Wie derSyndicus Dn.Michelssen gearriviret und seine Defension für mein arm Töchterlein ein¬ gerichtet.
Des andern Tages umb drei Uhren Nachmittags kam Dn. Syndicus angekarret und stieg bei mir im Kruge ab. Er hatte einen großen Sack mit Büchern bei sich, war aber nicht so freundlich, als ich sonsten an ihme gewohnt gewest, besondern ehrbar und geschweigsam. Und als er mich in meim Zimmer sa¬ lutiret und gefraget, wie es müglich wäre, daß mein Kind zu solchem Unglück kommen, verzählete ich ihm den gan¬ zen Fürgang, wobei er aber nur mit dem Kopf schüt¬ telte. Auf meine Frag ob er heute noch wölle zu mei¬ nem Töchterlein gehen, antwortete er Nein! sondern daß er zuvor erst die Akta studiren wölle. Nachdem er also ein wenig von einer wilden Enten gessen, so meine alte Ilse vor ihm gebraten, hielt er sich auch nit auf, son¬ dern ging alsofort aufs Schloß, von wannen er erst des andern Nachmittags heimkehrete. Er war aber nicht freundlicher, denn er bei seiner Ankunft gewest, und folgte ich ihm mit Seufzen, als er mich invitirete, nunmehro ihn zu meinem Töchterlein zu geleiten. Als wir mit dem Büttel eintraten, und ich mein arm Kind, so in ihrem Leben niemalen ein Würmlein gekränket zum er¬
Capitel 22.
Wie derSyndicus Dn.Michelſsen gearriviret und ſeine Defenſion für mein arm Töchterlein ein¬ gerichtet.
Des andern Tages umb drei Uhren Nachmittags kam Dn. Syndicus angekarret und ſtieg bei mir im Kruge ab. Er hatte einen großen Sack mit Büchern bei ſich, war aber nicht ſo freundlich, als ich ſonſten an ihme gewohnt geweſt, beſondern ehrbar und geſchweigſam. Und als er mich in meim Zimmer ſa¬ lutiret und gefraget, wie es müglich wäre, daß mein Kind zu ſolchem Unglück kommen, verzählete ich ihm den gan¬ zen Fürgang, wobei er aber nur mit dem Kopf ſchüt¬ telte. Auf meine Frag ob er heute noch wölle zu mei¬ nem Töchterlein gehen, antwortete er Nein! ſondern daß er zuvor erſt die Akta ſtudiren wölle. Nachdem er alſo ein wenig von einer wilden Enten geſſen, ſo meine alte Ilſe vor ihm gebraten, hielt er ſich auch nit auf, ſon¬ dern ging alſofort aufs Schloß, von wannen er erſt des andern Nachmittags heimkehrete. Er war aber nicht freundlicher, denn er bei ſeiner Ankunft geweſt, und folgte ich ihm mit Seufzen, als er mich invitirete, nunmehro ihn zu meinem Töchterlein zu geleiten. Als wir mit dem Büttel eintraten, und ich mein arm Kind, ſo in ihrem Leben niemalen ein Würmlein gekränket zum er¬
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Capitel 22.
Wie der Syndicus Dn. Michelſsen gearriviret und
ſeine Defenſion für mein arm Töchterlein ein¬
gerichtet.
Des andern Tages umb drei Uhren Nachmittags
kam Dn. Syndicus angekarret und ſtieg bei
mir im Kruge ab. Er hatte einen großen Sack mit
Büchern bei ſich, war aber nicht ſo freundlich, als ich
ſonſten an ihme gewohnt geweſt, beſondern ehrbar und
geſchweigſam. Und als er mich in meim Zimmer ſa¬
lutiret und gefraget, wie es müglich wäre, daß mein Kind
zu ſolchem Unglück kommen, verzählete ich ihm den gan¬
zen Fürgang, wobei er aber nur mit dem Kopf ſchüt¬
telte. Auf meine Frag ob er heute noch wölle zu mei¬
nem Töchterlein gehen, antwortete er Nein! ſondern daß
er zuvor erſt die Akta ſtudiren wölle. Nachdem er alſo
ein wenig von einer wilden Enten geſſen, ſo meine alte
Ilſe vor ihm gebraten, hielt er ſich auch nit auf, ſon¬
dern ging alſofort aufs Schloß, von wannen er erſt des
andern Nachmittags heimkehrete. Er war aber nicht
freundlicher, denn er bei ſeiner Ankunft geweſt, und folgte
ich ihm mit Seufzen, als er mich invitirete, nunmehro
ihn zu meinem Töchterlein zu geleiten. Als wir mit
dem Büttel eintraten, und ich mein arm Kind, ſo in
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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/197>, abgerufen am 21.12.2024.
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