Intensität nach vollständig
gleich wären. Jeder derselben hätte zur Bearbeitung seiner Grund-
stücke mehrere Pferde nöthig, wovon eines ganz unumgänglich,
falls er für sich und die Seinen den nöthigen Lebensbedarf an
Nahrungsmitteln hervorbringen will, das andere um einen Ueber-
schuss über diese letztern, das ist solche Nahrungsmittel zu er-
zeugen, die ihm zur ausreichenden Ernährung seiner Person und
seiner Familie erforderlich sind. Um das ihm nöthige Bau- und
Brennholz aus dem Walde bis zum Blockhause zu schaffen, Steine,
Sand u. dgl. m. zuführen und endlich ein Grundstück zu be-
arbeiten, auf welchem er einige Genussmittel für sich und seine
Familie hervorbringt, kann jeder der beiden Landwirthe ein
drittes Pferd, ein viertes aber wohl noch zu Vergnügungszwecken
verwenden, ein fünftes Pferd hätte für jeden der Beiden nur
noch die Bedeutung, dass es ihnen als Reserve für den Fall
dienen würde, dass eines der übrigen Pferde leistungsunfähig
würde, ein sechstes Pferd aber wüsste keiner der beiden Block-
hausbesitzer in seiner Wirthschaft zu verwenden. Ferner
bedarf ein jeder der beiden Blockhausbesitzer, um seinen Bedarf
an Milch und Milchproducten zu decken, fünf Kühe und zwar

Die Grenzen des ökonomischen Tausches.
„zu wenig“ des Tausches nicht den vollen ökonomischen Nutzen
gewährt, der sich aus der Ausbeutung eines vorliegenden Ver-
hältnisses erzielen lässt, ein „zu viel“ desselben aber die gleiche
Wirkung, ja nicht selten sogar eine Verschlechterung der
ökonomischen Lage der beiden Tauschenden zur Folge hat, so
muss es eine Grenze geben, wo der volle ökonomische Nutzen,
der sich aus der Ausbeutung eines gegebenen Verhältnisses er-
zielen lässt, bereits erreicht ist und jeder weitere Austausch
von Theilquantitäten unökonomisch zu werden beginnt. Die Be-
stimmung dieser Grenze ist nun der Gegenstand der nachfolgenden
Untersuchung.

Zu diesem Zwecke wollen wir einen einfachen Fall zur
Darstellung bringen, an welchen wir das hier obwaltende Ver-
hältniss, ungestört durch nebensächliche Einflüsse, auf das sorg-
fältigste beobachten können.

Setzen wir den Fall, in einem Urwalde wohnten fern von
den übrigen wirthschaftenden Individuen zwei Blockhausbesitzer,
die mit einander im friedlichen Verkehre stünden und deren
Bedürfnisse ihrem Umfange und ihrer Intensität nach vollständig
gleich wären. Jeder derselben hätte zur Bearbeitung seiner Grund-
stücke mehrere Pferde nöthig, wovon eines ganz unumgänglich,
falls er für sich und die Seinen den nöthigen Lebensbedarf an
Nahrungsmitteln hervorbringen will, das andere um einen Ueber-
schuss über diese letztern, das ist solche Nahrungsmittel zu er-
zeugen, die ihm zur ausreichenden Ernährung seiner Person und
seiner Familie erforderlich sind. Um das ihm nöthige Bau- und
Brennholz aus dem Walde bis zum Blockhause zu schaffen, Steine,
Sand u. dgl. m. zuführen und endlich ein Grundstück zu be-
arbeiten, auf welchem er einige Genussmittel für sich und seine
Familie hervorbringt, kann jeder der beiden Landwirthe ein
drittes Pferd, ein viertes aber wohl noch zu Vergnügungszwecken
verwenden, ein fünftes Pferd hätte für jeden der Beiden nur
noch die Bedeutung, dass es ihnen als Reserve für den Fall
dienen würde, dass eines der übrigen Pferde leistungsunfähig
würde, ein sechstes Pferd aber wüsste keiner der beiden Block-
hausbesitzer in seiner Wirthschaft zu verwenden. Ferner
bedarf ein jeder der beiden Blockhausbesitzer, um seinen Bedarf
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[162/0180] Die Grenzen des ökonomischen Tausches. „zu wenig“ des Tausches nicht den vollen ökonomischen Nutzen gewährt, der sich aus der Ausbeutung eines vorliegenden Ver- hältnisses erzielen lässt, ein „zu viel“ desselben aber die gleiche Wirkung, ja nicht selten sogar eine Verschlechterung der ökonomischen Lage der beiden Tauschenden zur Folge hat, so muss es eine Grenze geben, wo der volle ökonomische Nutzen, der sich aus der Ausbeutung eines gegebenen Verhältnisses er- zielen lässt, bereits erreicht ist und jeder weitere Austausch von Theilquantitäten unökonomisch zu werden beginnt. Die Be- stimmung dieser Grenze ist nun der Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung. Zu diesem Zwecke wollen wir einen einfachen Fall zur Darstellung bringen, an welchen wir das hier obwaltende Ver- hältniss, ungestört durch nebensächliche Einflüsse, auf das sorg- fältigste beobachten können. Setzen wir den Fall, in einem Urwalde wohnten fern von den übrigen wirthschaftenden Individuen zwei Blockhausbesitzer, die mit einander im friedlichen Verkehre stünden und deren Bedürfnisse ihrem Umfange und ihrer Intensität nach vollständig gleich wären. Jeder derselben hätte zur Bearbeitung seiner Grund- stücke mehrere Pferde nöthig, wovon eines ganz unumgänglich, falls er für sich und die Seinen den nöthigen Lebensbedarf an Nahrungsmitteln hervorbringen will, das andere um einen Ueber- schuss über diese letztern, das ist solche Nahrungsmittel zu er- zeugen, die ihm zur ausreichenden Ernährung seiner Person und seiner Familie erforderlich sind. Um das ihm nöthige Bau- und Brennholz aus dem Walde bis zum Blockhause zu schaffen, Steine, Sand u. dgl. m. zuführen und endlich ein Grundstück zu be- arbeiten, auf welchem er einige Genussmittel für sich und seine Familie hervorbringt, kann jeder der beiden Landwirthe ein drittes Pferd, ein viertes aber wohl noch zu Vergnügungszwecken verwenden, ein fünftes Pferd hätte für jeden der Beiden nur noch die Bedeutung, dass es ihnen als Reserve für den Fall dienen würde, dass eines der übrigen Pferde leistungsunfähig würde, ein sechstes Pferd aber wüsste keiner der beiden Block- hausbesitzer in seiner Wirthschaft zu verwenden. Ferner bedarf ein jeder der beiden Blockhausbesitzer, um seinen Bedarf an Milch und Milchproducten zu decken, fünf Kühe und zwar

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/180>, abgerufen am 27.04.2024.