§. 138. Von dem Handel der Europäer in fremde Welttheile.
1) Alle Europäischen Mächte welche Besitzungen in fremden Welttheilen erworben und daselbst Colonien ge- gründet haben, sind einem einförmigen Grundsatze gefol- get, nach welchem sie sich selbst in dem Besitz des aus- schließlichen durch ihre Unterthanen einzeln oder in Handels- gesellschaften a) zu führenden Handels mit diesen Besitzun- gen gesetzt, ihren Colonien nur einen sehr beschränkten Han- del mit Völkern außerhalb Europa gestattet, und hingegen die übrigen Europäischen Völker dergestalt von allen Han- del mit diesen Besitzungen ausgeschlossen haben, daß ihnen außerhalb der Nothfälle sogar weder in selbigen anzulan- den, noch auch unterhalb der Canonen der Vestungen durch- zuseegeln b) gestattet wird. Nur wenig Orte und Inseln der Europäer in diesen Welttheilen machen davon eine Aus- nahme, und sind dem Handel aller oder einiger Europäi- schen Völker eröffnet c).
2) Einige Völker außerhalb Europa, insonderheit in Indien haben ein oder anderer Europäischen Macht das Recht des ausschließlichen Handels mit ihnen durch Ver- träge eingeräumt, und sich dadurch die Hände gebunden diesen Handel nicht mit anderen Völkern zu errichten d).
3) Es giebt Beyspiele daß Europäische Mächte zum Vortheil einiger anderen Mächte auf den Handel nach In- dien oder auf die fernere Ausdehnung desselben Verzicht geleistet haben e).
Sofern aber keine dieser drey Beschränkungen eintritt, ist der Handel und die Schiffarth sowohl überhaupt, als insbesondere nach Indien f) ungeachtet der darüber im 16ten und 17ten Jahrhundert von einigen Mächten erregten un- gegründeten Zweifel für so frey anzusehn, und anerkannt, daß jetzt eine jede Europäische Macht befugt ist neuerdings einen Handel mit allen den Völkern anzufangen, welche diesem Handel die Hände bieten wollen g). Nicht alle
Völker
Viertes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
§. 138. Von dem Handel der Europaͤer in fremde Welttheile.
1) Alle Europaͤiſchen Maͤchte welche Beſitzungen in fremden Welttheilen erworben und daſelbſt Colonien ge- gruͤndet haben, ſind einem einfoͤrmigen Grundſatze gefol- get, nach welchem ſie ſich ſelbſt in dem Beſitz des aus- ſchließlichen durch ihre Unterthanen einzeln oder in Handels- geſellſchaften a) zu fuͤhrenden Handels mit dieſen Beſitzun- gen geſetzt, ihren Colonien nur einen ſehr beſchraͤnkten Han- del mit Voͤlkern außerhalb Europa geſtattet, und hingegen die uͤbrigen Europaͤiſchen Voͤlker dergeſtalt von allen Han- del mit dieſen Beſitzungen ausgeſchloſſen haben, daß ihnen außerhalb der Nothfaͤlle ſogar weder in ſelbigen anzulan- den, noch auch unterhalb der Canonen der Veſtungen durch- zuſeegeln b) geſtattet wird. Nur wenig Orte und Inſeln der Europaͤer in dieſen Welttheilen machen davon eine Aus- nahme, und ſind dem Handel aller oder einiger Europaͤi- ſchen Voͤlker eroͤffnet c).
2) Einige Voͤlker außerhalb Europa, inſonderheit in Indien haben ein oder anderer Europaͤiſchen Macht das Recht des ausſchließlichen Handels mit ihnen durch Ver- traͤge eingeraͤumt, und ſich dadurch die Haͤnde gebunden dieſen Handel nicht mit anderen Voͤlkern zu errichten d).
3) Es giebt Beyſpiele daß Europaͤiſche Maͤchte zum Vortheil einiger anderen Maͤchte auf den Handel nach In- dien oder auf die fernere Ausdehnung deſſelben Verzicht geleiſtet haben e).
Sofern aber keine dieſer drey Beſchraͤnkungen eintritt, iſt der Handel und die Schiffarth ſowohl uͤberhaupt, als insbeſondere nach Indien f) ungeachtet der daruͤber im 16ten und 17ten Jahrhundert von einigen Maͤchten erregten un- gegruͤndeten Zweifel fuͤr ſo frey anzuſehn, und anerkannt, daß jetzt eine jede Europaͤiſche Macht befugt iſt neuerdings einen Handel mit allen den Voͤlkern anzufangen, welche dieſem Handel die Haͤnde bieten wollen g). Nicht alle
Voͤlker
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Viertes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
§. 138.
Von dem Handel der Europaͤer in fremde Welttheile.
1) Alle Europaͤiſchen Maͤchte welche Beſitzungen in
fremden Welttheilen erworben und daſelbſt Colonien ge-
gruͤndet haben, ſind einem einfoͤrmigen Grundſatze gefol-
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ſchließlichen durch ihre Unterthanen einzeln oder in Handels-
geſellſchaften a) zu fuͤhrenden Handels mit dieſen Beſitzun-
gen geſetzt, ihren Colonien nur einen ſehr beſchraͤnkten Han-
del mit Voͤlkern außerhalb Europa geſtattet, und hingegen
die uͤbrigen Europaͤiſchen Voͤlker dergeſtalt von allen Han-
del mit dieſen Beſitzungen ausgeſchloſſen haben, daß ihnen
außerhalb der Nothfaͤlle ſogar weder in ſelbigen anzulan-
den, noch auch unterhalb der Canonen der Veſtungen durch-
zuſeegeln b) geſtattet wird. Nur wenig Orte und Inſeln
der Europaͤer in dieſen Welttheilen machen davon eine Aus-
nahme, und ſind dem Handel aller oder einiger Europaͤi-
ſchen Voͤlker eroͤffnet c).
2) Einige Voͤlker außerhalb Europa, inſonderheit in
Indien haben ein oder anderer Europaͤiſchen Macht das
Recht des ausſchließlichen Handels mit ihnen durch Ver-
traͤge eingeraͤumt, und ſich dadurch die Haͤnde gebunden
dieſen Handel nicht mit anderen Voͤlkern zu errichten d).
3) Es giebt Beyſpiele daß Europaͤiſche Maͤchte zum
Vortheil einiger anderen Maͤchte auf den Handel nach In-
dien oder auf die fernere Ausdehnung deſſelben Verzicht
geleiſtet haben e).
Sofern aber keine dieſer drey Beſchraͤnkungen eintritt,
iſt der Handel und die Schiffarth ſowohl uͤberhaupt, als
insbeſondere nach Indien f) ungeachtet der daruͤber im 16ten
und 17ten Jahrhundert von einigen Maͤchten erregten un-
gegruͤndeten Zweifel fuͤr ſo frey anzuſehn, und anerkannt,
daß jetzt eine jede Europaͤiſche Macht befugt iſt neuerdings
einen Handel mit allen den Voͤlkern anzufangen, welche
dieſem Handel die Haͤnde bieten wollen g). Nicht alle
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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/196>, abgerufen am 01.03.2025.
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