Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692.

Bild:
<< vorherige Seite

ist es/ daß derjenige/ welcher immerdar em-
pfängt/ darum kein Recht hat/ allezeit zu
fordern.

XXXIIX.

Die Undanckbarkeit ist ein sehr gemei-
nes Ding. Es geschiehet selten/ daß die
Erinnerung einer Wohlthat/ länger als
einen Tag/ währet. Die Grösse einer
Wohlthat wird leichtlich ausgelöscht/
durch die Grösse der Beleidigung/ und es
sind die Menschen so verkehret/ daß sie ih-
nen einbilden/ sie seyn nicht mehr schuldig an
die Wolthaten zu gedencken/ wann man sie
beleidiget hat.

XXXIX.

Lasse dich nicht verblenden durch die
Gunst der Grossen/ und gründe dich nicht
allzusehr auff ihre Freundschafft. Man
kan mit entlehnten Flügeln nicht gar hoch
fliegen. Es ist nichts unbeständigers als
das Glück/ es stürtzt offtmals diejenige/
welche es ihm vorgenommen zu erhöhen;
aber wann schon dieses nicht geschicht/ so
solt du doch vor gewiß wissen/ daß die Men-
schen nicht eben allezeit diejenige Gedan-
cken haben.

XL.

iſt es/ daß derjenige/ welcher immerdar em-
pfaͤngt/ darum kein Recht hat/ allezeit zu
fordern.

XXXIIX.

Die Undanckbarkeit iſt ein ſehr gemei-
nes Ding. Es geſchiehet ſelten/ daß die
Erinnerung einer Wohlthat/ laͤnger als
einen Tag/ waͤhret. Die Groͤſſe einer
Wohlthat wird leichtlich ausgeloͤſcht/
durch die Groͤſſe der Beleidigung/ und es
ſind die Menſchen ſo verkehret/ daß ſie ih-
nen einbilden/ ſie ſeyn nicht mehr ſchuldig an
die Wolthaten zu gedencken/ wann man ſie
beleidiget hat.

XXXIX.

Laſſe dich nicht verblenden durch die
Gunſt der Groſſen/ und gruͤnde dich nicht
allzuſehr auff ihre Freundſchafft. Man
kan mit entlehnten Fluͤgeln nicht gar hoch
fliegen. Es iſt nichts unbeſtaͤndigers als
das Gluͤck/ es ſtuͤrtzt offtmals diejenige/
welche es ihm vorgenommen zu erhoͤhen;
aber wann ſchon dieſes nicht geſchicht/ ſo
ſolt du doch vor gewiß wiſſen/ daß die Men-
ſchen nicht eben allezeit diejenige Gedan-
cken haben.

XL.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0029" n="18"/>
i&#x017F;t es/ daß derjenige/ welcher immerdar em-<lb/>
pfa&#x0364;ngt/ darum kein Recht hat/ allezeit zu<lb/>
fordern.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">XXXIIX.</hi> </head><lb/>
          <p>Die Undanckbarkeit i&#x017F;t ein &#x017F;ehr gemei-<lb/>
nes Ding. Es ge&#x017F;chiehet &#x017F;elten/ daß die<lb/>
Erinnerung einer Wohlthat/ la&#x0364;nger als<lb/>
einen Tag/ wa&#x0364;hret. Die Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e einer<lb/>
Wohlthat wird leichtlich ausgelo&#x0364;&#x017F;cht/<lb/>
durch die Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e der Beleidigung/ und es<lb/>
&#x017F;ind die Men&#x017F;chen &#x017F;o verkehret/ daß &#x017F;ie ih-<lb/>
nen einbilden/ &#x017F;ie &#x017F;eyn nicht mehr &#x017F;chuldig an<lb/>
die Wolthaten zu gedencken/ wann man &#x017F;ie<lb/>
beleidiget hat.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">XXXIX.</hi> </head><lb/>
          <p>La&#x017F;&#x017F;e dich nicht verblenden durch die<lb/>
Gun&#x017F;t der Gro&#x017F;&#x017F;en/ und gru&#x0364;nde dich nicht<lb/>
allzu&#x017F;ehr auff ihre Freund&#x017F;chafft. Man<lb/>
kan mit entlehnten Flu&#x0364;geln nicht gar hoch<lb/>
fliegen. Es i&#x017F;t nichts unbe&#x017F;ta&#x0364;ndigers als<lb/>
das Glu&#x0364;ck/ es &#x017F;tu&#x0364;rtzt offtmals diejenige/<lb/>
welche es ihm vorgenommen zu erho&#x0364;hen;<lb/>
aber wann &#x017F;chon die&#x017F;es nicht ge&#x017F;chicht/ &#x017F;o<lb/>
&#x017F;olt du doch vor gewiß wi&#x017F;&#x017F;en/ daß die Men-<lb/>
&#x017F;chen nicht eben allezeit diejenige Gedan-<lb/>
cken haben.</p>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">XL.</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0029] iſt es/ daß derjenige/ welcher immerdar em- pfaͤngt/ darum kein Recht hat/ allezeit zu fordern. XXXIIX. Die Undanckbarkeit iſt ein ſehr gemei- nes Ding. Es geſchiehet ſelten/ daß die Erinnerung einer Wohlthat/ laͤnger als einen Tag/ waͤhret. Die Groͤſſe einer Wohlthat wird leichtlich ausgeloͤſcht/ durch die Groͤſſe der Beleidigung/ und es ſind die Menſchen ſo verkehret/ daß ſie ih- nen einbilden/ ſie ſeyn nicht mehr ſchuldig an die Wolthaten zu gedencken/ wann man ſie beleidiget hat. XXXIX. Laſſe dich nicht verblenden durch die Gunſt der Groſſen/ und gruͤnde dich nicht allzuſehr auff ihre Freundſchafft. Man kan mit entlehnten Fluͤgeln nicht gar hoch fliegen. Es iſt nichts unbeſtaͤndigers als das Gluͤck/ es ſtuͤrtzt offtmals diejenige/ welche es ihm vorgenommen zu erhoͤhen; aber wann ſchon dieſes nicht geſchicht/ ſo ſolt du doch vor gewiß wiſſen/ daß die Men- ſchen nicht eben allezeit diejenige Gedan- cken haben. XL.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692/29
Zitationshilfe: [N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692/29>, abgerufen am 21.12.2024.