Wie der Teufel in meiner Gegenwärtigkeit die alte Lise Rolken hohlet.
Als ich mich nach meiner obgedachten Unmacht wiederumb verhohlet, stand den Krüger sein Weib über mir mit meiner alten Magd und kelleten mir eine Biersuppen ein. Die alte getreue Person schriee laut auf für Freuden, als ich meine Augen wieder aufschlug, und erzählete mir darauf auf meine Erkundigunge, daß mein Töchterlein sich nit hätte recken lassen, besondern freiwillig ihre Uebelthat bekennet, und sich für eine Hexe ausgegeben. Solche Kundschaft war mir in meinem Jammer fast erquicklich, angesehen ich das Feuer für eine geringere Strafe erachtete, denn die Marter. Aber als ich anheben wollte zu beten, wollt' es nicht gehen, worüber ich abereins in großen Mißmuth und Ver¬ zweiflung kam, und gläubete, daß der heilige Geist gänz¬ lich sein Angesicht von mir elenden Menschen abgewen¬ det hätte. Und wiewohlen die alte Magd, als sie sol¬ ches merkete, sich für mein Bette stellete, und anhub mir vorzubeten, war es doch umbsonst, und war und blieb ich ein verstockter Sünder. Doch erbarmete der Herr sich mein ohne mein Verdienst und Würdigkeit, maßen ich bald in einen tiefen Schlaf verfiele, und am andern Morgen umb Betglockenzeit erstlich wieder auf¬
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Capitel 24.
Wie der Teufel in meiner Gegenwärtigkeit die alte Liſe Rolken hohlet.
Als ich mich nach meiner obgedachten Unmacht wiederumb verhohlet, ſtand den Krüger ſein Weib über mir mit meiner alten Magd und kelleten mir eine Bierſuppen ein. Die alte getreue Perſon ſchriee laut auf für Freuden, als ich meine Augen wieder aufſchlug, und erzählete mir darauf auf meine Erkundigunge, daß mein Töchterlein ſich nit hätte recken laſſen, beſondern freiwillig ihre Uebelthat bekennet, und ſich für eine Hexe ausgegeben. Solche Kundſchaft war mir in meinem Jammer faſt erquicklich, angeſehen ich das Feuer für eine geringere Strafe erachtete, denn die Marter. Aber als ich anheben wollte zu beten, wollt’ es nicht gehen, worüber ich abereins in großen Mißmuth und Ver¬ zweiflung kam, und gläubete, daß der heilige Geiſt gänz¬ lich ſein Angeſicht von mir elenden Menſchen abgewen¬ det hätte. Und wiewohlen die alte Magd, als ſie ſol¬ ches merkete, ſich für mein Bette ſtellete, und anhub mir vorzubeten, war es doch umbſonſt, und war und blieb ich ein verſtockter Sünder. Doch erbarmete der Herr ſich mein ohne mein Verdienſt und Würdigkeit, maßen ich bald in einen tiefen Schlaf verfiele, und am andern Morgen umb Betglockenzeit erſtlich wieder auf¬
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Capitel 24.
Wie der Teufel in meiner Gegenwärtigkeit die alte
Liſe Rolken hohlet.
Als ich mich nach meiner obgedachten Unmacht
wiederumb verhohlet, ſtand den Krüger ſein Weib
über mir mit meiner alten Magd und kelleten mir eine
Bierſuppen ein. Die alte getreue Perſon ſchriee laut
auf für Freuden, als ich meine Augen wieder aufſchlug,
und erzählete mir darauf auf meine Erkundigunge, daß
mein Töchterlein ſich nit hätte recken laſſen, beſondern
freiwillig ihre Uebelthat bekennet, und ſich für eine Hexe
ausgegeben. Solche Kundſchaft war mir in meinem
Jammer faſt erquicklich, angeſehen ich das Feuer für
eine geringere Strafe erachtete, denn die Marter. Aber
als ich anheben wollte zu beten, wollt’ es nicht gehen,
worüber ich abereins in großen Mißmuth und Ver¬
zweiflung kam, und gläubete, daß der heilige Geiſt gänz¬
lich ſein Angeſicht von mir elenden Menſchen abgewen¬
det hätte. Und wiewohlen die alte Magd, als ſie ſol¬
ches merkete, ſich für mein Bette ſtellete, und anhub
mir vorzubeten, war es doch umbſonſt, und war und
blieb ich ein verſtockter Sünder. Doch erbarmete der
Herr ſich mein ohne mein Verdienſt und Würdigkeit,
maßen ich bald in einen tiefen Schlaf verfiele, und am
andern Morgen umb Betglockenzeit erſtlich wieder auf¬
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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/227>, abgerufen am 21.11.2024.
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