Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

Aeusserungen ihres gemeinsamen Willens und als der Einzelpartei
gegenüber von Staatswegen erzwingbare Kontrakte erscheinen, können
als blosse Formen diesen Inhalt selbst nicht bestimmen. Sie drücken
ihn nur aus. Dieser Inhalt ist gerecht, sobald er der Produktions-
weise entspricht, ihr adäquat ist. Er ist ungerecht, sobald er ihr
widerspricht. Sklaverei, auf Basis der kapitalistischen Produk-
tionsweise, ist ungerecht; ebenso der Betrug auf die Qualität der
Waare.

Die 100 £ produciren dadurch den Profit von 20 £, dass sie
als Kapital fungiren, sei es als industrielles oder merkantiles. Aber
das sine qua non dieser Funktion als Kapital ist, dass sie als
Kapital verausgabt werden, das Geld also ausgelegt wird im An-
kauf von Produktionsmitteln (beim industriellen Kapital) oder von
Waare (beim merkantilen Kapital). Aber um verausgabt zu werden,
muss es da sein. Wenn A, der Eigner der 100 £, sie entweder
zu seiner Privatkonsumtion verausgabte, oder sie als Schatz bei
sich behielte, könnten sie von B, dem fungirenden Kapitalisten,
nicht als Kapital verausgabt werden. Er verausgabt nicht sein
Kapital, sondern das von A; aber er kann das Kapital von A nicht
verausgaben ohne den Willen von A. In der That ist es also A,
der ursprünglich die 100 £ als Kapital verausgabt, obgleich sich
auf diese Verausgabung der 100 £ als Kapital seine ganze Funktion
als Kapitalist beschränkt. Soweit diese 100 £ in Betracht kommen,
fungirt B nur als Kapitalist, weil A ihm die 100 £ überlässt,
und sie daher als Kapital verausgabt.

Betrachten wir zunächst die eigenthümliche Cirkulation des zins-
tragenden Kapitals. Es ist dann in zweiter Instanz zu untersuchen
die eigne Art, wie es als Waare verkauft wird, nämlich verliehen
statt ein für alle Mal abgetreten.

Der Ausgangspunkt ist das Geld, das A dem B vorschiesst. Es
kann dies mit oder ohne Unterpfand geschehn; die erstere Form
ist jedoch die alterthümlichere, mit Ausnahme der Vorschüsse auf
Waaren oder auf Schuldpapiere wie Wechsel, Aktien etc. Diese be-
sondren Formen gehn uns hier nichts an. Wir haben es hier mit
dem zinstragenden Kapital in seiner gewöhnlichen Form zu thun.

In der Hand von B wird das Geld wirklich in Kapital ver-
wandelt, macht die Bewegung G--W--G' durch und kehrt dann
als G' zu A zurück, als G + DG, wo DG den Zins vorstellt. Der
Vereinfachung halber sehn wir hier einstweilen von dem Fall ab,
wo das Kapital auf längre Zeit in der Hand von B bleibt, und
die Zinsen terminsweise gezahlt werden.


Aeusserungen ihres gemeinsamen Willens und als der Einzelpartei
gegenüber von Staatswegen erzwingbare Kontrakte erscheinen, können
als blosse Formen diesen Inhalt selbst nicht bestimmen. Sie drücken
ihn nur aus. Dieser Inhalt ist gerecht, sobald er der Produktions-
weise entspricht, ihr adäquat ist. Er ist ungerecht, sobald er ihr
widerspricht. Sklaverei, auf Basis der kapitalistischen Produk-
tionsweise, ist ungerecht; ebenso der Betrug auf die Qualität der
Waare.

Die 100 £ produciren dadurch den Profit von 20 £, dass sie
als Kapital fungiren, sei es als industrielles oder merkantiles. Aber
das sine qua non dieser Funktion als Kapital ist, dass sie als
Kapital verausgabt werden, das Geld also ausgelegt wird im An-
kauf von Produktionsmitteln (beim industriellen Kapital) oder von
Waare (beim merkantilen Kapital). Aber um verausgabt zu werden,
muss es da sein. Wenn A, der Eigner der 100 £, sie entweder
zu seiner Privatkonsumtion verausgabte, oder sie als Schatz bei
sich behielte, könnten sie von B, dem fungirenden Kapitalisten,
nicht als Kapital verausgabt werden. Er verausgabt nicht sein
Kapital, sondern das von A; aber er kann das Kapital von A nicht
verausgaben ohne den Willen von A. In der That ist es also A,
der ursprünglich die 100 £ als Kapital verausgabt, obgleich sich
auf diese Verausgabung der 100 £ als Kapital seine ganze Funktion
als Kapitalist beschränkt. Soweit diese 100 £ in Betracht kommen,
fungirt B nur als Kapitalist, weil A ihm die 100 £ überlässt,
und sie daher als Kapital verausgabt.

