Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

"Die Londoner billbrokers .... führten ihr enormes Geschäft ohne
irgend welche Reserve in baar; sie verliessen sich auf die Ein-
gänge von ihren nach und nach verfallenden Wechseln, oder im
Nothfall auf ihre Macht, Vorschüsse von der Bank von England
gegen Depot der von ihnen diskontirten Wechsel zu erhalten." --
Zwei Firmen von billbrokers in London stellten ihre Zahlungen
1847 ein; beide nahmen das Geschäft später wieder auf. 1857
suspendirten sie wieder. Die Passiva des einen Hauses waren 1847
in runder Zahl 2683000 £ bei einem Kapital von 180000 £;
seine Passiva waren 1857 = 5300000 £, während das Kapital
wahrscheinlich nicht mehr als einviertel betrug von dem, was es
1847 gewesen. Die Passiva der andern Firma waren beidemal
zwischen 3 und 4 Millionen, bei einem Kapital von nicht mehr
als 45000 £." (ibidem, p. XXI, Absatz Nr. 52.)



Dreissigstes Kapitel.
Geldkapital und wirkliches Kapital. I.

Die einzig schwierigen Fragen, denen wir uns jetzt mit Be-
ziehung auf das Kreditwesen nähern, sind folgende:

Erstens: Die Akkumulation des eigentlichen Geldkapitals. Wie
weit und wieweit nicht ist sie Anzeichen von wirklicher Akku-
mulation des Kapitals, d. h. von Reproduktion auf erweiterter
Stufenleiter? Die sog. Plethora des Kapitals, ein Ausdruck, der
immer nur vom zinstragenden, i.e. Geldkapital gebraucht wird, ist
sie nur eine besondre Manier, die industrielle Ueberproduktion aus-
zudrücken, oder bildet sie ein besondres Phänomen neben ihr?
Fällt diese Plethora, dies Ueberangebot von Geldkapital zusammen
mit Vorhandensein stagnanter Geldmassen (Barren, Goldgeld und
Banknoten), sodass dieser Ueberfluss an wirklichem Geld Ausdruck
und Erscheinungsform jener Plethora von Leihkapital ist?

Und zweitens: Wie weit drückt Geldklemme, d. h. Mangel an Leih-
kapital, einen Mangel an wirklichem Kapital (Waarenkapital und pro-
duktivem Kapital) aus? Wie weit fällt sie andrerseits zusammen
mit Mangel an Geld als solchem, Mangel an Cirkulationsmitteln?

Soweit wir die eigenthümliche Form der Akkumulation des Geld-
kapitals und Geldvermögens überhaupt bis jetzt betrachtet haben,
hat sie sich aufgelöst in Akkumulation von Ansprüchen des Eigen-
thums auf die Arbeit. Die Akkumulation des Kapitals der Staats-
schuld heisst, wie sich gezeigt hat, weiter nichts als Vermehrung
einer Klasse von Staatsgläubigern, die gewisse Summen auf den

„Die Londoner billbrokers .... führten ihr enormes Geschäft ohne
irgend welche Reserve in baar; sie verliessen sich auf die Ein-
gänge von ihren nach und nach verfallenden Wechseln, oder im
Nothfall auf ihre Macht, Vorschüsse von der Bank von England
gegen Depôt der von ihnen diskontirten Wechsel zu erhalten.“ —
Zwei Firmen von billbrokers in London stellten ihre Zahlungen
1847 ein; beide nahmen das Geschäft später wieder auf. 1857
suspendirten sie wieder. Die Passiva des einen Hauses waren 1847
in runder Zahl 2683000 £ bei einem Kapital von 180000 £;
seine Passiva waren 1857 = 5300000 £, während das Kapital
wahrscheinlich nicht mehr als einviertel betrug von dem, was es
1847 gewesen. Die Passiva der andern Firma waren beidemal
zwischen 3 und 4 Millionen, bei einem Kapital von nicht mehr
als 45000 £.“ (ibidem, p. XXI, Absatz Nr. 52.)



Dreissigstes Kapitel.
Geldkapital und wirkliches Kapital. I.

