Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Erwerbung des Eigenthums.
Eigenthümer der Sache zu werden. Daher kann 1) die
bloße Erklärung einer Nation, daß sie einen Districkt sich
zueignen wolle, den sie noch nicht in Besitz genommen, die
übrigen Mächte an den Gebrauch oder die Besitznahme
desselben nicht verhindern; eben so wenig kann 2) eine Schen-
kung des Pabsts a) selbst wenn dieser als Statthalter
Christi betrachtet wird, oder ein Vertrag zweyer Völ-
ker b) den Rechten anderer Völker Grenzen setzen; auch
3) das bloße Besuchen eines Landes oder einer Insel, wenn
diese ohne Zeichen des behaupteten Eigenthums zurückzu-
lassen wieder verlassen worden, andere Völker an deren Oc-
cupation nicht verhindern. Ob aber bloße Zeichen, wie
Wappen, Kreuze, Inschriften u. s. f. zu Erwerbung und
Erhaltung des Eigenthums hinreichen, und nicht wirklicher
Anbau erfordert werde, ist, wenigstens zweifelhaft, und
mehrmahls gestritten c).

a) Bulle Pabst Nicolaus V. von 1454 in du Mont Corps D.
T. III. P. I. p.
200. Die Bestädtigungen Sixtus IV. von 1481.
Schmauss corp. iuv. Gent. T. I. p. 112. Alexander VI. 1493.
Schmauss T. I.
S. 130. du Mont T. III. P. II. p. 302.
b) Vertrag zwischen Spanien und Portugal zu Tordesillas 1494 vom
Pabst 1506 bestädtiget. Rousset Suppl. T. II. P. I. p. 28. s. hie-
von überhaupt Günther E. V. R. Th. II. S. 7. not. a.
c) Siehe die englische Erklärung gegen Spanien 1580, in Camb-
deni
Brit. annales ad h. a.
und dagegen das brittische Verfah-
ren als die Engländer die Falklands-Inseln verließen 1774. in
m. Recueil T. III. p. 252. Viele lehrreiche Beyspiele hierüber
hat Günther E. V. R. Th. II. S. 13 u. f. angeführt. Auch
der neuere Streit zwischen England und Spanien über den Han-
del nach Nutka-Sund gehöret hieher; s. Nouv. extraord. 1790.
n. 39. 39 supp. 47 s. 53 s. 55. 61 s. 62 s. 66 s. 68 s. 70 s. 79 s. 85 s.
§. 32.
Wie weit sich die Occupation erstrecke.

Wenn eine Nation einen Landdistrict in Besitz ge-
nommen hat, so sind alle innerhalb seines Umkreises gele-
gene herrenlose Landtheile auch ohne specielle Besitznahme

als

Erwerbung des Eigenthums.
Eigenthuͤmer der Sache zu werden. Daher kann 1) die
bloße Erklaͤrung einer Nation, daß ſie einen Diſtrickt ſich
zueignen wolle, den ſie noch nicht in Beſitz genommen, die
uͤbrigen Maͤchte an den Gebrauch oder die Beſitznahme
deſſelben nicht verhindern; eben ſo wenig kann 2) eine Schen-
kung des Pabſts a) ſelbſt wenn dieſer als Statthalter
Chriſti betrachtet wird, oder ein Vertrag zweyer Voͤl-
ker b) den Rechten anderer Voͤlker Grenzen ſetzen; auch
3) das bloße Beſuchen eines Landes oder einer Inſel, wenn
dieſe ohne Zeichen des behaupteten Eigenthums zuruͤckzu-
laſſen wieder verlaſſen worden, andere Voͤlker an deren Oc-
cupation nicht verhindern. Ob aber bloße Zeichen, wie
Wappen, Kreuze, Inſchriften u. ſ. f. zu Erwerbung und
Erhaltung des Eigenthums hinreichen, und nicht wirklicher
Anbau erfordert werde, iſt, wenigſtens zweifelhaft, und
mehrmahls geſtritten c).

