§ 16. Zuständigkeit der Civilgerichte gegenüber der Verwaltung.
Die ordentlichen Gerichte, wie sie für Civil- und Strafsachen be- stellt sind, wirken mit ihren Urteilen in diesen Sachen mannigfach zurück auf das Gebiet der Verwaltung. Überdies können sie zur Rechtspflege in Verwaltungssachen selbst berufen sein und werden damit für uns unmittelbare Rechtsschutzanstalten wie die bisher be- trachteten.
Die Grundsätze für diese Zuständigkeiten gegenüber der Ver- waltung sind hier festzustellen.
I. Die Sachen, welche das Civilgericht zu erledigen hat, müssen sich einfügen in die festen Formen seines Prozesses. Die Beteiligten stehen darin als gleichberechtigte Parteien sich gegenüber, unter- geordnet seiner obrigkeitlichen Gewalt. Das gilt auch für den Staat selbst, wo er als solche Partei auftreten soll. War er dem Unter- thanen gegenüber in ein civilrechtliches Verhältnis getreten, das jetzt zu beurteilen ist, so steht er bereits ausserhalb des Prozesses auf dem Boden der Gleichheit (oben § 11, II) und seine Parteistellung erscheint nur wie eine weitere Folge davon: der Rückbezüglichkeit des Civil- rechts entspricht jetzt die Rückbezüglichkeit auch des Pro- zessrechts. Die letztere kann aber auch selbständig eintreten. Das Gericht kann für zuständig erklärt sein, in öffentlichrechtlichen Ver- hältnissen zu erkennen zwischen Staat und Unterthan. Dann wird der Staat wenigstens im Prozess dem Gegner gleich und wie er der obrigkeitlichen Gewalt des Gerichts unterworfen. Diese Gleichheit im Prozess ist gemeint, wenn das Gericht den vor ihm erscheinenden Staat imener als Fiskus bezeichnet (oben § 11 S. 143).
Insofern aber dieser Fiskus eben bloss im Prozess und für den Prozess so behandelt wird, ausserhalb desselben sofort wieder zurück- fällt in die natürliche Stellung des Staates als des Trägers der öffent- lichen Gewalt, kann das Verfahren eingerahmt sein von anders ge- arteten Verhältnissen, in welchen es nur eine Episode bildet.
1. Die Verwaltung, die vor dem Gerichte als Partei erscheint, kann ausserhalb des Prozesses als obrigkeitliche Gewalt wirksam ge- worden sein für das nämliche Verhältnis, das jetzt dem Gericht zur Beurteilung vorliegt, und ihm eine rechtliche Ordnung gegeben haben.
Dabei sind aber zweierlei Fälle zu unterscheiden.
In vielen Sachen, welche vor die Civilgerichte kommen sollen, sind die Verwaltungsbehörden zuständig, vorläufige Massregeln zu treffen, Verwaltungsprovisorien zu schaffen. Es ist da immer
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§ 16. Zuständigkeit der Civilgerichte.
§ 16. Zuständigkeit der Civilgerichte gegenüber der Verwaltung.
Die ordentlichen Gerichte, wie sie für Civil- und Strafsachen be- stellt sind, wirken mit ihren Urteilen in diesen Sachen mannigfach zurück auf das Gebiet der Verwaltung. Überdies können sie zur Rechtspflege in Verwaltungssachen selbst berufen sein und werden damit für uns unmittelbare Rechtsschutzanstalten wie die bisher be- trachteten.
Die Grundsätze für diese Zuständigkeiten gegenüber der Ver- waltung sind hier festzustellen.
I. Die Sachen, welche das Civilgericht zu erledigen hat, müssen sich einfügen in die festen Formen seines Prozesses. Die Beteiligten stehen darin als gleichberechtigte Parteien sich gegenüber, unter- geordnet seiner obrigkeitlichen Gewalt. Das gilt auch für den Staat selbst, wo er als solche Partei auftreten soll. War er dem Unter- thanen gegenüber in ein civilrechtliches Verhältnis getreten, das jetzt zu beurteilen ist, so steht er bereits auſserhalb des Prozesses auf dem Boden der Gleichheit (oben § 11, II) und seine Parteistellung erscheint nur wie eine weitere Folge davon: der Rückbezüglichkeit des Civil- rechts entspricht jetzt die Rückbezüglichkeit auch des Pro- zeſsrechts. Die letztere kann aber auch selbständig eintreten. Das Gericht kann für zuständig erklärt sein, in öffentlichrechtlichen Ver- hältnissen zu erkennen zwischen Staat und Unterthan. Dann wird der Staat wenigstens im Prozeſs dem Gegner gleich und wie er der obrigkeitlichen Gewalt des Gerichts unterworfen. Diese Gleichheit im Prozeſs ist gemeint, wenn das Gericht den vor ihm erscheinenden Staat imener als Fiskus bezeichnet (oben § 11 S. 143).