Die einzig schwierigen Fragen, denen wir uns jetzt mit Be-
ziehung auf das Kreditwesen nähern, sind folgende:

Erstens: Die Akkumulation des eigentlichen Geldkapitals. Wie
weit und wieweit nicht ist sie Anzeichen von wirklicher Akku-
mulation des Kapitals, d. h. von Reproduktion auf erweiterter
Stufenleiter? Die sog. Plethora des Kapitals, ein Ausdruck, der
immer nur vom zinstragenden, i.e. Geldkapital gebraucht wird, ist
sie nur eine besondre Manier, die industrielle Ueberproduktion aus-
zudrücken, oder bildet sie ein besondres Phänomen neben ihr?
Fällt diese Plethora, dies Ueberangebot von Geldkapital zusammen
mit Vorhandensein stagnanter Geldmassen (Barren, Goldgeld und
Banknoten), sodass dieser Ueberfluss an wirklichem Geld Ausdruck
und Erscheinungsform jener Plethora von Leihkapital ist?

Und zweitens: Wie weit drückt Geldklemme, d. h. Mangel an Leih-
kapital, einen Mangel an wirklichem Kapital (Waarenkapital und pro-
duktivem Kapital) aus? Wie weit fällt sie andrerseits zusammen
mit Mangel an Geld als solchem, Mangel an Cirkulationsmitteln?

