"Ob der Hang der Menschen, zu tauschen, zu handeln und eine Sache gegen eine andere hinzugeben, einer von den ursprüng- lichen Principien der menschlichen Natur ist, oder ob die noth- wendige Folge der Vernunft und des Sprachvermögens der Menschen," oder welche Ursachen sonst die Menschen zum Aus- tausche ihrer Güter führen, diese Frage hat Adam Smith un- beantwortet gelassen. Sicher sei nur so viel, bemerkt der aus- gezeichnete Denker, dass die Lust am Tausche allen Menschen gemein ist und bei keiner Thiergattung sich vorfindet *).
Setzen wir nun, um zunächst das obige Problem vollkommen klar zu stellen, den Fall, zwei benachbarte Landleute hätten nach einer günstigen Ernte einen grossen Ueberfluss an Gerste der- selben Art, und es würde dem thatsächlichen Austausche von Quantitäten derselben kein Hinderniss entgegenstehen. In diesem Falle könnten die beiden Landleute sich der Lust am Tausche in unbeschränkter Weise hingeben und z. B. je 100 Metzen ihrer Gerste, oder sonst beliebige Quantitäten dieses Gutes gegen- einander austauschen und wieder austauschen. Obzwar nun aber nicht abzusehen ist, warum sie nicht auch in diesem Falle tauschen sollten, wofern der Austausch von Gütern an und für sich für die Tauschenden mit einer Lust verbunden wäre, so ist, wie ich glaube, doch nichts sicherer, als dass dieselben in dem obigen Falle sich jedes Austausches enthalten, und falls sie nichtsdestoweniger einen solchen Tausch vornehmen würden, in die Gefahr kämen, von den übrigen wirthschaftenden Individuen, um solcher Lust am Tausche willen, geradezu für unsinnig er- klärt zu werden.
*) Wealth o. N. B. I, Ch. 2, Basil 1801, S. 20.
Viertes Capitel. Die Lehre vom Tausche.
§. 1. Die Grundlagen des ökonomischen Tausches.
„Ob der Hang der Menschen, zu tauschen, zu handeln und eine Sache gegen eine andere hinzugeben, einer von den ursprüng- lichen Principien der menschlichen Natur ist, oder ob die noth- wendige Folge der Vernunft und des Sprachvermögens der Menschen,“ oder welche Ursachen sonst die Menschen zum Aus- tausche ihrer Güter führen, diese Frage hat Adam Smith un- beantwortet gelassen. Sicher sei nur so viel, bemerkt der aus- gezeichnete Denker, dass die Lust am Tausche allen Menschen gemein ist und bei keiner Thiergattung sich vorfindet *).
Setzen wir nun, um zunächst das obige Problem vollkommen klar zu stellen, den Fall, zwei benachbarte Landleute hätten nach einer günstigen Ernte einen grossen Ueberfluss an Gerste der- selben Art, und es würde dem thatsächlichen Austausche von Quantitäten derselben kein Hinderniss entgegenstehen. In diesem Falle könnten die beiden Landleute sich der Lust am Tausche in unbeschränkter Weise hingeben und z. B. je 100 Metzen ihrer Gerste, oder sonst beliebige Quantitäten dieses Gutes gegen- einander austauschen und wieder austauschen. Obzwar nun aber nicht abzusehen ist, warum sie nicht auch in diesem Falle tauschen sollten, wofern der Austausch von Gütern an und für sich für die Tauschenden mit einer Lust verbunden wäre, so ist, wie ich glaube, doch nichts sicherer, als dass dieselben in dem obigen Falle sich jedes Austausches enthalten, und falls sie nichtsdestoweniger einen solchen Tausch vornehmen würden, in die Gefahr kämen, von den übrigen wirthschaftenden Individuen, um solcher Lust am Tausche willen, geradezu für unsinnig er- klärt zu werden.
*) Wealth o. N. B. I, Ch. 2, Basil 1801, S. 20.
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Die Grundlagen des ökonomischen Tausches.
„Ob der Hang der Menschen, zu tauschen, zu handeln und
eine Sache gegen eine andere hinzugeben, einer von den ursprüng-
lichen Principien der menschlichen Natur ist, oder ob die noth-
wendige Folge der Vernunft und des Sprachvermögens der
Menschen,“ oder welche Ursachen sonst die Menschen zum Aus-
tausche ihrer Güter führen, diese Frage hat Adam Smith un-
beantwortet gelassen. Sicher sei nur so viel, bemerkt der aus-
gezeichnete Denker, dass die Lust am Tausche allen Menschen
gemein ist und bei keiner Thiergattung sich vorfindet *).
Setzen wir nun, um zunächst das obige Problem vollkommen
klar zu stellen, den Fall, zwei benachbarte Landleute hätten nach
einer günstigen Ernte einen grossen Ueberfluss an Gerste der-
selben Art, und es würde dem thatsächlichen Austausche von
Quantitäten derselben kein Hinderniss entgegenstehen. In diesem
Falle könnten die beiden Landleute sich der Lust am Tausche
in unbeschränkter Weise hingeben und z. B. je 100 Metzen ihrer
Gerste, oder sonst beliebige Quantitäten dieses Gutes gegen-
einander austauschen und wieder austauschen. Obzwar nun
aber nicht abzusehen ist, warum sie nicht auch in diesem Falle
tauschen sollten, wofern der Austausch von Gütern an und für
sich für die Tauschenden mit einer Lust verbunden wäre, so ist,
wie ich glaube, doch nichts sicherer, als dass dieselben in dem
obigen Falle sich jedes Austausches enthalten, und falls sie
nichtsdestoweniger einen solchen Tausch vornehmen würden, in
die Gefahr kämen, von den übrigen wirthschaftenden Individuen,
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*) Wealth o. N. B. I, Ch. 2, Basil 1801, S. 20.
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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. [153]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/171>, abgerufen am 30.07.2024.
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