Insofern aber dieser Fiskus eben bloſs im Prozeſs und für den Prozeſs so behandelt wird, auſserhalb desselben sofort wieder zurück- fällt in die natürliche Stellung des Staates als des Trägers der öffent- lichen Gewalt, kann das Verfahren eingerahmt sein von anders ge- arteten Verhältnissen, in welchen es nur eine Episode bildet.
1. Die Verwaltung, die vor dem Gerichte als Partei erscheint, kann auſserhalb des Prozesses als obrigkeitliche Gewalt wirksam ge- worden sein für das nämliche Verhältnis, das jetzt dem Gericht zur Beurteilung vorliegt, und ihm eine rechtliche Ordnung gegeben haben.
Dabei sind aber zweierlei Fälle zu unterscheiden.
In vielen Sachen, welche vor die Civilgerichte kommen sollen, sind die Verwaltungsbehörden zuständig, vorläufige Maſsregeln zu treffen, Verwaltungsprovisorien zu schaffen. Es ist da immer
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§ 16. Zuständigkeit der Civilgerichte.
§ 16.
Zuständigkeit der Civilgerichte gegenüber der Verwaltung.
Die ordentlichen Gerichte, wie sie für Civil- und Strafsachen be-
stellt sind, wirken mit ihren Urteilen in diesen Sachen mannigfach
zurück auf das Gebiet der Verwaltung. Überdies können sie zur
Rechtspflege in Verwaltungssachen selbst berufen sein und werden
damit für uns unmittelbare Rechtsschutzanstalten wie die bisher be-
trachteten.
Die Grundsätze für diese Zuständigkeiten gegenüber der Ver-
waltung sind hier festzustellen.
I. Die Sachen, welche das Civilgericht zu erledigen hat, müssen
sich einfügen in die festen Formen seines Prozesses. Die Beteiligten
stehen darin als gleichberechtigte Parteien sich gegenüber, unter-
geordnet seiner obrigkeitlichen Gewalt. Das gilt auch für den Staat
selbst, wo er als solche Partei auftreten soll. War er dem Unter-
thanen gegenüber in ein civilrechtliches Verhältnis getreten, das jetzt
zu beurteilen ist, so steht er bereits auſserhalb des Prozesses auf dem
Boden der Gleichheit (oben § 11, II) und seine Parteistellung erscheint
nur wie eine weitere Folge davon: der Rückbezüglichkeit des Civil-
rechts entspricht jetzt die Rückbezüglichkeit auch des Pro-
zeſsrechts. Die letztere kann aber auch selbständig eintreten. Das
Gericht kann für zuständig erklärt sein, in öffentlichrechtlichen Ver-
hältnissen zu erkennen zwischen Staat und Unterthan. Dann wird
der Staat wenigstens im Prozeſs dem Gegner gleich und wie er der
obrigkeitlichen Gewalt des Gerichts unterworfen. Diese Gleichheit im
Prozeſs ist gemeint, wenn das Gericht den vor ihm erscheinenden
Staat imener als Fiskus bezeichnet (oben § 11 S. 143).
Insofern aber dieser Fiskus eben bloſs im Prozeſs und für den
Prozeſs so behandelt wird, auſserhalb desselben sofort wieder zurück-
fällt in die natürliche Stellung des Staates als des Trägers der öffent-
lichen Gewalt, kann das Verfahren eingerahmt sein von anders ge-
arteten Verhältnissen, in welchen es nur eine Episode bildet.
1. Die Verwaltung, die vor dem Gerichte als Partei erscheint,
kann auſserhalb des Prozesses als obrigkeitliche Gewalt wirksam ge-
worden sein für das nämliche Verhältnis, das jetzt dem Gericht zur
Beurteilung vorliegt, und ihm eine rechtliche Ordnung gegeben haben.
Dabei sind aber zweierlei Fälle zu unterscheiden.
In vielen Sachen, welche vor die Civilgerichte kommen sollen,
sind die Verwaltungsbehörden zuständig, vorläufige Maſsregeln zu
treffen, Verwaltungsprovisorien zu schaffen. Es ist da immer
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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/231>, abgerufen am 21.11.2024.
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