Soweit wir die eigenthümliche Form der Akkumulation des Geld-
kapitals und Geldvermögens überhaupt bis jetzt betrachtet haben,
hat sie sich aufgelöst in Akkumulation von Ansprüchen des Eigen-
thums auf die Arbeit. Die Akkumulation des Kapitals der Staats-
schuld heisst, wie sich gezeigt hat, weiter nichts als Vermehrung
einer Klasse von Staatsgläubigern, die gewisse Summen auf den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0022" n="13"/>
            <p>&#x201E;Die Londoner billbrokers .... führten ihr enormes Geschäft ohne<lb/>
irgend welche Reserve in baar; sie verliessen sich auf die Ein-<lb/>
gänge von ihren nach und nach verfallenden Wechseln, oder im<lb/>
Nothfall auf ihre Macht, Vorschüsse von der Bank von England<lb/>
gegen Depôt der von ihnen diskontirten Wechsel zu erhalten.&#x201C; &#x2014;<lb/>
Zwei Firmen von billbrokers in London stellten ihre Zahlungen<lb/>
1847 ein; beide nahmen das Geschäft später wieder auf. 1857<lb/>
suspendirten sie wieder. Die Passiva des einen Hauses waren 1847<lb/>
in runder Zahl 2683000 <hi rendition="#i">£</hi> bei einem Kapital von 180000 <hi rendition="#i">£</hi>;<lb/>
seine Passiva waren 1857 = 5300000 <hi rendition="#i">£</hi>, während das Kapital<lb/>
wahrscheinlich nicht mehr als einviertel betrug von dem, was es<lb/>
1847 gewesen. Die Passiva der andern Firma waren beidemal<lb/>
zwischen 3 und 4 Millionen, bei einem Kapital von nicht mehr<lb/>
als 45000 <hi rendition="#i">£</hi>.&#x201C; (ibidem, p. XXI, Absatz Nr. 52.)</p>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#g">Dreissigstes Kapitel</hi>.<lb/><hi rendition="#b">Geldkapital und wirkliches Kapital. I.</hi></head><lb/>
            <p>Die einzig schwierigen Fragen, denen wir uns jetzt mit Be-<lb/>
ziehung auf das Kreditwesen nähern, sind folgende:</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Erstens</hi>: Die Akkumulation des eigentlichen Geldkapitals. Wie<lb/>
weit und wieweit nicht ist sie Anzeichen von wirklicher Akku-<lb/>
mulation des Kapitals, d. h. von Reproduktion auf erweiterter<lb/>
Stufenleiter? Die sog. Plethora des Kapitals, ein Ausdruck, der<lb/>
immer nur vom zinstragenden, i.e. Geldkapital gebraucht wird, ist<lb/>
sie nur eine besondre Manier, die industrielle Ueberproduktion aus-<lb/>
zudrücken, oder bildet sie ein besondres Phänomen neben ihr?<lb/>
Fällt diese Plethora, dies Ueberangebot von Geldkapital zusammen<lb/>
mit Vorhandensein stagnanter Geldmassen (Barren, Goldgeld und<lb/>
Banknoten), sodass dieser Ueberfluss an wirklichem Geld Ausdruck<lb/>
und Erscheinungsform jener Plethora von Leihkapital ist?</p><lb/>
            <p>Und <hi rendition="#g">zweitens</hi>: Wie weit drückt Geldklemme, d. h. Mangel an Leih-<lb/>
kapital, einen Mangel an wirklichem Kapital (Waarenkapital und pro-<lb/>
duktivem Kapital) aus? Wie weit fällt sie andrerseits zusammen<lb/>
mit Mangel an Geld als solchem, Mangel an Cirkulationsmitteln?</p><lb/>
            <p>Soweit wir die eigenthümliche Form der Akkumulation des Geld-<lb/>
kapitals und Geldvermögens überhaupt bis jetzt betrachtet haben,<lb/>
hat sie sich aufgelöst in Akkumulation von Ansprüchen des Eigen-<lb/>
thums auf die Arbeit. Die Akkumulation des Kapitals der Staats-<lb/>
schuld heisst, wie sich gezeigt hat, weiter nichts als Vermehrung<lb/>
einer Klasse von Staatsgläubigern, die gewisse Summen auf den<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0022] „Die Londoner billbrokers .... führten ihr enormes Geschäft ohne irgend welche Reserve in baar; sie verliessen sich auf die Ein- gänge von ihren nach und nach verfallenden Wechseln, oder im Nothfall auf ihre Macht, Vorschüsse von der Bank von England gegen Depôt der von ihnen diskontirten Wechsel zu erhalten.“ — Zwei Firmen von billbrokers in London stellten ihre Zahlungen 1847 ein; beide nahmen das Geschäft später wieder auf. 1857 suspendirten sie wieder. Die Passiva des einen Hauses waren 1847 in runder Zahl 2683000 £ bei einem Kapital von 180000 £; seine Passiva waren 1857 = 5300000 £, während das Kapital wahrscheinlich nicht mehr als einviertel betrug von dem, was es 1847 gewesen. Die Passiva der andern Firma waren beidemal zwischen 3 und 4 Millionen, bei einem Kapital von nicht mehr als 45000 £.“ (ibidem, p. XXI, Absatz Nr. 52.) Dreissigstes Kapitel. Geldkapital und wirkliches Kapital. I. Die einzig schwierigen Fragen, denen wir uns jetzt mit Be- ziehung auf das Kreditwesen nähern, sind folgende: Erstens: Die Akkumulation des eigentlichen Geldkapitals. Wie weit und wieweit nicht ist sie Anzeichen von wirklicher Akku- mulation des Kapitals, d. h. von Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter? Die sog. Plethora des Kapitals, ein Ausdruck, der immer nur vom zinstragenden, i.e. Geldkapital gebraucht wird, ist sie nur eine besondre Manier, die industrielle Ueberproduktion aus- zudrücken, oder bildet sie ein besondres Phänomen neben ihr? Fällt diese Plethora, dies Ueberangebot von Geldkapital zusammen mit Vorhandensein stagnanter Geldmassen (Barren, Goldgeld und Banknoten), sodass dieser Ueberfluss an wirklichem Geld Ausdruck und Erscheinungsform jener Plethora von Leihkapital ist? Und zweitens: Wie weit drückt Geldklemme, d. h. Mangel an Leih- kapital, einen Mangel an wirklichem Kapital (Waarenkapital und pro- duktivem Kapital) aus? Wie weit fällt sie andrerseits zusammen mit Mangel an Geld als solchem, Mangel an Cirkulationsmitteln? Soweit wir die eigenthümliche Form der Akkumulation des Geld- kapitals und Geldvermögens überhaupt bis jetzt betrachtet haben, hat sie sich aufgelöst in Akkumulation von Ansprüchen des Eigen- thums auf die Arbeit. Die Akkumulation des Kapitals der Staats- schuld heisst, wie sich gezeigt hat, weiter nichts als Vermehrung einer Klasse von Staatsgläubigern, die gewisse Summen auf den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/22
Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/22>, abgerufen am 03.12.2024.