Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.§ 5. Der Rechtsstaat. § 5. Der Rechtsstaat. Der Polizeistaat füllt die Übergangszeiten aus zwischen dem alten Seine grossen Errungenschaften sind einerseits die unbedingte Bähr, Rechtsstaat S. 135 ff. Später tritt dann eine Wendung ein im Sinne der neuen verfassungsstaatlichen Theorien: das Gesetz selbst wird nicht mehr nach- geprüft auf seine Zulässigkeit, aber jede sonstige Massregel der Regierung auf ihre Gesetzmässigkeit. Pfeiffer, Prakt. Ausf. I S. 258, III S. 561. Die Einführung der Verfassung von 1831 musste die darin liegende Machtstellung des Gerichts noch verstärken; gegen diese richtete sich denn auch vor allem der Staatsstreich des Kurfürsten im Jahre 1851. -- Rechtselemente aus der Zeit der landesherrlichen Hoheitsrechte sind also hier erhalten geblieben, um unmittelbar in den Gedanken- kreis des Rechts- und Verfassungsstaates einzumünden. Das ist jedenfalls rechts- geschichtlich merkwürdig genug; aber es war doch sehr einseitig, wenn man ver- sucht hat, daraus ein Vorbild und Musterrecht zu machen. Der grosse Gang unserer Rechtsentwicklung, von dem auch dieses stille Seitengebiet nicht unberührt blieb, führt durch den echten und scharf geprägten Polizeistaat hindurch. 1 Noch 1840 schreibt Miruss ein Deutsches Verwaltungsrecht unter dem
Titel: Die Hoheitsrechte in den deutschen Bundesstaaten. Diese bilden denn mit den Begriffen des neuzeitlichen Staatsrechts die künstlichsten Verschlingungen (S. 1, 67, 81). Gerber, Grundlinien Seite 67 Note, hat dem Begriff der Hoheits- rechte ein für allemal sein Urteil gesprochen. Den alten Namen mag man ja immer noch zu allerhand Einteilungen verwenden; so Gareis, Allg. St.R. S. 25 ff.; die Sache ist nicht mehr dahinter. § 5. Der Rechtsstaat. § 5. Der Rechtsstaat. Der Polizeistaat füllt die Übergangszeiten aus zwischen dem alten Seine groſsen Errungenschaften sind einerseits die unbedingte Bähr, Rechtsstaat S. 135 ff. Später tritt dann eine Wendung ein im Sinne der neuen verfassungsstaatlichen Theorien: das Gesetz selbst wird nicht mehr nach- geprüft auf seine Zulässigkeit, aber jede sonstige Maſsregel der Regierung auf ihre Gesetzmäſsigkeit. Pfeiffer, Prakt. Ausf. I S. 258, III S. 561. Die Einführung der Verfassung von 1831 muſste die darin liegende Machtstellung des Gerichts noch verstärken; gegen diese richtete sich denn auch vor allem der Staatsstreich des Kurfürsten im Jahre 1851. — Rechtselemente aus der Zeit der landesherrlichen Hoheitsrechte sind also hier erhalten geblieben, um unmittelbar in den Gedanken- kreis des Rechts- und Verfassungsstaates einzumünden. Das ist jedenfalls rechts- geschichtlich merkwürdig genug; aber es war doch sehr einseitig, wenn man ver- sucht hat, daraus ein Vorbild und Musterrecht zu machen. Der groſse Gang unserer Rechtsentwicklung, von dem auch dieses stille Seitengebiet nicht unberührt blieb, führt durch den echten und scharf geprägten Polizeistaat hindurch. 1 Noch 1840 schreibt Miruss ein Deutsches Verwaltungsrecht unter dem
