Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
Achtes Buch. Siebentes Hauptstück.
fen von Clerfait an den Magistrat der Reichsstadt Hamburg vom
4ten Aug. 1795, Antwort des Magistrats vom 22sten October,
Schreiben des Feldmarschalls vom 12ten Nov. 1795.
Siebentes Hauptstück.
Von der Neutralität.
§. 300.
Recht neutral zu bleiben.

Wenn man die Fälle ausnimmt in welchen ein Staat
entweder 1) kraft des besonderen Bandes nach welchem er als
ein Theil einer der kriegführenden Mächte anzusehn ist, wie
z. B. die Mitglieder eines Staatensystems, oder die eines
zusammengesetzten Reichs a), oder 2) kraft eines ungleichen
Bündnisses z. B. des Lehn- oder Schutzbündnisses einem der
kriegführenden Theile Beystand leisten muß, oder 3) aus
einem gleichen Bündnisse verpflichtet ist Theil an den Krieg zu
nehmen, so ist bey Entstehung eines Krieges zwischen zweyen
Mächten jeder dritte Staat berechtiget, sein bisheriges freund-
schaftliche Verhältniß gegen beide kriegführende Theile fort-
zusetzen, d. i. neurral b) zu bleiben; die kriegführenden
Mächte sind auch, so lange er die Pflichten der Neutralität
erfüllet, vollkommen verbunden ihn als eine neutrale Macht
zu behandeln.

Und da Kriege die Sache der Völker, nicht der Per-
son der Souveraine sind, so kann weder deren Verwand-
schaft
mit einem der kriegführenden Theile (sie sey eheliche c),
elterliche oder brüderliche u. s. f.), noch die bloß persönliche
Verbindung zweyer Staaten unter einem Oberhaupte (beide
Staaten, oder einer derselben, mögen völlig souverain oder
abhängig (halbsouverain) seyn) denjenigen der wider einen
dieser Staaten Krieg führet berechtigen wider den andren, so
lange dieser sich neutral verhält, feindlich zu verfahren. Nur
wenn zwey Staaten in reeller Verbindung stehn, sie sey eine

gleiche
Achtes Buch. Siebentes Hauptſtuͤck.
fen von Clerfait an den Magiſtrat der Reichsſtadt Hamburg vom
4ten Aug. 1795, Antwort des Magiſtrats vom 22ſten October,
Schreiben des Feldmarſchalls vom 12ten Nov. 1795.
Siebentes Hauptſtuͤck.
Von der Neutralitaͤt.
§. 300.
Recht neutral zu bleiben.

Wenn man die Faͤlle ausnimmt in welchen ein Staat
entweder 1) kraft des beſonderen Bandes nach welchem er als
ein Theil einer der kriegfuͤhrenden Maͤchte anzuſehn iſt, wie
z. B. die Mitglieder eines Staatenſyſtems, oder die eines
zuſammengeſetzten Reichs a), oder 2) kraft eines ungleichen
Buͤndniſſes z. B. des Lehn- oder Schutzbuͤndniſſes einem der
kriegfuͤhrenden Theile Beyſtand leiſten muß, oder 3) aus
einem gleichen Buͤndniſſe verpflichtet iſt Theil an den Krieg zu
nehmen, ſo iſt bey Entſtehung eines Krieges zwiſchen zweyen
Maͤchten jeder dritte Staat berechtiget, ſein bisheriges freund-
ſchaftliche Verhaͤltniß gegen beide kriegfuͤhrende Theile fort-
zuſetzen, d. i. neurral b) zu bleiben; die kriegfuͤhrenden
Maͤchte ſind auch, ſo lange er die Pflichten der Neutralitaͤt
erfuͤllet, vollkommen verbunden ihn als eine neutrale Macht
zu behandeln.

Und da Kriege die Sache der Voͤlker, nicht der Per-
ſon der Souveraine ſind, ſo kann weder deren Verwand-
ſchaft
mit einem der kriegfuͤhrenden Theile (ſie ſey eheliche c),
elterliche oder bruͤderliche u. ſ. f.), noch die bloß perſoͤnliche
Verbindung zweyer Staaten unter einem Oberhaupte (beide
Staaten, oder einer derſelben, moͤgen voͤllig ſouverain oder
abhaͤngig (halbſouverain) ſeyn) denjenigen der wider einen
dieſer Staaten Krieg fuͤhret berechtigen wider den andren, ſo
lange dieſer ſich neutral verhaͤlt, feindlich zu verfahren. Nur
wenn zwey Staaten in reeller Verbindung ſtehn, ſie ſey eine