Betrachten wir zunächst die eigenthümliche Cirkulation des zins-
tragenden Kapitals. Es ist dann in zweiter Instanz zu untersuchen
die eigne Art, wie es als Waare verkauft wird, nämlich verliehen
statt ein für alle Mal abgetreten.

Der Ausgangspunkt ist das Geld, das A dem B vorschiesst. Es
kann dies mit oder ohne Unterpfand geschehn; die erstere Form
ist jedoch die alterthümlichere, mit Ausnahme der Vorschüsse auf
Waaren oder auf Schuldpapiere wie Wechsel, Aktien etc. Diese be-
sondren Formen gehn uns hier nichts an. Wir haben es hier mit
dem zinstragenden Kapital in seiner gewöhnlichen Form zu thun.

In der Hand von B wird das Geld wirklich in Kapital ver-
wandelt, macht die Bewegung G—W—G' durch und kehrt dann
als G' zu A zurück, als G + ΔG, wo ΔG den Zins vorstellt. Der
Vereinfachung halber sehn wir hier einstweilen von dem Fall ab,
wo das Kapital auf längre Zeit in der Hand von B bleibt, und
die Zinsen terminsweise gezahlt werden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0358" n="324"/>
Aeusserungen ihres gemeinsamen Willens und als der Einzelpartei<lb/>
gegenüber von Staatswegen erzwingbare Kontrakte erscheinen, können<lb/>
als blosse Formen diesen Inhalt selbst nicht bestimmen. Sie drücken<lb/>
ihn nur aus. Dieser Inhalt ist gerecht, sobald er der Produktions-<lb/>
weise entspricht, ihr adäquat ist. Er ist ungerecht, sobald er ihr<lb/>
widerspricht. Sklaverei, auf Basis der kapitalistischen Produk-<lb/>
tionsweise, ist ungerecht; ebenso der Betrug auf die Qualität der<lb/>
Waare.</p><lb/>
            <p>Die 100 <hi rendition="#i">£</hi> produciren dadurch den Profit von 20 <hi rendition="#i">£</hi>, dass sie<lb/>
als Kapital fungiren, sei es als industrielles oder merkantiles. Aber<lb/>
das sine qua non dieser Funktion als Kapital ist, dass sie als<lb/>
Kapital verausgabt werden, das Geld also ausgelegt wird im An-<lb/>
kauf von Produktionsmitteln (beim industriellen Kapital) oder von<lb/>
Waare (beim merkantilen Kapital). Aber um verausgabt zu werden,<lb/>
muss es da sein. Wenn A, der Eigner der 100 <hi rendition="#i">£</hi>, sie entweder<lb/>
zu seiner Privatkonsumtion verausgabte, oder sie als Schatz bei<lb/>
sich behielte, könnten sie von B, dem fungirenden Kapitalisten,<lb/>
nicht als Kapital verausgabt werden. Er verausgabt nicht sein<lb/>
Kapital, sondern das von A; aber er kann das Kapital von A nicht<lb/>
verausgaben ohne den Willen von A. In der That ist es also A,<lb/>
der ursprünglich die 100 <hi rendition="#i">£</hi> als Kapital verausgabt, obgleich sich<lb/>
auf diese Verausgabung der 100 <hi rendition="#i">£</hi> als Kapital seine ganze Funktion<lb/>
als Kapitalist beschränkt. Soweit diese 100 <hi rendition="#i">£</hi> in Betracht kommen,<lb/>
fungirt B nur als Kapitalist, weil A ihm die 100 <hi rendition="#i">£</hi> überlässt,<lb/>
und sie daher als Kapital verausgabt.</p><lb/>
            <p>Betrachten wir zunächst die eigenthümliche Cirkulation des zins-<lb/>
tragenden Kapitals. Es ist dann in zweiter Instanz zu untersuchen<lb/>
die eigne Art, wie es als Waare verkauft wird, nämlich verliehen<lb/>
statt ein für alle Mal abgetreten.</p><lb/>
            <p>Der Ausgangspunkt ist das Geld, das A dem B vorschiesst. Es<lb/>
kann dies mit oder ohne Unterpfand geschehn; die erstere Form<lb/>
ist jedoch die alterthümlichere, mit Ausnahme der Vorschüsse auf<lb/>
Waaren oder auf Schuldpapiere wie Wechsel, Aktien etc. Diese be-<lb/>