Titel: Die Hoheitsrechte in den deutschen Bundesstaaten. Diese bilden denn mit den Begriffen des neuzeitlichen Staatsrechts die künstlichsten Verschlingungen (S. 1, 67, 81). Gerber, Grundlinien Seite 67 Note, hat dem Begriff der Hoheits- rechte ein für allemal sein Urteil gesprochen. Den alten Namen mag man ja immer noch zu allerhand Einteilungen verwenden; so Gareis, Allg. St.R. S. 25 ff.; die Sache ist nicht mehr dahinter. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0073" n="53"/> <fw place="top" type="header">§ 5. Der Rechtsstaat.</fw><lb/> <div n="3"> <head>§ 5.<lb/><hi rendition="#b">Der Rechtsstaat.</hi></head><lb/> <p>Der Polizeistaat füllt die Übergangszeiten aus zwischen dem alten<lb/> Recht und derjenigen Gestalt der Dinge, welche die Gegenwart uns<lb/> zeigt. Er war nur der Zuchtmeister auf das neue Staatswesen. Dieses<lb/> steht aber auch auf seinen Schultern: was er an Ideen geschaffen,<lb/> wird nicht ausgelöscht oder rückgebildet, sondern weiter entfaltet.</p><lb/> <p>Seine groſsen Errungenschaften sind einerseits die <hi rendition="#g">unbedingte<lb/> Übermacht der Staatsgewalt,</hi> andererseits die Unterwerfung<lb/> eines staatlichen Lebensgebietes unter die <hi rendition="#g">Herrschaft von Civil-<lb/> recht und Civilrechtspflege</hi>. Beides ist übernommen worden.<lb/> Es giebt keine Hoheitsrechte mehr, in deren Schranken der Staat dem<lb/> Einzelnen gegenüber sich bewegte; es giebt nur die <hi rendition="#g">allgemeine<lb/> hoheitlich wirkende Staatsgewalt,</hi> im Sinne der alten<lb/> majestas populi Romani<note place="foot" n="1">Noch 1840 schreibt <hi rendition="#g">Miruss</hi> ein Deutsches Verwaltungsrecht unter dem<lb/> Titel: Die Hoheitsrechte in den deutschen Bundesstaaten. Diese bilden denn mit<lb/> den Begriffen des neuzeitlichen Staatsrechts die künstlichsten Verschlingungen<lb/> (S. 1, 67, 81). <hi rendition="#g">Gerber,</hi> Grundlinien Seite 67 Note, hat dem Begriff der Hoheits-<lb/> rechte ein für allemal sein Urteil gesprochen. Den alten Namen mag man ja<lb/> immer noch zu allerhand Einteilungen verwenden; so <hi rendition="#g">Gareis,</hi> Allg. St.R. S. 25 ff.;<lb/> die Sache ist nicht mehr dahinter.</note>. Gleichwohl bleibt im Gegensatz zu dieser<lb/> nach dem Vorgang des Polizeistaates die <hi rendition="#g">Möglichkeit</hi> eröffnet, in<lb/> gewissem Maſse das jetzt wieder scharf ausgeschiedene, nur auf die<lb/> Verhältnisse der Einzelnen unter einander berechnete Civilrecht auf<lb/> den Staat zur Anwendung zu bringen und die zur Erledigung von<lb/><note xml:id="seg2pn_10_2" prev="#seg2pn_10_1" place="foot" n="23"><hi rendition="#g">Bähr,</hi> Rechtsstaat S. 135 ff. Später tritt dann eine Wendung ein im Sinne der<lb/> neuen verfassungsstaatlichen Theorien: das Gesetz selbst wird nicht mehr nach-<lb/> geprüft auf seine Zulässigkeit, aber jede sonstige Maſsregel der Regierung auf ihre<lb/> Gesetzmäſsigkeit. <hi rendition="#g">Pfeiffer,</hi> Prakt. Ausf. I S. 258, III S. 561. Die Einführung<lb/> der Verfassung von 1831 muſste die darin liegende Machtstellung des Gerichts<lb/> noch verstärken; gegen diese richtete sich denn auch vor allem der Staatsstreich<lb/> des Kurfürsten im Jahre 1851. — Rechtselemente aus der Zeit der landesherrlichen<lb/> Hoheitsrechte sind also hier erhalten geblieben, um unmittelbar in den Gedanken-<lb/> kreis des Rechts- und Verfassungsstaates einzumünden. Das ist jedenfalls rechts-<lb/> geschichtlich merkwürdig genug; aber es war doch sehr einseitig, wenn man ver-<lb/> sucht hat, daraus ein Vorbild und Musterrecht zu machen. Der groſse Gang unserer<lb/> Rechtsentwicklung, von dem auch dieses stille Seitengebiet nicht unberührt blieb,<lb/> führt durch den echten und scharf geprägten Polizeistaat hindurch.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [53/0073]
§ 5. Der Rechtsstaat.
