Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite
Capitel 24.

Wie der Teufel in meiner Gegenwärtigkeit die alte
Lise Rolken hohlet.


Als ich mich nach meiner obgedachten Unmacht
wiederumb verhohlet, stand den Krüger sein Weib
über mir mit meiner alten Magd und kelleten mir eine
Biersuppen ein. Die alte getreue Person schriee laut
auf für Freuden, als ich meine Augen wieder aufschlug,
und erzählete mir darauf auf meine Erkundigunge, daß
mein Töchterlein sich nit hätte recken lassen, besondern
freiwillig ihre Uebelthat bekennet, und sich für eine Hexe
ausgegeben. Solche Kundschaft war mir in meinem
Jammer fast erquicklich, angesehen ich das Feuer für
eine geringere Strafe erachtete, denn die Marter. Aber
als ich anheben wollte zu beten, wollt' es nicht gehen,
worüber ich abereins in großen Mißmuth und Ver¬
zweiflung kam, und gläubete, daß der heilige Geist gänz¬
lich sein Angesicht von mir elenden Menschen abgewen¬
det hätte. Und wiewohlen die alte Magd, als sie sol¬
ches merkete, sich für mein Bette stellete, und anhub
mir vorzubeten, war es doch umbsonst, und war und
blieb ich ein verstockter Sünder. Doch erbarmete der
Herr sich mein ohne mein Verdienst und Würdigkeit,
maßen ich bald in einen tiefen Schlaf verfiele, und am
andern Morgen umb Betglockenzeit erstlich wieder auf¬

14 *
Capitel 24.

Wie der Teufel in meiner Gegenwärtigkeit die alte
Liſe Rolken hohlet.


Als ich mich nach meiner obgedachten Unmacht
wiederumb verhohlet, ſtand den Krüger ſein Weib
über mir mit meiner alten Magd und kelleten mir eine
Bierſuppen ein. Die alte getreue Perſon ſchriee laut
auf für Freuden, als ich meine Augen wieder aufſchlug,
und erzählete mir darauf auf meine Erkundigunge, daß
mein Töchterlein ſich nit hätte recken laſſen, beſondern
freiwillig ihre Uebelthat bekennet, und ſich für eine Hexe
ausgegeben. Solche Kundſchaft war mir in meinem
Jammer faſt erquicklich, angeſehen ich das Feuer für
eine geringere Strafe erachtete, denn die Marter. Aber
als ich anheben wollte zu beten, wollt’ es nicht gehen,
worüber ich abereins in großen Mißmuth und Ver¬
zweiflung kam, und gläubete, daß der heilige Geiſt gänz¬
lich ſein Angeſicht von mir elenden Menſchen abgewen¬
det hätte. Und wiewohlen die alte Magd, als ſie ſol¬
ches merkete, ſich für mein Bette ſtellete, und anhub
mir vorzubeten, war es doch umbſonſt, und war und
blieb ich ein verſtockter Sünder. Doch erbarmete der
Herr ſich mein ohne mein Verdienſt und Würdigkeit,
maßen ich bald in einen tiefen Schlaf verfiele, und am
andern Morgen umb Betglockenzeit erſtlich wieder auf¬

14 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0227" n="211"/>
      </div>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#g">Capitel</hi> 24.<lb/></head>
        <argument>
          <p rendition="#c"> <hi rendition="#b">Wie der Teufel in meiner Gegenwärtigkeit die alte<lb/>
Li&#x017F;e Rolken hohlet.</hi> </p>
        </argument><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p><hi rendition="#in">A</hi>ls ich mich nach meiner obgedachten Unmacht<lb/>
wiederumb verhohlet, &#x017F;tand den Krüger &#x017F;ein Weib<lb/>
über mir mit meiner alten Magd und kelleten mir eine<lb/>
Bier&#x017F;uppen ein. Die alte getreue Per&#x017F;on &#x017F;chriee laut<lb/>
auf für Freuden, als ich meine Augen wieder auf&#x017F;chlug,<lb/>
und erzählete mir darauf auf meine Erkundigunge, daß<lb/>
mein Töchterlein &#x017F;ich nit hätte recken la&#x017F;&#x017F;en, be&#x017F;ondern<lb/>
freiwillig ihre Uebelthat bekennet, und &#x017F;ich für eine Hexe<lb/>
ausgegeben. Solche Kund&#x017F;chaft war mir in meinem<lb/>
Jammer fa&#x017F;t erquicklich, ange&#x017F;ehen ich das Feuer für<lb/>
eine geringere Strafe erachtete, denn die Marter. Aber<lb/>
als ich anheben wollte zu beten, wollt&#x2019; es nicht gehen,<lb/>
worüber ich abereins in großen Mißmuth und Ver¬<lb/>
zweiflung kam, und gläubete, daß der heilige Gei&#x017F;t gänz¬<lb/>
lich &#x017F;ein Ange&#x017F;icht von mir elenden Men&#x017F;chen abgewen¬<lb/>
det hätte. Und wiewohlen die alte Magd, als &#x017F;ie &#x017F;ol¬<lb/>
ches merkete, &#x017F;ich für mein Bette &#x017F;tellete, und anhub<lb/>
mir vorzubeten, war es doch umb&#x017F;on&#x017F;t, und war und<lb/>
blieb ich ein ver&#x017F;tockter Sünder. Doch erbarmete der<lb/>
Herr &#x017F;ich mein ohne mein Verdien&#x017F;t und Würdigkeit,<lb/>
maßen ich bald in einen tiefen Schlaf verfiele, und am<lb/>
andern Morgen umb Betglockenzeit er&#x017F;tlich wieder auf¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">14 *<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[211/0227] Capitel 24. Wie der Teufel in meiner Gegenwärtigkeit die alte Liſe Rolken hohlet. Als ich mich nach meiner obgedachten Unmacht wiederumb verhohlet, ſtand den Krüger ſein Weib über mir mit meiner alten Magd und kelleten mir eine Bierſuppen ein. Die alte getreue Perſon ſchriee laut auf für Freuden, als ich meine Augen wieder aufſchlug, und erzählete mir darauf auf meine Erkundigunge, daß mein Töchterlein ſich nit hätte recken laſſen, beſondern freiwillig ihre Uebelthat bekennet, und ſich für eine Hexe ausgegeben. Solche Kundſchaft war mir in meinem Jammer faſt erquicklich, angeſehen ich das Feuer für eine geringere Strafe erachtete, denn die Marter. Aber als ich anheben wollte zu beten, wollt’ es nicht gehen, worüber ich abereins in großen Mißmuth und Ver¬ zweiflung kam, und gläubete, daß der heilige Geiſt gänz¬ lich ſein Angeſicht von mir elenden Menſchen abgewen¬ det hätte. Und wiewohlen die alte Magd, als ſie ſol¬ ches merkete, ſich für mein Bette ſtellete, und anhub mir vorzubeten, war es doch umbſonſt, und war und blieb ich ein verſtockter Sünder. Doch erbarmete der Herr ſich mein ohne mein Verdienſt und Würdigkeit, maßen ich bald in einen tiefen Schlaf verfiele, und am andern Morgen umb Betglockenzeit erſtlich wieder auf¬ 14 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/227
Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/227>, abgerufen am 21.12.2024.