Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite
Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.

Setzen wir nun aber den Fall, die Bewohner des Schiffes ver-
fügten ausser den obigen zehn Pfund Schiffszwieback noch über
je fünf weitere Pfunde dieses Nahrungsmittels. In diesem Falle
würde das Leben dieser Personen nicht mehr von der Verfügung
über ein einzelnes Pfund hievon abhängen, denn ein solches
könnte ihrer Verfügung entrückt, oder aber von ihnen auch
gegen andere Güter, als Nahrungsmittel, veräussert werden,
ohne dass dadurch ihr Leben gefährdet werden möchte. Würde
nun aber unter solchen Verhältnissen auch nicht ihr Leben von
der Verfügung über ein Pfund dieses Nahrungsmittels abhängen,
so würde doch diese Quantität für sie nicht nur ein Mittel
gegen viele Schmerzen, sondern auch ein solches zur Erhaltung
ihrer Gesundheit sein, da eine durch zwanzig Tage fortgesetzte,
so ausserordentlich karge Ernährung, wie sie bei allen Jenen
statt fände, die nur über zehn Pfund verfügen könnten, jeden-
falls einen verderblichen Einfluss auf ihr Wohlbefinden haben
müsste, und ein einzelnes Pfund Zwieback hätte unter solchen
Verhältnissen für sie zwar nicht mehr die Bedeutung der Er-
haltung ihres Lebens, wohl aber immer noch diejenige Be-
deutung, welche jeder Einzelne derselben der Bewahrung seiner
Gesundheit, beziehungsweise seines Wohlbefindens, so weit es
von dieser Quantität abhängt, beilegen würde.

Setzen wir nun endlich den Fall, der Restaurant des Schiffes,
von dem hier die Rede ist, verlöre alle seine Vorräthe an
Nahrungsmitteln und die Reisenden wären gleichfalls ohne alle
eigenen Vorräthe an solchen, das Schiff wäre aber mit einigen
tausend Centnern Zwieback beladen und der Capitän des Schiffes
würde mit Rücksicht auf die peinliche Lage, in welcher sich die
Schiffsbewohner in Folge dieses Ereignisses befänden, Jedermann
freistellen, sich nach Belieben mit Zwieback zu ernähren. Die
Reisenden würden selbstverständlich zum Zwieback greifen, um
damit ihren Hunger zu stillen; Niemand wird aber daran
zweifeln, dass in solch einem Falle wohl ein Stück geniessbares
Fleisch für jeden der Reisenden, die durch zwanzig Tage
auf blosse Zwiebackkost gesetzt wären, einen ziemlich grossen
Werth, ein Pfund Zwieback jedoch nur einen ausserordentlich
geringen, wohl auch gar keinen Werth haben würde.

Was ist nun der Grund davon, dass im ersten Falle die

Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.

Setzen wir nun aber den Fall, die Bewohner des Schiffes ver-
fügten ausser den obigen zehn Pfund Schiffszwieback noch über
je fünf weitere Pfunde dieses Nahrungsmittels. In diesem Falle
würde das Leben dieser Personen nicht mehr von der Verfügung
über ein einzelnes Pfund hievon abhängen, denn ein solches
könnte ihrer Verfügung entrückt, oder aber von ihnen auch
gegen andere Güter, als Nahrungsmittel, veräussert werden,
ohne dass dadurch ihr Leben gefährdet werden möchte. Würde
nun aber unter solchen Verhältnissen auch nicht ihr Leben von
der Verfügung über ein Pfund dieses Nahrungsmittels abhängen,
so würde doch diese Quantität für sie nicht nur ein Mittel
gegen viele Schmerzen, sondern auch ein solches zur Erhaltung
ihrer Gesundheit sein, da eine durch zwanzig Tage fortgesetzte,
so ausserordentlich karge Ernährung, wie sie bei allen Jenen
statt fände, die nur über zehn Pfund verfügen könnten, jeden-
falls einen verderblichen Einfluss auf ihr Wohlbefinden haben
müsste, und ein einzelnes Pfund Zwieback hätte unter solchen
Verhältnissen für sie zwar nicht mehr die Bedeutung der Er-
haltung ihres Lebens, wohl aber immer noch diejenige Be-
deutung, welche jeder Einzelne derselben der Bewahrung seiner
Gesundheit, beziehungsweise seines Wohlbefindens, so weit es
von dieser Quantität abhängt, beilegen würde.

