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Menger, Carl: Die Irrthümer des Historismus in der deutschen Nationalökonomie. Wien, 1884.

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behandeln. Was ich hier beabsichtige, ist, den An-
griffen zu begegnen, welche meine "Untersuchungen"
Seitens einiger namhafter Vertreter der historischen
Schule deutscher Volkswirthe gefunden haben. Nur
die letzten Ergebnisse meiner Forschung, und selbst
diese nur insoweit, als sie Gegenstand der wissen-
schaftlichen Discussion geworden sind, mögen hier, in
wenige Worte zusammengefasst, ihre Stelle finden.

Es sind die Thaten, Schicksale, Institutionen be-
stimmter Staaten und Völker, welche der Geschichts-
schreiber
und Statistiker, der erstere unter dem
Gesichtspunkte der Entwickelung, der letztere unter
jenem der Zuständlichkeit zu erforschen und darzustellen
haben; der Theoretiker auf dem Gebiete der Staats-
und Socialerscheinungen hat dagegen die Aufgabe, uns
-- nicht die concreten Erscheinungen und die concreten
Entwickelungen, sondern -- die "Erscheinungsformen"
und die "Gesetze" der bezüglichen Menscheitsphäno-
mene zum Bewusstsein zu bringen; der Forscher auf
dem Gebiete der praktischen Staats- und Social-
wissenschaften aber soll uns die "Grundsätze" zum
zweckmässigen Eingreifen in die staatlichen und gesell-
schaftlichen Zustände lehren, die Grundsätze, nach
welchen gewisse Absichten, z. B. die Pflege der Volks-
wirthschaft, die Verwaltung des Staatshaushaltes u. s. f.
am zweckmässigsten verwirklicht werden können.

In diesem Sinne sagte ich, dass der Geschichts-
schreiber und Statistiker
die concreten Er-
scheinungen des Menschenlebens und ihre concreten
Beziehungen in Raum und Zeit (der erstere unter dem
Gesichtspunkte der Entwickelung, der letztere unter
jenem der Zuständlichkeit!), der Theoretiker die
Erscheinungsformen des Menschenlebens und die Ge-
setze der Erscheinungen des letzteren (die Typen und

Menger, Die Irrthümer des Historismus. 2

behandeln. Was ich hier beabsichtige, ist, den An-
griffen zu begegnen, welche meine „Untersuchungen“
Seitens einiger namhafter Vertreter der historischen
Schule deutscher Volkswirthe gefunden haben. Nur
die letzten Ergebnisse meiner Forschung, und selbst
diese nur insoweit, als sie Gegenstand der wissen-
schaftlichen Discussion geworden sind, mögen hier, in
wenige Worte zusammengefasst, ihre Stelle finden.

Es sind die Thaten, Schicksale, Institutionen be-
stimmter Staaten und Völker, welche der Geschichts-
schreiber
und Statistiker, der erstere unter dem
Gesichtspunkte der Entwickelung, der letztere unter
jenem der Zuständlichkeit zu erforschen und darzustellen
haben; der Theoretiker auf dem Gebiete der Staats-
und Socialerscheinungen hat dagegen die Aufgabe, uns
— nicht die concreten Erscheinungen und die concreten
Entwickelungen, sondern — die „Erscheinungsformen“
und die „Gesetze“ der bezüglichen Menscheitsphäno-
mene zum Bewusstsein zu bringen; der Forscher auf
dem Gebiete der praktischen Staats- und Social-
wissenschaften aber soll uns die „Grundsätze“ zum
zweckmässigen Eingreifen in die staatlichen und gesell-
schaftlichen Zustände lehren, die Grundsätze, nach
welchen gewisse Absichten, z. B. die Pflege der Volks-
wirthschaft, die Verwaltung des Staatshaushaltes u. s. f.
am zweckmässigsten verwirklicht werden können.

In diesem Sinne sagte ich, dass der Geschichts-
schreiber und Statistiker
die concreten Er-
scheinungen des Menschenlebens und ihre concreten
Beziehungen in Raum und Zeit (der erstere unter dem
Gesichtspunkte der Entwickelung, der letztere unter
jenem der Zuständlichkeit!), der Theoretiker die
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Menger, Die Irrthümer des Historismus. 2
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[17/0033] behandeln. Was ich hier beabsichtige, ist, den An- griffen zu begegnen, welche meine „Untersuchungen“ Seitens einiger namhafter Vertreter der historischen Schule deutscher Volkswirthe gefunden haben. Nur die letzten Ergebnisse meiner Forschung, und selbst diese nur insoweit, als sie Gegenstand der wissen- schaftlichen Discussion geworden sind, mögen hier, in wenige Worte zusammengefasst, ihre Stelle finden. Es sind die Thaten, Schicksale, Institutionen be- stimmter Staaten und Völker, welche der Geschichts- schreiber und Statistiker, der erstere unter dem Gesichtspunkte der Entwickelung, der letztere unter jenem der Zuständlichkeit zu erforschen und darzustellen haben; der Theoretiker auf dem Gebiete der Staats- und Socialerscheinungen hat dagegen die Aufgabe, uns — nicht die concreten Erscheinungen und die concreten Entwickelungen, sondern — die „Erscheinungsformen“ und die „Gesetze“ der bezüglichen Menscheitsphäno- mene zum Bewusstsein zu bringen; der Forscher auf dem Gebiete der praktischen Staats- und Social- wissenschaften aber soll uns die „Grundsätze“ zum zweckmässigen Eingreifen in die staatlichen und gesell- schaftlichen Zustände lehren, die Grundsätze, nach welchen gewisse Absichten, z. B. die Pflege der Volks- wirthschaft, die Verwaltung des Staatshaushaltes u. s. f. am zweckmässigsten verwirklicht werden können. In diesem Sinne sagte ich, dass der Geschichts- schreiber und Statistiker die concreten Er- scheinungen des Menschenlebens und ihre concreten Beziehungen in Raum und Zeit (der erstere unter dem Gesichtspunkte der Entwickelung, der letztere unter jenem der Zuständlichkeit!), der Theoretiker die Erscheinungsformen des Menschenlebens und die Ge- setze der Erscheinungen des letzteren (die Typen und Menger, Die Irrthümer des Historismus. 2

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Die Irrthümer des Historismus in der deutschen Nationalökonomie. Wien, 1884, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_historismus_1884/33>, abgerufen am 26.04.2024.