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Mendel, Gregor: Versuche über Pflanzen-Hybriden. In: Verhandlungen des Naturforschenden Vereines in Brünn 4 (1866), S. 3-47.

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2n die Zahl der Verbindungen, welche constant bleiben. So enthält z. B.
die Reihe, wenn die Stammarten in 4 Merkmalen verschieden sind,
34 = 81 Glieder, 44 = 256 Individuen und 24 = 16 constante Formen;
oder was dasselbe ist, unter je 256 Nachkommen der Hybriden gibt es
81 verschiedene Verbindungen, von denen 16 constant sind.

Alle constanten Verbindungen, welche bei Pisum durch Combini-
rung der angeführten 7 characteristischen Merkmale möglich sind, wur-
den durch wiederholte Kreuzung auch wirklich erhalten. Ihre Zahl ist
durch 27 = 128 gegeben. Damit ist zugleich der factische Beweis ge-
liefert, dass constante Merkmale, welche an verschiedenen
Formen einer Pflanzensippe vorkommen, auf dem Wege
der wiederholten künstlichen Befruchtung in alle Verbin-
dungen treten können, welche nach den Regeln der Com-
bination möglich sind
.

Ueber die Blüthezeit der Hybriden sind die Versuche noch nicht
abgeschlossen. So viel kann indessen schon angegeben werden, dass
dieselbe fast genau in der Mitte zwischen jener der Samen- und Pol-
lenpflanze steht, und die Entwicklung der Hybriden bezüglich dieses
Merkmales wahrscheinlich in der nämlichen Weise erfolgt, wie es für
die übrigen Merkmale der Fall ist. Die Formen, welche für Versuche
dieser Art gewählt werden, müssen in der mittleren Blüthezeit wenig-
stens um 20 Tage verschieden sein; ferner ist nothwendig, dass die
Samen beim Anbaue alle gleich tief in die Erde versenkt werden, um
ein gleichzeitiges Keimen zu erzielen, dass ferner während der ganzen
Blüthezeit grössere Schwankungen in der Temperatur und die dadurch
bewirkte theilweise Beschleunigung oder Verzögerung des Aufblühens
in Rechnung gezogen werden. Man sieht, dass dieser Versuch mancher-
lei Schwierigkeiten zu überwinden hat und grosse Aufmerksamkeit er-
fordert.

Versuchen wir die gewonnenen Resultate kurz zusammenzufassen,
so finden wir, dass jene differirenden Merkmale, welche an den Ver-
suchspflanzen eine leichte und sichere Unterscheidung zulassen, in hy-
brider Vereinigung ein völlig übereinstimmendes Verhalten
beobachten
. Die Nachkommen der Hybriden je zweier differirender
Merkmale sind zur Hälfte wieder Hybriden, während die andere Hälfte
zu gleichen Theilen mit dem Character der Samen- und Pollenpflanze
constant wird. Sind mehrere differirende Merkmale durch Befruchtung

2n die Zahl der Verbindungen, welche constant bleiben. So enthält z. B.
die Reihe, wenn die Stammarten in 4 Merkmalen verschieden sind,
34 = 81 Glieder, 44 = 256 Individuen und 24 = 16 constante Formen;
oder was dasselbe ist, unter je 256 Nachkommen der Hybriden gibt es
81 verschiedene Verbindungen, von denen 16 constant sind.

Alle constanten Verbindungen, welche bei Pisum durch Combini-
rung der angeführten 7 characteristischen Merkmale möglich sind, wur-
den durch wiederholte Kreuzung auch wirklich erhalten. Ihre Zahl ist
durch 27 = 128 gegeben. Damit ist zugleich der factische Beweis ge-
liefert, dass constante Merkmale, welche an verschiedenen
Formen einer Pflanzensippe vorkommen, auf dem Wege
der wiederholten künstlichen Befruchtung in alle Verbin-
dungen treten können, welche nach den Regeln der Com-
bination möglich sind
.