Setzen wir nun endlich den Fall, der Restaurant des Schiffes,
von dem hier die Rede ist, verlöre alle seine Vorräthe an
Nahrungsmitteln und die Reisenden wären gleichfalls ohne alle
eigenen Vorräthe an solchen, das Schiff wäre aber mit einigen
tausend Centnern Zwieback beladen und der Capitän des Schiffes
würde mit Rücksicht auf die peinliche Lage, in welcher sich die
Schiffsbewohner in Folge dieses Ereignisses befänden, Jedermann
freistellen, sich nach Belieben mit Zwieback zu ernähren. Die
Reisenden würden selbstverständlich zum Zwieback greifen, um
damit ihren Hunger zu stillen; Niemand wird aber daran
zweifeln, dass in solch einem Falle wohl ein Stück geniessbares
Fleisch für jeden der Reisenden, die durch zwanzig Tage
auf blosse Zwiebackkost gesetzt wären, einen ziemlich grossen
Werth, ein Pfund Zwieback jedoch nur einen ausserordentlich
geringen, wohl auch gar keinen Werth haben würde.

Was ist nun der Grund davon, dass im ersten Falle die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0123" n="105"/>
            <fw place="top" type="header">Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.</fw><lb/>
            <p>Setzen wir nun aber den Fall, die Bewohner des Schiffes ver-<lb/>
fügten ausser den obigen zehn Pfund Schiffszwieback noch über<lb/>
je fünf weitere Pfunde dieses Nahrungsmittels. In diesem Falle<lb/>
würde das Leben dieser Personen nicht mehr von der Verfügung<lb/>
über ein einzelnes Pfund hievon abhängen, denn ein solches<lb/>
könnte ihrer Verfügung entrückt, oder aber von ihnen auch<lb/>
gegen andere Güter, als Nahrungsmittel, veräussert werden,<lb/>
ohne dass dadurch ihr Leben gefährdet werden möchte. Würde<lb/>
nun aber unter solchen Verhältnissen auch nicht ihr Leben von<lb/>
der Verfügung über ein Pfund dieses Nahrungsmittels abhängen,<lb/>
so würde doch diese Quantität für sie nicht nur ein Mittel<lb/>
gegen viele Schmerzen, sondern auch ein solches zur Erhaltung<lb/>
ihrer Gesundheit sein, da eine durch zwanzig Tage fortgesetzte,<lb/>
so ausserordentlich karge Ernährung, wie sie bei allen Jenen<lb/>
statt fände, die nur über zehn Pfund verfügen könnten, jeden-<lb/>
falls einen verderblichen Einfluss auf ihr Wohlbefinden haben<lb/>
müsste, und ein einzelnes Pfund Zwieback hätte unter solchen<lb/>
Verhältnissen für sie zwar nicht mehr die Bedeutung der Er-<lb/>
haltung ihres Lebens, wohl aber immer noch diejenige Be-<lb/>
deutung, welche jeder Einzelne derselben der Bewahrung seiner<lb/>
Gesundheit, beziehungsweise seines Wohlbefindens, so weit es<lb/>
von dieser Quantität abhängt, beilegen würde.</p><lb/>
            <p>Setzen wir nun endlich den Fall, der Restaurant des Schiffes,<lb/>
von dem hier die Rede ist, verlöre alle seine Vorräthe an<lb/>
Nahrungsmitteln und die Reisenden wären gleichfalls ohne alle<lb/>
eigenen Vorräthe an solchen, das Schiff wäre aber mit einigen<lb/>
tausend Centnern Zwieback beladen und der Capitän des Schiffes<lb/>
würde mit Rücksicht auf die peinliche Lage, in welcher sich die<lb/>
Schiffsbewohner in Folge dieses Ereignisses befänden, Jedermann<lb/>
