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[N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692.

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und an dem der Neid nichts vermag. Be-
fleisse dich/ daß du dich mögest zum Herrn
über dieses Gut machen: Ich versichere
dich/ daß du es kanst/ iedoch weil kein
Mensch ist/ der dir diesen Schatz geben kan/
so must du es doch auch demjenigen nicht
mißgönnen/ die ihn gefunden haben. Was
vor ein Guth auch ein Mann von dem
Glück empfangen/ so ist er doch deswegen
nicht glückseliger/ und sein scheinliches Glück
soll in deinem Hertzen keine Eyfersucht er-
wecken/ trage vielmehr ein Mitleiden mit
demselben/ und beklage ihn/ daß er dem
Hochmuth und dem Willen der Fortun
unterworffen ist.

LXII.

Wann du einen sehr reichen Mann sie-
hest/ und dem es wohl gehet/ so hüte dich
wohl/ daß du ihn nicht vor glückselich schä-
tzest: Ich sage vielmehr mit einem Mitlei-
den/ ach! er ist nicht weit von seinem Fall/
auffs wenigste stehet ihm ein grosses Unheil
vor/ und wann er lange lebet/ so wird er viel
Widerwärtigkeit ausstehen müssen. Allen
solchen verdrießlichen Zufällen ist man nicht
unterworffen/ wann man in einem mittel-
mäßigen Stande lebet/ und wenig Reich-

thum

und an dem der Neid nichts vermag. Be-
fleiſſe dich/ daß du dich moͤgeſt zum Herrn
uͤber dieſes Gut machen: Ich verſichere
dich/ daß du es kanſt/ iedoch weil kein
Menſch iſt/ der dir dieſen Schatz geben kan/
ſo muſt du es doch auch demjenigen nicht
mißgoͤnnen/ die ihn gefunden haben. Was
vor ein Guth auch ein Mann von dem
Gluͤck empfangen/ ſo iſt er doch deswegen
nicht gluͤckſeliger/ und ſein ſcheinliches Gluͤck
ſoll in deinem Hertzen keine Eyferſucht er-
wecken/ trage vielmehr ein Mitleiden mit
demſelben/ und beklage ihn/ daß er dem
Hochmuth und dem Willen der Fortun
unterworffen iſt.

LXII.

Wann du einen ſehr reichen Mann ſie-
heſt/ und dem es wohl gehet/ ſo huͤte dich
wohl/ daß du ihn nicht vor gluͤckſelich ſchaͤ-
tzeſt: Ich ſage vielmehr mit einem Mitlei-
den/ ach! er iſt nicht weit von ſeinem Fall/
auffs wenigſte ſtehet ihm ein groſſes Unheil
vor/ und wann er lange lebet/ ſo wird er viel
Widerwaͤrtigkeit ausſtehen muͤſſen. Allen
ſolchen verdrießlichen Zufaͤllen iſt man nicht
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maͤßigen Stande lebet/ und wenig Reich-

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[136[126]/0137] und an dem der Neid nichts vermag. Be- fleiſſe dich/ daß du dich moͤgeſt zum Herrn uͤber dieſes Gut machen: Ich verſichere dich/ daß du es kanſt/ iedoch weil kein Menſch iſt/ der dir dieſen Schatz geben kan/ ſo muſt du es doch auch demjenigen nicht mißgoͤnnen/ die ihn gefunden haben. Was vor ein Guth auch ein Mann von dem Gluͤck empfangen/ ſo iſt er doch deswegen nicht gluͤckſeliger/ und ſein ſcheinliches Gluͤck ſoll in deinem Hertzen keine Eyferſucht er- wecken/ trage vielmehr ein Mitleiden mit demſelben/ und beklage ihn/ daß er dem Hochmuth und dem Willen der Fortun unterworffen iſt. LXII. Wann du einen ſehr reichen Mann ſie- heſt/ und dem es wohl gehet/ ſo huͤte dich wohl/ daß du ihn nicht vor gluͤckſelich ſchaͤ- tzeſt: Ich ſage vielmehr mit einem Mitlei- den/ ach! er iſt nicht weit von ſeinem Fall/ auffs wenigſte ſtehet ihm ein groſſes Unheil vor/ und wann er lange lebet/ ſo wird er viel Widerwaͤrtigkeit ausſtehen muͤſſen. Allen ſolchen verdrießlichen Zufaͤllen iſt man nicht unterworffen/ wann man in einem mittel- maͤßigen Stande lebet/ und wenig Reich- thum

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Zitationshilfe: [N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692, S. 136[126]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692/137>, abgerufen am 30.12.2024.