Ueber die Blüthezeit der Hybriden sind die Versuche noch nicht
abgeschlossen. So viel kann indessen schon angegeben werden, dass
dieselbe fast genau in der Mitte zwischen jener der Samen- und Pol-
lenpflanze steht, und die Entwicklung der Hybriden bezüglich dieses
Merkmales wahrscheinlich in der nämlichen Weise erfolgt, wie es für
die übrigen Merkmale der Fall ist. Die Formen, welche für Versuche
dieser Art gewählt werden, müssen in der mittleren Blüthezeit wenig-
stens um 20 Tage verschieden sein; ferner ist nothwendig, dass die
Samen beim Anbaue alle gleich tief in die Erde versenkt werden, um
ein gleichzeitiges Keimen zu erzielen, dass ferner während der ganzen
Blüthezeit grössere Schwankungen in der Temperatur und die dadurch
bewirkte theilweise Beschleunigung oder Verzögerung des Aufblühens
in Rechnung gezogen werden. Man sieht, dass dieser Versuch mancher-
lei Schwierigkeiten zu überwinden hat und grosse Aufmerksamkeit er-
fordert.

Versuchen wir die gewonnenen Resultate kurz zusammenzufassen,
so finden wir, dass jene differirenden Merkmale, welche an den Ver-
suchspflanzen eine leichte und sichere Unterscheidung zulassen, in hy-
brider Vereinigung ein völlig übereinstimmendes Verhalten
beobachten
. Die Nachkommen der Hybriden je zweier differirender
Merkmale sind zur Hälfte wieder Hybriden, während die andere Hälfte
zu gleichen Theilen mit dem Character der Samen- und Pollenpflanze
constant wird. Sind mehrere differirende Merkmale durch Befruchtung

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[23/0034] 2n die Zahl der Verbindungen, welche constant bleiben. So enthält z. B. die Reihe, wenn die Stammarten in 4 Merkmalen verschieden sind, 34 = 81 Glieder, 44 = 256 Individuen und 24 = 16 constante Formen; oder was dasselbe ist, unter je 256 Nachkommen der Hybriden gibt es 81 verschiedene Verbindungen, von denen 16 constant sind. Alle constanten Verbindungen, welche bei Pisum durch Combini- rung der angeführten 7 characteristischen Merkmale möglich sind, wur- den durch wiederholte Kreuzung auch wirklich erhalten. Ihre Zahl ist durch 27 = 128 gegeben. Damit ist zugleich der factische Beweis ge- liefert, dass constante Merkmale, welche an verschiedenen Formen einer Pflanzensippe vorkommen, auf dem Wege der wiederholten künstlichen Befruchtung in alle Verbin- dungen treten können, welche nach den Regeln der Com- bination möglich sind. Ueber die Blüthezeit der Hybriden sind die Versuche noch nicht abgeschlossen. So viel kann indessen schon angegeben werden, dass dieselbe fast genau in der Mitte zwischen jener der Samen- und Pol- lenpflanze steht, und die Entwicklung der Hybriden bezüglich dieses Merkmales wahrscheinlich in der nämlichen Weise erfolgt, wie es für die übrigen Merkmale der Fall ist. Die Formen, welche für Versuche dieser Art gewählt werden, müssen in der mittleren Blüthezeit wenig- stens um 20 Tage verschieden sein; ferner ist nothwendig, dass die Samen beim Anbaue alle gleich tief in die Erde versenkt werden, um ein gleichzeitiges Keimen zu erzielen, dass ferner während der ganzen Blüthezeit grössere Schwankungen in der Temperatur und die dadurch bewirkte theilweise Beschleunigung oder Verzögerung des Aufblühens in Rechnung gezogen werden. Man sieht, dass dieser Versuch mancher- lei Schwierigkeiten zu überwinden hat und grosse Aufmerksamkeit er- fordert. Versuchen wir die gewonnenen Resultate kurz zusammenzufassen, so finden wir, dass jene differirenden Merkmale, welche an den Ver- suchspflanzen eine leichte und sichere Unterscheidung zulassen, in hy- brider Vereinigung ein völlig übereinstimmendes Verhalten beobachten. Die Nachkommen der Hybriden je zweier differirender Merkmale sind zur Hälfte wieder Hybriden, während die andere Hälfte zu gleichen Theilen mit dem Character der Samen- und Pollenpflanze constant wird. Sind mehrere differirende Merkmale durch Befruchtung

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Zitationshilfe: Mendel, Gregor: Versuche über Pflanzen-Hybriden. In: Verhandlungen des Naturforschenden Vereines in Brünn 4 (1866), S. 3-47, hier S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendel_pflanzenhybriden_1866/34>, abgerufen am 26.04.2024.