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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894.

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der rasche Umschlag des Kaufmannskapitals möglich bleibe. Ist
der Reproduktionsprocess überhaupt langsam, so der Umschlag des
Kaufmannskapitals. Nun vermittelt zwar das Kaufmannskapital
den Umschlag des produktiven Kapitals; aber nur soweit es dessen
Umlaufszeit verkürzt. Es wirkt nicht direkt auf die Produktions-
zeit, die ebenfalls eine Schranke für die Umschlagszeit des indu-
striellen Kapitals bildet. Dies ist die erste Grenze für den Um-
schlag des Kaufmannskapitals. Zweitens aber, abgesehn von der
durch die reproduktive Konsumtion gebildeten Schranke, ist dieser Um-
schlag schliesslich beschränkt durch die Geschwindigkeit und den Um-
fang der gesammten individuellen Konsumtion, da der ganze in den Kon-
sumtionsfonds eingehende Theil des Waarenkapitals davon abhängt.

Nun aber (ganz abgesehn von den Umschlägen innerhalb der
Kaufmannswelt, wo ein Kaufmann dieselbe Waare immer an den
andern verkauft und diese Art Cirkulation in spekulativen Zeiten
sehr blühend aussehn mag) verkürzt das Kaufmannskapital erstens
die Phase W--G für das produktive Kapital. Zweitens, bei dem
modernen Kreditsystem, verfügt es über einen grossen Theil des
Gesammtgeldkapitals der Gesellschaft, sodass es seine Einkäufe
wiederholen kann, bevor es das schon Gekaufte definitiv verkauft
hat; wobei es gleichgültig ist, ob unser Kaufmann direkt an den
letzten Konsumenten verkauft, oder zwischen diesen beiden 12 andre
Kaufleute liegen. Bei der ungeheuren Elasticität des Reproduk-
tionsprocesses, der beständig über jede gegebne Schranke hinaus-
getrieben werden kann, findet er keine Schranke an der Produktion
selbst, oder nur eine sehr elastische. Ausser der Trennung von
W--G und G--W, die aus der Natur der Waare folgt, wird hier
also eine fiktive Nachfrage geschaffen. Trotz ihrer Verselbstän-
digung ist die Bewegung des Kaufmannskapitals nie etwas andres
als die Bewegung des industriellen Kapitals innerhalb der Cirku-
lationssphäre. Aber kraft seiner Verselbständigung bewegt es sich
innerhalb gewisser Grenzen unabhängig von den Schranken des
Reproduktionsprocesses, und treibt ihn daher selbst über seine
Schranken hinaus. Die innere Abhängigkeit, die äussere Selbstän-
digkeit treiben es bis zu einem Punkt, wo der innere Zusammen-
hang gewaltsam, durch eine Krise, wieder hergestellt wird.

Daher das Phänomen in den Krisen, dass sie nicht zuerst sich
zeigen und ausbrechen beim Detailverkauf, der es mit der unmittel-
baren Konsumtion zu thun hat, sondern in den Sphären des Gross-
handels und der Banken, die diesem das Geldkapital der Gesell-
schaft zur Verfügung stellen.


der rasche Umschlag des Kaufmannskapitals möglich bleibe. Ist
der Reproduktionsprocess überhaupt langsam, so der Umschlag des
Kaufmannskapitals. Nun vermittelt zwar das Kaufmannskapital
den Umschlag des produktiven Kapitals; aber nur soweit es dessen
Umlaufszeit verkürzt. Es wirkt nicht direkt auf die Produktions-
zeit, die ebenfalls eine Schranke für die Umschlagszeit des indu-
striellen Kapitals bildet. Dies ist die erste Grenze für den Um-
schlag des Kaufmannskapitals. Zweitens aber, abgesehn von der
durch die reproduktive Konsumtion gebildeten Schranke, ist dieser Um-
schlag schliesslich beschränkt durch die Geschwindigkeit und den Um-
fang der gesammten individuellen Konsumtion, da der ganze in den Kon-
sumtionsfonds eingehende Theil des Waarenkapitals davon abhängt.

