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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Erstes Buch.
Von den Europäischen Staaten überhaupt.
Erstes Hauptstück.
Gattungen und Verbindungen derselben.


§. 12.
Gattungen der Europäischen Staaten.

Ganz Europa ist in Staaten und deren Territorien ver-
theilt, die, als eben so viele moralische Personen, unmit-
telbar auf dem Staatstheater von Europa eine Rolle spie-
len. Viele dieser Staaten sind völlig unabhängig d. h. sie
beherrschen sich durch sich selbst, ohne außer sich auf der Erde
einen Oberherrn in Verwaltung ihrer Hoheitsrechte a)
anzuerkennen. Und da dieser wesentliche Character der Un-
abhängigkeit durch bloße Schutz- Tribut- oder Lehnverbin-
dung nicht aufgehoben wird, so können auch Staaten die
Kraft eines solchen ungleichen Bündnisses einen andren als
Schutz- b) Zins- c) oder Lehnherrn d) anerkennen, noch
als völlig Souverain angesehn werden. Selbst eine gleiche
Verbündung mehrerer Staaten zu gemeinschaftlicher Aus-
übung gewisser Hoheitsrechte, hindert nicht, daß jeder dersel-
ben Souverain sey. Auch die Macht oder Schwäche eines
Staats entscheidet nichts in Ansehung seiner Souveraine-
tät, wenn schon schwache Staaten an Ausübung mancher
Rechte verhindert werden, die sie besitzen e).

Es giebt aber in Europa auch Staaten die, obwohl
sie sich durch sich selbst beherrschen, theils weil ihnen ein-
zelne Hoheitsrechte abgehn, theils insonderheit weil sie außer
sich noch einen höheren Oberherrn auf der Erde anerkennen
nicht als völlig. Souverain anzusehn sind, Abhängige

(halb-
B 4
Erſtes Buch.
Von den Europaͤiſchen Staaten uͤberhaupt.
Erſtes Hauptſtuͤck.
Gattungen und Verbindungen derſelben.


§. 12.
Gattungen der Europaͤiſchen Staaten.

Ganz Europa iſt in Staaten und deren Territorien ver-
theilt, die, als eben ſo viele moraliſche Perſonen, unmit-
telbar auf dem Staatstheater von Europa eine Rolle ſpie-
len. Viele dieſer Staaten ſind voͤllig unabhaͤngig d. h. ſie
beherrſchen ſich durch ſich ſelbſt, ohne außer ſich auf der Erde
einen Oberherrn in Verwaltung ihrer Hoheitsrechte a)
anzuerkennen. Und da dieſer weſentliche Character der Un-
abhaͤngigkeit durch bloße Schutz- Tribut- oder Lehnverbin-
dung nicht aufgehoben wird, ſo koͤnnen auch Staaten die
Kraft eines ſolchen ungleichen Buͤndniſſes einen andren als
Schutz- b) Zins- c) oder Lehnherrn d) anerkennen, noch
als voͤllig Souverain angeſehn werden. Selbſt eine gleiche
Verbuͤndung mehrerer Staaten zu gemeinſchaftlicher Aus-
uͤbung gewiſſer Hoheitsrechte, hindert nicht, daß jeder derſel-
ben Souverain ſey. Auch die Macht oder Schwaͤche eines
Staats entſcheidet nichts in Anſehung ſeiner Souveraine-
taͤt, wenn ſchon ſchwache Staaten an Ausuͤbung mancher
Rechte verhindert werden, die ſie beſitzen e).

Es giebt aber in Europa auch Staaten die, obwohl
ſie ſich durch ſich ſelbſt beherrſchen, theils weil ihnen ein-
zelne Hoheitsrechte abgehn, theils inſonderheit weil ſie außer
ſich noch einen hoͤheren Oberherrn auf der Erde anerkennen
nicht als voͤllig. Souverain anzuſehn ſind, Abhaͤngige

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[23/0051] Erſtes Buch. Von den Europaͤiſchen Staaten uͤberhaupt. Erſtes Hauptſtuͤck. Gattungen und Verbindungen derſelben. §. 12. Gattungen der Europaͤiſchen Staaten. Ganz Europa iſt in Staaten und deren Territorien ver- theilt, die, als eben ſo viele moraliſche Perſonen, unmit- telbar auf dem Staatstheater von Europa eine Rolle ſpie- len. Viele dieſer Staaten ſind voͤllig unabhaͤngig d. h. ſie beherrſchen ſich durch ſich ſelbſt, ohne außer ſich auf der Erde einen Oberherrn in Verwaltung ihrer Hoheitsrechte a) anzuerkennen. Und da dieſer weſentliche Character der Un- abhaͤngigkeit durch bloße Schutz- Tribut- oder Lehnverbin- dung nicht aufgehoben wird, ſo koͤnnen auch Staaten die Kraft eines ſolchen ungleichen Buͤndniſſes einen andren als Schutz- b) Zins- c) oder Lehnherrn d) anerkennen, noch als voͤllig Souverain angeſehn werden. Selbſt eine gleiche Verbuͤndung mehrerer Staaten zu gemeinſchaftlicher Aus- uͤbung gewiſſer Hoheitsrechte, hindert nicht, daß jeder derſel- ben Souverain ſey. Auch die Macht oder Schwaͤche eines Staats entſcheidet nichts in Anſehung ſeiner Souveraine- taͤt, wenn ſchon ſchwache Staaten an Ausuͤbung mancher Rechte verhindert werden, die ſie beſitzen e). Es giebt aber in Europa auch Staaten die, obwohl ſie ſich durch ſich ſelbſt beherrſchen, theils weil ihnen ein- zelne Hoheitsrechte abgehn, theils inſonderheit weil ſie außer ſich noch einen hoͤheren Oberherrn auf der Erde anerkennen nicht als voͤllig. Souverain anzuſehn ſind, Abhaͤngige (halb- B 4

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/51>, abgerufen am 21.11.2024.