a) Bulle Pabſt Nicolaus V. von 1454 in du Mont Corps D.
T. III. P. I. p.
200. Die Beſtaͤdtigungen Sixtus IV. von 1481.
Schmauss corp. iuv. Gent. T. I. p. 112. Alexander VI. 1493.
Schmauss T. I.
S. 130. du Mont T. III. P. II. p. 302.
b) Vertrag zwiſchen Spanien und Portugal zu Tordeſillas 1494 vom
Pabſt 1506 beſtaͤdtiget. Rousset Suppl. T. II. P. I. p. 28. ſ. hie-
von uͤberhaupt Guͤnther E. V. R. Th. II. S. 7. not. a.
c) Siehe die engliſche Erklaͤrung gegen Spanien 1580, in Camb-
deni
Brit. annales ad h. a.
und dagegen das brittiſche Verfah-
ren als die Englaͤnder die Falklands-Inſeln verließen 1774. in
m. Recueil T. III. p. 252. Viele lehrreiche Beyſpiele hieruͤber
hat Guͤnther E. V. R. Th. II. S. 13 u. f. angefuͤhrt. Auch
der neuere Streit zwiſchen England und Spanien uͤber den Han-
del nach Nutka-Sund gehoͤret hieher; ſ. Nouv. extraord. 1790.
n. 39. 39 ſupp. 47 ſ. 53 ſ. 55. 61 ſ. 62 ſ. 66 ſ. 68 ſ. 70 ſ. 79 ſ. 85 ſ.
§. 32.
Wie weit ſich die Occupation erſtrecke.

Wenn eine Nation einen Landdiſtrict in Beſitz ge-
nommen hat, ſo ſind alle innerhalb ſeines Umkreiſes gele-
gene herrenloſe Landtheile auch ohne ſpecielle Beſitznahme