Nun aber (ganz abgesehn von den Umschlägen innerhalb der
Kaufmannswelt, wo ein Kaufmann dieselbe Waare immer an den
andern verkauft und diese Art Cirkulation in spekulativen Zeiten
sehr blühend aussehn mag) verkürzt das Kaufmannskapital erstens
die Phase W—G für das produktive Kapital. Zweitens, bei dem
modernen Kreditsystem, verfügt es über einen grossen Theil des
Gesammtgeldkapitals der Gesellschaft, sodass es seine Einkäufe
wiederholen kann, bevor es das schon Gekaufte definitiv verkauft
hat; wobei es gleichgültig ist, ob unser Kaufmann direkt an den
letzten Konsumenten verkauft, oder zwischen diesen beiden 12 andre
Kaufleute liegen. Bei der ungeheuren Elasticität des Reproduk-
tionsprocesses, der beständig über jede gegebne Schranke hinaus-
getrieben werden kann, findet er keine Schranke an der Produktion
selbst, oder nur eine sehr elastische. Ausser der Trennung von
W—G und G—W, die aus der Natur der Waare folgt, wird hier
also eine fiktive Nachfrage geschaffen. Trotz ihrer Verselbstän-
digung ist die Bewegung des Kaufmannskapitals nie etwas andres
als die Bewegung des industriellen Kapitals innerhalb der Cirku-
lationssphäre. Aber kraft seiner Verselbständigung bewegt es sich
innerhalb gewisser Grenzen unabhängig von den Schranken des
Reproduktionsprocesses, und treibt ihn daher selbst über seine
Schranken hinaus. Die innere Abhängigkeit, die äussere Selbstän-
digkeit treiben es bis zu einem Punkt, wo der innere Zusammen-
hang gewaltsam, durch eine Krise, wieder hergestellt wird.

Daher das Phänomen in den Krisen, dass sie nicht zuerst sich
zeigen und ausbrechen beim Detailverkauf, der es mit der unmittel-
baren Konsumtion zu thun hat, sondern in den Sphären des Gross-
handels und der Banken, die diesem das Geldkapital der Gesell-
schaft zur Verfügung stellen.


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[288/0322] der rasche Umschlag des Kaufmannskapitals möglich bleibe. Ist der Reproduktionsprocess überhaupt langsam, so der Umschlag des Kaufmannskapitals. Nun vermittelt zwar das Kaufmannskapital den Umschlag des produktiven Kapitals; aber nur soweit es dessen Umlaufszeit verkürzt. Es wirkt nicht direkt auf die Produktions- zeit, die ebenfalls eine Schranke für die Umschlagszeit des indu- striellen Kapitals bildet. Dies ist die erste Grenze für den Um- schlag des Kaufmannskapitals. Zweitens aber, abgesehn von der durch die reproduktive Konsumtion gebildeten Schranke, ist dieser Um- schlag schliesslich beschränkt durch die Geschwindigkeit und den Um- fang der gesammten individuellen Konsumtion, da der ganze in den Kon- sumtionsfonds eingehende Theil des Waarenkapitals davon abhängt. Nun aber (ganz abgesehn von den Umschlägen innerhalb der Kaufmannswelt, wo ein Kaufmann dieselbe Waare immer an den andern verkauft und diese Art Cirkulation in spekulativen Zeiten sehr blühend aussehn mag) verkürzt das Kaufmannskapital erstens die Phase W—G für das produktive Kapital. Zweitens, bei dem modernen Kreditsystem, verfügt es über einen grossen Theil des Gesammtgeldkapitals der Gesellschaft, sodass es seine Einkäufe wiederholen kann, bevor es das schon Gekaufte definitiv verkauft hat; wobei es gleichgültig ist, ob unser Kaufmann direkt an den letzten Konsumenten verkauft, oder zwischen diesen beiden 12 andre Kaufleute liegen. Bei der ungeheuren Elasticität des Reproduk- tionsprocesses, der beständig über jede gegebne Schranke hinaus- getrieben werden kann, findet er keine Schranke an der Produktion selbst, oder nur eine sehr elastische. Ausser der Trennung von W—G und G—W, die aus der Natur der Waare folgt, wird hier also eine fiktive Nachfrage geschaffen. Trotz ihrer Verselbstän- digung ist die Bewegung des Kaufmannskapitals nie etwas andres als die Bewegung des industriellen Kapitals innerhalb der Cirku- lationssphäre. Aber kraft seiner Verselbständigung bewegt es sich innerhalb gewisser Grenzen unabhängig von den Schranken des Reproduktionsprocesses, und treibt ihn daher selbst über seine Schranken hinaus. Die innere Abhängigkeit, die äussere Selbstän- digkeit treiben es bis zu einem Punkt, wo der innere Zusammen- hang gewaltsam, durch eine Krise, wieder hergestellt wird. Daher das Phänomen in den Krisen, dass sie nicht zuerst sich zeigen und ausbrechen beim Detailverkauf, der es mit der unmittel- baren Konsumtion zu thun hat, sondern in den Sphären des Gross- handels und der Banken, die diesem das Geldkapital der Gesell- schaft zur Verfügung stellen.

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0301_1894/322>, abgerufen am 26.04.2024.