§ 17. Fortsetzung; civilrechtliche Haftung aus Amtshandlungen.
Hinter aller Verwaltungsthätigkeit steht die Möglichkeit persön- licher Haftung des handelnden Beamten wegen rechtswidriger Schädi- gung. Insofern die Civilgerichte berufen sind, über derartige An- sprüche zu erkennen, üben sie einen mittelbaren, aber sehr wirk- samen Rechtsschutz in Verwaltungssachen, der um seiner allgemeinen Bedeutung willen den natürlichen Abschluss des Ganzen bildet.
I. Die Ersatzpflicht des Beamten für den Schaden, den er jemandem durch sein Verhalten im Amte zugefügt hat, ist zweifellos civilrechtlicher Natur. Massgebend dafür sind die Regeln, welche das Civilrecht aufgestellt hat für die Schuldverhältnisse aus unerlaubten Handlungen, Privatdelikten. Dabei werden dann all die Verschieden- heiten zur Geltung kommen, welche unsere Landesgesetzgebungen zur Zeit noch auf weisen in Bezug auf das Mass des zu ersetzenden Schadens und auf Arten und Grade der schuldhaften Ge- sinnung, die berücksichtigt werden. Gemeinsam ist allen die Vor- aussetzung der Rechtswidrigkeit: das Verhalten muss sich kenn- zeichnen als die Verletzung einer dem Handelnden obliegenden Pflicht1.
In diesem letzteren Punkte weist aber das Recht der Beamten- haftung gegenüber den entsprechenden Fällen gewöhnlicher civilrecht- licher Schadensersatzpflicht ausgeprägte Besonderheiten auf, die aus der Natur des Beamtenverhältnisses sich ergeben und eben darum gemeingültig sind gegenüber allen sonst noch so verschiedenen Landes- gesetzgebungen.
Der zu vergleichende Fall ist der, wo sonst in Vertretung eines anderen gehandelt wird. Der Vertreter ist unbedingt gedeckt, wo der Nachteil, den der Dritte erleidet, nach dem Verhältnis zwischen diesem und dem Geschäftsherrn betrachtet, kein rechtswidriger war. Das innere Verhältnis, das zwischen dem Geschäftsherrn und dem Vertreter besteht, ist dafür gleichgültig. Nicht also der Beamte: er haftet dem Dritten wegen Schädigung durch Verletzung der Amts- pflicht. Sein dienstliches Verhältnis wirkt nach aussen nach doppel- ter Richtung: er haftet nicht für die schädigende Handlung, die namens des Staates rechtmässig nicht hätte vorgenommen werden können, wenn er gemäss seiner dienstlichen Stellung für derartige Fehler nicht ver- antwortlich sein soll; und umgekehrt haftet er für Schädigungen durch Verletzung seiner Amtspflicht auch da, wo der Geschädigte gegenüber
1Merkel, Encyklopädie § 260 ff.
Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.
§ 17. Fortsetzung; civilrechtliche Haftung aus Amtshandlungen.
Hinter aller Verwaltungsthätigkeit steht die Möglichkeit persön- licher Haftung des handelnden Beamten wegen rechtswidriger Schädi- gung. Insofern die Civilgerichte berufen sind, über derartige An- sprüche zu erkennen, üben sie einen mittelbaren, aber sehr wirk- samen Rechtsschutz in Verwaltungssachen, der um seiner allgemeinen Bedeutung willen den natürlichen Abschluſs des Ganzen bildet.
I. Die Ersatzpflicht des Beamten für den Schaden, den er jemandem durch sein Verhalten im Amte zugefügt hat, ist zweifellos civilrechtlicher Natur. Maſsgebend dafür sind die Regeln, welche das Civilrecht aufgestellt hat für die Schuldverhältnisse aus unerlaubten Handlungen, Privatdelikten. Dabei werden dann all die Verschieden- heiten zur Geltung kommen, welche unsere Landesgesetzgebungen zur Zeit noch auf weisen in Bezug auf das Maſs des zu ersetzenden Schadens und auf Arten und Grade der schuldhaften Ge- sinnung, die berücksichtigt werden. Gemeinsam ist allen die Vor- aussetzung der Rechtswidrigkeit: das Verhalten muſs sich kenn- zeichnen als die Verletzung einer dem Handelnden obliegenden Pflicht1.