§ 5.
Der Rechtsstaat.
Der Polizeistaat füllt die Übergangszeiten aus zwischen dem alten
Recht und derjenigen Gestalt der Dinge, welche die Gegenwart uns
zeigt. Er war nur der Zuchtmeister auf das neue Staatswesen. Dieses
steht aber auch auf seinen Schultern: was er an Ideen geschaffen,
wird nicht ausgelöscht oder rückgebildet, sondern weiter entfaltet.
Seine groſsen Errungenschaften sind einerseits die unbedingte
Übermacht der Staatsgewalt, andererseits die Unterwerfung
eines staatlichen Lebensgebietes unter die Herrschaft von Civil-
recht und Civilrechtspflege. Beides ist übernommen worden.
Es giebt keine Hoheitsrechte mehr, in deren Schranken der Staat dem
Einzelnen gegenüber sich bewegte; es giebt nur die allgemeine
hoheitlich wirkende Staatsgewalt, im Sinne der alten
majestas populi Romani 1. Gleichwohl bleibt im Gegensatz zu dieser
nach dem Vorgang des Polizeistaates die Möglichkeit eröffnet, in
gewissem Maſse das jetzt wieder scharf ausgeschiedene, nur auf die
Verhältnisse der Einzelnen unter einander berechnete Civilrecht auf
den Staat zur Anwendung zu bringen und die zur Erledigung von
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1 Noch 1840 schreibt Miruss ein Deutsches Verwaltungsrecht unter dem
Titel: Die Hoheitsrechte in den deutschen Bundesstaaten. Diese bilden denn mit
den Begriffen des neuzeitlichen Staatsrechts die künstlichsten Verschlingungen
(S. 1, 67, 81). Gerber, Grundlinien Seite 67 Note, hat dem Begriff der Hoheits-
rechte ein für allemal sein Urteil gesprochen. Den alten Namen mag man ja
immer noch zu allerhand Einteilungen verwenden; so Gareis, Allg. St.R. S. 25 ff.;
die Sache ist nicht mehr dahinter.
23 Bähr, Rechtsstaat S. 135 ff. Später tritt dann eine Wendung ein im Sinne der
neuen verfassungsstaatlichen Theorien: das Gesetz selbst wird nicht mehr nach-
geprüft auf seine Zulässigkeit, aber jede sonstige Maſsregel der Regierung auf ihre
Gesetzmäſsigkeit. Pfeiffer, Prakt. Ausf. I S. 258, III S. 561. Die Einführung
der Verfassung von 1831 muſste die darin liegende Machtstellung des Gerichts
noch verstärken; gegen diese richtete sich denn auch vor allem der Staatsstreich
des Kurfürsten im Jahre 1851. — Rechtselemente aus der Zeit der landesherrlichen
Hoheitsrechte sind also hier erhalten geblieben, um unmittelbar in den Gedanken-
kreis des Rechts- und Verfassungsstaates einzumünden. Das ist jedenfalls rechts-
geschichtlich merkwürdig genug; aber es war doch sehr einseitig, wenn man ver-
sucht hat, daraus ein Vorbild und Musterrecht zu machen. Der groſse Gang unserer
Rechtsentwicklung, von dem auch dieses stille Seitengebiet nicht unberührt blieb,
führt durch den echten und scharf geprägten Polizeistaat hindurch.
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