gleiche
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <note place="end" n="c)"><pb facs="#f0368" n="340"/><fw place="top" type="header">Achtes Buch. Siebentes Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</fw><lb/>
fen von Clerfait an den Magi&#x017F;trat der Reichs&#x017F;tadt Hamburg vom<lb/>
4ten Aug. 1795, Antwort des Magi&#x017F;trats vom 22&#x017F;ten October,<lb/>
Schreiben des Feldmar&#x017F;challs vom 12ten Nov. 1795.</note>
          </div>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Siebentes Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck</hi>.</hi><lb/>
Von der Neutralita&#x0364;t.</hi> </head><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 300.<lb/><hi rendition="#fr">Recht neutral zu bleiben.</hi></head><lb/>
            <p>Wenn man die Fa&#x0364;lle ausnimmt in welchen ein Staat<lb/>
entweder 1) kraft des be&#x017F;onderen Bandes nach welchem er als<lb/>
ein Theil einer der kriegfu&#x0364;hrenden Ma&#x0364;chte anzu&#x017F;ehn i&#x017F;t, wie<lb/>
z. B. die Mitglieder eines Staaten&#x017F;y&#x017F;tems, oder die eines<lb/>
zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzten Reichs <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">a</hi></hi>), oder 2) kraft eines ungleichen<lb/>
Bu&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;es z. B. des Lehn- oder Schutzbu&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;es einem der<lb/>
kriegfu&#x0364;hrenden Theile Bey&#x017F;tand lei&#x017F;ten muß, oder 3) aus<lb/>
einem gleichen Bu&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;e verpflichtet i&#x017F;t Theil an den Krieg zu<lb/>
nehmen, &#x017F;o i&#x017F;t bey Ent&#x017F;tehung eines Krieges zwi&#x017F;chen zweyen<lb/>
Ma&#x0364;chten jeder dritte Staat berechtiget, &#x017F;ein bisheriges freund-<lb/>
&#x017F;chaftliche Verha&#x0364;ltniß gegen beide kriegfu&#x0364;hrende Theile fort-<lb/>
zu&#x017F;etzen, d. i. <hi rendition="#fr">neurral</hi> <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">b</hi></hi>) zu bleiben; die kriegfu&#x0364;hrenden<lb/>
Ma&#x0364;chte &#x017F;ind auch, &#x017F;o lange er die Pflichten der Neutralita&#x0364;t<lb/>
erfu&#x0364;llet, vollkommen <hi rendition="#fr">verbunden</hi> ihn als eine neutrale Macht<lb/>
zu behandeln.</p><lb/>
            <p>Und da Kriege die Sache der Vo&#x0364;lker, nicht der Per-<lb/>
&#x017F;on der Souveraine &#x017F;ind, &#x017F;o kann weder deren <hi rendition="#fr">Verwand-<lb/>
&#x017F;chaft</hi> mit einem der kriegfu&#x0364;hrenden Theile (&#x017F;ie &#x017F;ey eheliche <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">c</hi></hi>),<lb/>
elterliche oder <hi rendition="#fr">bru&#x0364;derliche</hi> u. &#x017F;. f.), noch die bloß per&#x017F;o&#x0364;nliche<lb/>
Verbindung zweyer Staaten unter einem Oberhaupte (beide<lb/>
Staaten, oder einer der&#x017F;elben, mo&#x0364;gen vo&#x0364;llig &#x017F;ouverain oder<lb/>
abha&#x0364;ngig (halb&#x017F;ouverain) &#x017F;eyn) denjenigen der wider einen<lb/>
die&#x017F;er Staaten Krieg fu&#x0364;hret berechtigen wider den andren, &#x017F;o<lb/>
lange die&#x017F;er &#x017F;ich neutral verha&#x0364;lt, feindlich zu verfahren. Nur<lb/>
wenn zwey Staaten in reeller Verbindung &#x017F;tehn, &#x017F;ie &#x017F;ey eine<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gleiche</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[340/0368] Achtes Buch. Siebentes Hauptſtuͤck. c⁾ fen von Clerfait an den Magiſtrat der Reichsſtadt Hamburg vom 4ten Aug. 1795, Antwort des Magiſtrats vom 22ſten October, Schreiben des Feldmarſchalls vom 12ten Nov. 1795. Siebentes Hauptſtuͤck. Von der Neutralitaͤt. §. 300. Recht neutral zu bleiben. Wenn man die Faͤlle ausnimmt in welchen ein Staat entweder 1) kraft des beſonderen Bandes nach welchem er als ein Theil einer der kriegfuͤhrenden Maͤchte anzuſehn iſt, wie z. B. die Mitglieder eines Staatenſyſtems, oder die eines zuſammengeſetzten Reichs a), oder 2) kraft eines ungleichen Buͤndniſſes z. B. des Lehn- oder Schutzbuͤndniſſes einem der kriegfuͤhrenden Theile Beyſtand leiſten muß, oder 3) aus einem gleichen Buͤndniſſe verpflichtet iſt Theil an den Krieg zu nehmen, ſo iſt bey Entſtehung eines Krieges zwiſchen zweyen Maͤchten jeder dritte Staat berechtiget, ſein bisheriges freund- ſchaftliche Verhaͤltniß gegen beide kriegfuͤhrende Theile fort- zuſetzen, d. i. neurral b) zu bleiben; die kriegfuͤhrenden Maͤchte ſind auch, ſo lange er die Pflichten der Neutralitaͤt erfuͤllet, vollkommen verbunden ihn als eine neutrale Macht zu behandeln. Und da Kriege die Sache der Voͤlker, nicht der Per- ſon der Souveraine ſind, ſo kann weder deren Verwand- ſchaft mit einem der kriegfuͤhrenden Theile (ſie ſey eheliche c), elterliche oder bruͤderliche u. ſ. f.), noch die bloß perſoͤnliche Verbindung zweyer Staaten unter einem Oberhaupte (beide Staaten, oder einer derſelben, moͤgen voͤllig ſouverain oder abhaͤngig (halbſouverain) ſeyn) denjenigen der wider einen dieſer Staaten Krieg fuͤhret berechtigen wider den andren, ſo lange dieſer ſich neutral verhaͤlt, feindlich zu verfahren. Nur wenn zwey Staaten in reeller Verbindung ſtehn, ſie ſey eine gleiche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/368
Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/368>, abgerufen am 03.12.2024.