In diesem letzteren Punkte weist aber das Recht der Beamten- haftung gegenüber den entsprechenden Fällen gewöhnlicher civilrecht- licher Schadensersatzpflicht ausgeprägte Besonderheiten auf, die aus der Natur des Beamtenverhältnisses sich ergeben und eben darum gemeingültig sind gegenüber allen sonst noch so verschiedenen Landes- gesetzgebungen.
Der zu vergleichende Fall ist der, wo sonst in Vertretung eines anderen gehandelt wird. Der Vertreter ist unbedingt gedeckt, wo der Nachteil, den der Dritte erleidet, nach dem Verhältnis zwischen diesem und dem Geschäftsherrn betrachtet, kein rechtswidriger war. Das innere Verhältnis, das zwischen dem Geschäftsherrn und dem Vertreter besteht, ist dafür gleichgültig. Nicht also der Beamte: er haftet dem Dritten wegen Schädigung durch Verletzung der Amts- pflicht. Sein dienstliches Verhältnis wirkt nach auſsen nach doppel- ter Richtung: er haftet nicht für die schädigende Handlung, die namens des Staates rechtmäſsig nicht hätte vorgenommen werden können, wenn er gemäſs seiner dienstlichen Stellung für derartige Fehler nicht ver- antwortlich sein soll; und umgekehrt haftet er für Schädigungen durch Verletzung seiner Amtspflicht auch da, wo der Geschädigte gegenüber
1Merkel, Encyklopädie § 260 ff.
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Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.
§ 17.
Fortsetzung; civilrechtliche Haftung aus Amtshandlungen.
Hinter aller Verwaltungsthätigkeit steht die Möglichkeit persön-
licher Haftung des handelnden Beamten wegen rechtswidriger Schädi-
gung. Insofern die Civilgerichte berufen sind, über derartige An-
sprüche zu erkennen, üben sie einen mittelbaren, aber sehr wirk-
samen Rechtsschutz in Verwaltungssachen, der um seiner allgemeinen
Bedeutung willen den natürlichen Abschluſs des Ganzen bildet.
I. Die Ersatzpflicht des Beamten für den Schaden, den er
jemandem durch sein Verhalten im Amte zugefügt hat, ist zweifellos
civilrechtlicher Natur. Maſsgebend dafür sind die Regeln, welche das
Civilrecht aufgestellt hat für die Schuldverhältnisse aus unerlaubten
Handlungen, Privatdelikten. Dabei werden dann all die Verschieden-
heiten zur Geltung kommen, welche unsere Landesgesetzgebungen zur
Zeit noch auf weisen in Bezug auf das Maſs des zu ersetzenden
Schadens und auf Arten und Grade der schuldhaften Ge-
sinnung, die berücksichtigt werden. Gemeinsam ist allen die Vor-
aussetzung der Rechtswidrigkeit: das Verhalten muſs sich kenn-
zeichnen als die Verletzung einer dem Handelnden obliegenden Pflicht 1.
In diesem letzteren Punkte weist aber das Recht der Beamten-
haftung gegenüber den entsprechenden Fällen gewöhnlicher civilrecht-
licher Schadensersatzpflicht ausgeprägte Besonderheiten auf, die aus
der Natur des Beamtenverhältnisses sich ergeben und eben darum
gemeingültig sind gegenüber allen sonst noch so verschiedenen Landes-
gesetzgebungen.
Der zu vergleichende Fall ist der, wo sonst in Vertretung eines
anderen gehandelt wird. Der Vertreter ist unbedingt gedeckt, wo
der Nachteil, den der Dritte erleidet, nach dem Verhältnis zwischen
diesem und dem Geschäftsherrn betrachtet, kein rechtswidriger war.
Das innere Verhältnis, das zwischen dem Geschäftsherrn und dem
Vertreter besteht, ist dafür gleichgültig. Nicht also der Beamte: er
haftet dem Dritten wegen Schädigung durch Verletzung der Amts-
pflicht. Sein dienstliches Verhältnis wirkt nach auſsen nach doppel-
ter Richtung: er haftet nicht für die schädigende Handlung, die namens
des Staates rechtmäſsig nicht hätte vorgenommen werden können, wenn
er gemäſs seiner dienstlichen Stellung für derartige Fehler nicht ver-
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1 Merkel, Encyklopädie § 260 ff.
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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/246>, abgerufen am 22.12.2024.
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