Wenn unsere Zeit den Fortschritten auf dem Gebiete der Naturwissenschaften eine so allgemeine und freudige Anerkennung entgegenbringt, während unsere Wissen- schaft eben in jenen Lebenskreisen, welchen sie die Grundlage practischer Thätigkeit sein sollte, so wenig beachtet und ihr Werth so sehr in Frage gestellt wird, so kann der Grund hievon keinem Unbefangenen zweifel- haft erscheinen. Nie hat es ein Zeitalter gegeben, welches die wirthschaftlichen Interessen höher stellte, als das unsere, niemals war das Bedürfniss nach einer wissen- schaftlichen Grundlage des wirthschaftlichen Handelns ein allgemeineres und tiefer gefühltes, niemals auch die Fähigkeit der Practiker auf allen Gebieten menschlichen Schaffens, die Errungenschaften der Wissenschaft sich nutzbar zu machen, grösser, als in unseren Tagen. Nicht die Folge des Leichtsinnes oder der Unfähigkeit der Prac- tiker kann es demnach sein, wenn dieselben, unbekümmert um die bisherigen Entwickelungen unserer Wissenschaft, bei ihrer wirthschaftlichen Thätigkeit lediglich die eigenen Lebenserfahrungen zu Rathe ziehen, nicht die Folge eines hochmüthigen Zurückweisens der tieferen Einsicht, welche die wahre Wissenschaft dem Practiker über die den Erfolg seiner Thätigkeit bestimmenden Thatsachen und
Menger, Volkswirthschaftslehre. 1
Vorrede.
Wenn unsere Zeit den Fortschritten auf dem Gebiete der Naturwissenschaften eine so allgemeine und freudige Anerkennung entgegenbringt, während unsere Wissen- schaft eben in jenen Lebenskreisen, welchen sie die Grundlage practischer Thätigkeit sein sollte, so wenig beachtet und ihr Werth so sehr in Frage gestellt wird, so kann der Grund hievon keinem Unbefangenen zweifel- haft erscheinen. Nie hat es ein Zeitalter gegeben, welches die wirthschaftlichen Interessen höher stellte, als das unsere, niemals war das Bedürfniss nach einer wissen- schaftlichen Grundlage des wirthschaftlichen Handelns ein allgemeineres und tiefer gefühltes, niemals auch die Fähigkeit der Practiker auf allen Gebieten menschlichen Schaffens, die Errungenschaften der Wissenschaft sich nutzbar zu machen, grösser, als in unseren Tagen. Nicht die Folge des Leichtsinnes oder der Unfähigkeit der Prac- tiker kann es demnach sein, wenn dieselben, unbekümmert um die bisherigen Entwickelungen unserer Wissenschaft, bei ihrer wirthschaftlichen Thätigkeit lediglich die eigenen Lebenserfahrungen zu Rathe ziehen, nicht die Folge eines hochmüthigen Zurückweisens der tieferen Einsicht, welche die wahre Wissenschaft dem Practiker über die den Erfolg seiner Thätigkeit bestimmenden Thatsachen und
Menger, Volkswirthschaftslehre. 1
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[[V]/0011]
Vorrede.
Wenn unsere Zeit den Fortschritten auf dem Gebiete
der Naturwissenschaften eine so allgemeine und freudige
Anerkennung entgegenbringt, während unsere Wissen-
schaft eben in jenen Lebenskreisen, welchen sie die
Grundlage practischer Thätigkeit sein sollte, so wenig
beachtet und ihr Werth so sehr in Frage gestellt wird,
so kann der Grund hievon keinem Unbefangenen zweifel-
haft erscheinen. Nie hat es ein Zeitalter gegeben, welches
die wirthschaftlichen Interessen höher stellte, als das
unsere, niemals war das Bedürfniss nach einer wissen-
schaftlichen Grundlage des wirthschaftlichen Handelns
ein allgemeineres und tiefer gefühltes, niemals auch die
Fähigkeit der Practiker auf allen Gebieten menschlichen
Schaffens, die Errungenschaften der Wissenschaft sich
nutzbar zu machen, grösser, als in unseren Tagen. Nicht
die Folge des Leichtsinnes oder der Unfähigkeit der Prac-
tiker kann es demnach sein, wenn dieselben, unbekümmert
um die bisherigen Entwickelungen unserer Wissenschaft,
bei ihrer wirthschaftlichen Thätigkeit lediglich die eigenen
Lebenserfahrungen zu Rathe ziehen, nicht die Folge eines
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die wahre Wissenschaft dem Practiker über die den
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Menger, Volkswirthschaftslehre. 1
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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. [V]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/11>, abgerufen am 22.12.2024.
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