sondren Formen gehn uns hier nichts an. Wir haben es hier mit<lb/>
dem zinstragenden Kapital in seiner gewöhnlichen Form zu thun.</p><lb/>
            <p>In der Hand von B wird das Geld wirklich in Kapital ver-<lb/>
wandelt, macht die Bewegung G&#x2014;W&#x2014;G' durch und kehrt dann<lb/>
als G' zu A zurück, als G + <hi rendition="#i">&#x0394;</hi>G, wo <hi rendition="#i">&#x0394;</hi>G den Zins vorstellt. Der<lb/>
Vereinfachung halber sehn wir hier einstweilen von dem Fall ab,<lb/>
wo das Kapital auf längre Zeit in der Hand von B bleibt, und<lb/>
die Zinsen terminsweise gezahlt werden.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[324/0358] Aeusserungen ihres gemeinsamen Willens und als der Einzelpartei gegenüber von Staatswegen erzwingbare Kontrakte erscheinen, können als blosse Formen diesen Inhalt selbst nicht bestimmen. Sie drücken ihn nur aus. Dieser Inhalt ist gerecht, sobald er der Produktions- weise entspricht, ihr adäquat ist. Er ist ungerecht, sobald er ihr widerspricht. Sklaverei, auf Basis der kapitalistischen Produk- tionsweise, ist ungerecht; ebenso der Betrug auf die Qualität der Waare. Die 100 £ produciren dadurch den Profit von 20 £, dass sie als Kapital fungiren, sei es als industrielles oder merkantiles. Aber das sine qua non dieser Funktion als Kapital ist, dass sie als Kapital verausgabt werden, das Geld also ausgelegt wird im An- kauf von Produktionsmitteln (beim industriellen Kapital) oder von Waare (beim merkantilen Kapital). Aber um verausgabt zu werden, muss es da sein. Wenn A, der Eigner der 100 £, sie entweder zu seiner Privatkonsumtion verausgabte, oder sie als Schatz bei sich behielte, könnten sie von B, dem fungirenden Kapitalisten, nicht als Kapital verausgabt werden. Er verausgabt nicht sein Kapital, sondern das von A; aber er kann das Kapital von A nicht verausgaben ohne den Willen von A. In der That ist es also A, der ursprünglich die 100 £ als Kapital verausgabt, obgleich sich auf diese Verausgabung der 100 £ als Kapital seine ganze Funktion als Kapitalist beschränkt. Soweit diese 100 £ in Betracht kommen, fungirt B nur als Kapitalist, weil A ihm die 100 £ überlässt, und sie daher als Kapital verausgabt. Betrachten wir zunächst die eigenthümliche Cirkulation des zins- tragenden Kapitals. Es ist dann in zweiter Instanz zu untersuchen die eigne Art, wie es als Waare verkauft wird, nämlich verliehen statt ein für alle Mal abgetreten. Der Ausgangspunkt ist das Geld, das A dem B vorschiesst. Es kann dies mit oder ohne Unterpfand geschehn; die erstere Form ist jedoch die alterthümlichere, mit Ausnahme der Vorschüsse auf Waaren oder auf Schuldpapiere wie Wechsel, Aktien etc. Diese be- sondren Formen gehn uns hier nichts an. Wir haben es hier mit dem zinstragenden Kapital in seiner gewöhnlichen Form zu thun. In der Hand von B wird das Geld wirklich in Kapital ver- wandelt, macht die Bewegung G—W—G' durch und kehrt dann als G' zu A zurück, als G + ΔG, wo ΔG den Zins vorstellt. Der Vereinfachung halber sehn wir hier einstweilen von dem Fall ab, wo das Kapital auf längre Zeit in der Hand von B bleibt, und die Zinsen terminsweise gezahlt werden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0301_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0301_1894/358
Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0301_1894/358>, abgerufen am 27.04.2024.