freistellen, sich nach Belieben mit Zwieback zu ernähren. Die<lb/>
Reisenden würden selbstverständlich zum Zwieback greifen, um<lb/>
damit ihren Hunger zu stillen; Niemand wird aber daran<lb/>
zweifeln, dass in solch einem Falle wohl ein Stück geniessbares<lb/>
Fleisch für jeden der Reisenden, die durch zwanzig Tage<lb/>
auf blosse Zwiebackkost gesetzt wären, einen ziemlich grossen<lb/>
Werth, ein Pfund Zwieback jedoch nur einen ausserordentlich<lb/>
geringen, wohl auch gar keinen Werth haben würde.</p><lb/>
            <p>Was ist nun der Grund davon, dass im ersten Falle die<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[105/0123] Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes. Setzen wir nun aber den Fall, die Bewohner des Schiffes ver- fügten ausser den obigen zehn Pfund Schiffszwieback noch über je fünf weitere Pfunde dieses Nahrungsmittels. In diesem Falle würde das Leben dieser Personen nicht mehr von der Verfügung über ein einzelnes Pfund hievon abhängen, denn ein solches könnte ihrer Verfügung entrückt, oder aber von ihnen auch gegen andere Güter, als Nahrungsmittel, veräussert werden, ohne dass dadurch ihr Leben gefährdet werden möchte. Würde nun aber unter solchen Verhältnissen auch nicht ihr Leben von der Verfügung über ein Pfund dieses Nahrungsmittels abhängen, so würde doch diese Quantität für sie nicht nur ein Mittel gegen viele Schmerzen, sondern auch ein solches zur Erhaltung ihrer Gesundheit sein, da eine durch zwanzig Tage fortgesetzte, so ausserordentlich karge Ernährung, wie sie bei allen Jenen statt fände, die nur über zehn Pfund verfügen könnten, jeden- falls einen verderblichen Einfluss auf ihr Wohlbefinden haben müsste, und ein einzelnes Pfund Zwieback hätte unter solchen Verhältnissen für sie zwar nicht mehr die Bedeutung der Er- haltung ihres Lebens, wohl aber immer noch diejenige Be- deutung, welche jeder Einzelne derselben der Bewahrung seiner Gesundheit, beziehungsweise seines Wohlbefindens, so weit es von dieser Quantität abhängt, beilegen würde. Setzen wir nun endlich den Fall, der Restaurant des Schiffes, von dem hier die Rede ist, verlöre alle seine Vorräthe an Nahrungsmitteln und die Reisenden wären gleichfalls ohne alle eigenen Vorräthe an solchen, das Schiff wäre aber mit einigen tausend Centnern Zwieback beladen und der Capitän des Schiffes würde mit Rücksicht auf die peinliche Lage, in welcher sich die Schiffsbewohner in Folge dieses Ereignisses befänden, Jedermann freistellen, sich nach Belieben mit Zwieback zu ernähren. Die Reisenden würden selbstverständlich zum Zwieback greifen, um damit ihren Hunger zu stillen; Niemand wird aber daran zweifeln, dass in solch einem Falle wohl ein Stück geniessbares Fleisch für jeden der Reisenden, die durch zwanzig Tage auf blosse Zwiebackkost gesetzt wären, einen ziemlich grossen Werth, ein Pfund Zwieback jedoch nur einen ausserordentlich geringen, wohl auch gar keinen Werth haben würde. Was ist nun der Grund davon, dass im ersten Falle die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/123
Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/123>, abgerufen am 26.04.2024.