als
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0071" n="43"/><fw place="top" type="header">Erwerbung des Eigenthums.</fw><lb/>
Eigenthu&#x0364;mer der Sache zu werden. Daher kann 1) die<lb/>
bloße Erkla&#x0364;rung einer Nation, daß &#x017F;ie einen Di&#x017F;trickt &#x017F;ich<lb/>
zueignen wolle, den &#x017F;ie noch nicht in Be&#x017F;itz genommen, die<lb/>
u&#x0364;brigen Ma&#x0364;chte an den Gebrauch oder die Be&#x017F;itznahme<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben nicht verhindern; eben &#x017F;o wenig kann 2) eine Schen-<lb/>
kung des Pab&#x017F;ts <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">a</hi></hi>) &#x017F;elb&#x017F;t wenn die&#x017F;er als Statthalter<lb/>
Chri&#x017F;ti betrachtet wird, oder ein Vertrag zweyer Vo&#x0364;l-<lb/>
ker <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">b</hi></hi>) den Rechten anderer Vo&#x0364;lker Grenzen &#x017F;etzen; auch<lb/>
3) das bloße Be&#x017F;uchen eines Landes oder einer In&#x017F;el, wenn<lb/>
die&#x017F;e ohne Zeichen des behaupteten Eigenthums zuru&#x0364;ckzu-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en wieder verla&#x017F;&#x017F;en worden, andere Vo&#x0364;lker an deren Oc-<lb/>
cupation nicht verhindern. Ob aber bloße Zeichen, wie<lb/>
Wappen, Kreuze, In&#x017F;chriften u. &#x017F;. f. zu Erwerbung und<lb/>
Erhaltung des Eigenthums hinreichen, und nicht wirklicher<lb/>
Anbau erfordert werde, i&#x017F;t, wenig&#x017F;tens zweifelhaft, und<lb/>
mehrmahls ge&#x017F;tritten <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">c</hi></hi>).</p><lb/>
            <note place="end" n="a)">Bulle Pab&#x017F;t Nicolaus <hi rendition="#aq">V.</hi> von 1454 in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">du Mont</hi> Corps D.<lb/>
T. III. P. I. p.</hi> 200. Die Be&#x017F;ta&#x0364;dtigungen Sixtus <hi rendition="#aq">IV.</hi> von 1481.<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Schmauss</hi><hi rendition="#i">corp. iuv. Gent.</hi> T. I. p. 112. <hi rendition="#k">Alexander</hi> VI. 1493.<lb/><hi rendition="#k">Schmauss</hi> T. I.</hi> S. 130. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">du Mont</hi> T. III. P. II. p.</hi> 302.</note><lb/>
            <note place="end" n="b)">Vertrag zwi&#x017F;chen Spanien und Portugal zu Torde&#x017F;illas 1494 vom<lb/>
Pab&#x017F;t 1506 be&#x017F;ta&#x0364;dtiget. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Rousset</hi><hi rendition="#i">Suppl</hi>. T. II. P. I. p.</hi> 28. &#x017F;. hie-<lb/>
von u&#x0364;berhaupt <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Gu&#x0364;nther</hi> E. V. R.</hi> Th. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 7. <hi rendition="#aq">not. <hi rendition="#i">a</hi>.</hi></note><lb/>
            <note place="end" n="c)">Siehe die engli&#x017F;che Erkla&#x0364;rung gegen Spanien 1580, in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Camb-<lb/>
deni</hi><hi rendition="#i">Brit. annales</hi> ad h. a.</hi> und dagegen das britti&#x017F;che Verfah-<lb/>
ren als die Engla&#x0364;nder die Falklands-In&#x017F;eln verließen 1774. in<lb/>
m. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Recueil</hi> T. III. p.</hi> 252. Viele lehrreiche Bey&#x017F;piele hieru&#x0364;ber<lb/>
hat <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Gu&#x0364;nther</hi> E. V. R.</hi> Th. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 13 u. f. angefu&#x0364;hrt. Auch<lb/>
der neuere Streit zwi&#x017F;chen England und Spanien u&#x0364;ber den Han-<lb/>
del nach Nutka-Sund geho&#x0364;ret hieher; &#x017F;. <hi rendition="#aq">Nouv. extraord. 1790.<lb/>
n. 39. 39 &#x017F;upp. 47 &#x017F;. 53 &#x017F;. 55. 61 &#x017F;. 62 &#x017F;. 66 &#x017F;. 68 &#x017F;. 70 &#x017F;. 79 &#x017F;. 85 &#x017F;.</hi></note>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 32.<lb/><hi rendition="#fr">Wie weit &#x017F;ich die Occupation er&#x017F;trecke.</hi></head><lb/>
            <p>Wenn eine Nation einen Landdi&#x017F;trict in <hi rendition="#fr">Be&#x017F;itz</hi> ge-<lb/>
nommen hat, &#x017F;o &#x017F;ind alle innerhalb &#x017F;eines Umkrei&#x017F;es gele-<lb/>
gene herrenlo&#x017F;e Landtheile auch ohne &#x017F;pecielle Be&#x017F;itznahme<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">als</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0071] Erwerbung des Eigenthums. Eigenthuͤmer der Sache zu werden. Daher kann 1) die bloße Erklaͤrung einer Nation, daß ſie einen Diſtrickt ſich zueignen wolle, den ſie noch nicht in Beſitz genommen, die uͤbrigen Maͤchte an den Gebrauch oder die Beſitznahme deſſelben nicht verhindern; eben ſo wenig kann 2) eine Schen- kung des Pabſts a) ſelbſt wenn dieſer als Statthalter Chriſti betrachtet wird, oder ein Vertrag zweyer Voͤl- ker b) den Rechten anderer Voͤlker Grenzen ſetzen; auch 3) das bloße Beſuchen eines Landes oder einer Inſel, wenn dieſe ohne Zeichen des behaupteten Eigenthums zuruͤckzu- laſſen wieder verlaſſen worden, andere Voͤlker an deren Oc- cupation nicht verhindern. Ob aber bloße Zeichen, wie Wappen, Kreuze, Inſchriften u. ſ. f. zu Erwerbung und Erhaltung des Eigenthums hinreichen, und nicht wirklicher Anbau erfordert werde, iſt, wenigſtens zweifelhaft, und mehrmahls geſtritten c). a⁾ Bulle Pabſt Nicolaus V. von 1454 in du Mont Corps D. T. III. P. I. p. 200. Die Beſtaͤdtigungen Sixtus IV. von 1481. Schmauss corp. iuv. Gent. T. I. p. 112. Alexander VI. 1493. Schmauss T. I. S. 130. du Mont T. III. P. II. p. 302. b⁾ Vertrag zwiſchen Spanien und Portugal zu Tordeſillas 1494 vom Pabſt 1506 beſtaͤdtiget. Rousset Suppl. T. II. P. I. p. 28. ſ. hie- von uͤberhaupt Guͤnther E. V. R. Th. II. S. 7. not. a. c⁾ Siehe die engliſche Erklaͤrung gegen Spanien 1580, in Camb- deni Brit. annales ad h. a. und dagegen das brittiſche Verfah- ren als die Englaͤnder die Falklands-Inſeln verließen 1774. in m. Recueil T. III. p. 252. Viele lehrreiche Beyſpiele hieruͤber hat Guͤnther E. V. R. Th. II. S. 13 u. f. angefuͤhrt. Auch der neuere Streit zwiſchen England und Spanien uͤber den Han- del nach Nutka-Sund gehoͤret hieher; ſ. Nouv. extraord. 1790. n. 39. 39 ſupp. 47 ſ. 53 ſ. 55. 61 ſ. 62 ſ. 66 ſ. 68 ſ. 70 ſ. 79 ſ. 85 ſ. §. 32. Wie weit ſich die Occupation erſtrecke. Wenn eine Nation einen Landdiſtrict in Beſitz ge- nommen hat, ſo ſind alle innerhalb ſeines Umkreiſes gele- gene herrenloſe Landtheile auch ohne ſpecielle Beſitznahme als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/71
Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/71>, abgerufen am 21.12.2024.